Natürlich gibt es im gebräuchlichen Wortsinn gemeine Eltern. Sie üben physische oder psychische Gewalt auf ihren Nachwuchs aus. Jeder und jede jeden Alters hat das Recht, sie gemein zu schimpfen und die nötigen Schritte einzuleiten, um das Wohlergehen der Kinder zu sichern.
Doch manchmal sind aus Kindersicht «gemeine» Eltern eben gar nicht gemein. Sondern schlicht und simpel Eltern, die ihre Kleinen erziehen müssen. Und was für ein Kind «gemein» ist, wird von Erziehungsberechtigten gerne als im Minimum «notwendiges Übel» und im Maximum als «absolut existenzielles Wissen» eingestuft. Das zeigt sich in folgenden stinknormalen Familiensituationen:
- Körperhygiene ist keine Empfehlung
Eine heisse Dusche oder ein gemütliches Schaumbad (gerne mit Kerzen auf dem Badewannenrand) sind für die meisten Erwachsenen eine ziemlich treffsichere Beschreibung für eine entspannende Situation. Dass sich dabei das mit der Körperhygiene quasi von selbst erledigt? Win-win. Kinder erleben dasselbe Arrangement (aus Sicherheitsgründen besser ohne Kerzen) gerne als Supergau und Impertinenz sondergleichen. Sie würden ja nicht stinken (fun fact: auch Kinder können müffeln). Trotzdem ist das mit der Körperhygiene (und Zähneputzen!) eine der wichtigsten Lebenslektionen, die die Kleinen in ihren ersten Lebensjahren lernen müssen. Diese Krise müssen «gemeine» Eltern überwinden. Mit Aromakerzen mit Weinduft (oder direkt als Vino im Glas) fällt das manchen übrigens leichter. - Willkommen in der Hausaufgabenhölle
Insgeheim haben wir ja Verständnis. Es ist in der Tat keine schöne Aufgabe in der spärlichen Freizeit, die ein durchschnittliches Schulkind zur Verfügung hat, Verben zu konjugieren oder (absurde) Rechenwege für mathematische Rätsel zu ersinnen. Aber ein notwendiges Übel: Man muss die Kleinen ja irgendwie durch die Schule kriegen. Darum sind Aufforderungen à la «Jetzt mach mal deine Hausaufgaben» oder «Mach doch was für die Schule, wenns dir langweilig ist» oder - noch schlimmer - «lies ein Buch» keine Gemeinheiten, sondern eine simple Notwendigkeit. Wie Nena einst sang, werden es auch die stursten Kinder «irgendwie, irgendwo, irgendwann» verstehen. Bis dahin? Aussitzen und aushalten, liebe Eltern. - Gemüse ist NICHT böse
Die Schule macht es sich da leicht: Die verteilen am Anfang des Schuljahres ein paar Flyer und Erziehungsberechtigte wissen, was in die Snackbox darf und was nicht. Zur Not wird mit leicht passiv aggressiven Remindern in selbiger Snackbox gearbeitet – und das Kind trägt die Reiswaffel mit leichtem Schokoüberzug mit verächtlichem Blick gleich wieder heim. Am Küchentisch zuhause ist das mit der gesunden Ernährung ein ganz anderes Paar Schuhe. Selbst wenn die Eltern wohlweislich von Anfang an klare Regeln definiert haben. Die liebevoll klein geschnippelten Karotten und Gurken? Ein Affront erster Güte! Zucchini und dann noch GEKOCHT? Das Kind zieht zu den Grosseltern. Es fühlt sich geradezu gequält. Was ist die Alternative? Pasta ohne Sauce für immer, Fleisch ohne alles für immer oder Brot. Nun. Es liegt auf der Hand - da müssen wir durch, wir «gemeinen» Eltern.
Und irgendwann, wenn die Kleinen nicht mehr klein, sondern gross sind und frisch gewaschen, mit intakten Zähnen und diesem schönen Vitamin-Glow (der, den wir von J.Lo etwa kennen) zur Tür rausgehen, um (hoffentlich) der Arbeit ihrer Träume nachzugehen, wissen wir: «Gemein» war manchmal wichtig.
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Dieser Artikel wurde vom Family-Channel der «Schweizer Illustrierte» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.schweizer-illustrierte.ch/family
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