Studie mit 700'000 Befragten
Je mehr Brüder und Schwestern, desto ehrlicher

Welchen Einfluss hat die Position in der Geschwisterreihe auf unsere Persönlichkeit? Das hat eine neue Studie mit 700'000 Befragten untersucht.
Publiziert: 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 13:57 Uhr
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Gemäss der Studie hat die Geschwisterposition Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. Demnach werden Mittelkinder zu den kooperativsten Erwachsenen.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Studie untersucht Einfluss von Geschwisterposition auf Persönlichkeit
  • Über 700'000 Menschen nahmen an der internationalen Studie teil
  • Psychologe nennt, welche weiteren Faktoren die Persönlichkeit prägen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Dennis BaumannRedaktor Gesellschaft

«Du bist halt ein typisches Sandwichkind» oder «Klar, als jüngstes Kind kommst du mit allem davon» – solche Sprüche fallen oft, wenn über Geschwister diskutiert wird. Aber stimmen diese Klischees? Die kanadischen Psychologen Michael Ashton und Kibeom Lee sind dieser Frage in einer internationalen Studie mit über 700'000 Menschen nachgegangen. 

Die Teilnehmenden machten in einem Fragebogen Angaben zu Persönlichkeitsmerkmalen wie Ehrlichkeit, Verträglichkeit (im Gegensatz zu Wut) oder Offenheit für neue Erfahrungen. Die Psychologen setzten diese Angaben in Zusammenhang mit der Anzahl Geschwister und Geburtenreihenfolge der Befragten. Ihre Resultate veröffentlichten sie kürzlich in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift PNAS

Ein paar ihrer Erkenntnisse: Mittelkinder entwickeln sich zu den kooperativsten Erwachsenen. Auch die Anzahl der Geschwister prägt die Persönlichkeit: Je mehr Brüder und Schwestern, desto ausgeprägter sind die Charaktereigenschaften Ehrlichkeit und Verträglichkeit. Zudem sind Einzelkinder am offensten für neue Erfahrungen, aber gleichzeitig auch am introvertiertesten im Vergleich zu Kindern mit mehreren Geschwistern.

Der Schweizer Psychologe Jürg Frick (68) nimmt die Studie mit Interesse zur Kenntnis. Der emeritierte Professor an der Zürcher Fachhochschule beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Geschwisterbeziehungen. 

Geschwisterposition allein sagt nicht alles

Statt isoliert auf die Geschwisterposition zu schauen, rät er zu einem ganzheitlichen Blick. «Der Altersunterschied zwischen Geschwistern spielt eine zentrale Rolle – ob zehn Jahre oder nur eines macht einen gewaltigen Unterschied.» Auch die Geschlechterkonstellation und kulturelle Faktoren seien entscheidend.

Zudem präge die familiäre Situation die Entwicklung massgeblich. Wie viel Zeit und Geld haben die Eltern zur Verfügung? Sind sie erst 18 oder schon 35? War das Kind geplant? Weiter hätten ausserfamiliäre Bezugspersonen wie Grosseltern, Freunde oder Lehrpersonen oft mehr Einfluss als die reine Geschwisterkonstellation.

Konkret an einem Beispiel: Die Studie stellt eine höhere Ausprägung des Charakterzugs Verträglichkeit bei Menschen aus grossen Familien fest. «In grossen Familien lernt man zwangsläufig, sich zu arrangieren», sagt Frick. «Aber entscheidend ist, wie die Eltern mit der Situation umgehen. Fördern sie den Zusammenhalt? Wie verteilen sie ihre Aufmerksamkeit?» Die Gründe für die in der internationalen Studie festgestellte grössere Kooperations-Fähigkeit von Menschen mit vielen Geschwistern habe also vielschichtige Gründe.

Den Einzelfall verstehen

Jürg Frick plädiert deshalb für einen differenzierteren Forschungsansatz: «Man müsste viel mehr qualitative Studien machen, bei denen man Einzelfälle genau untersucht.» Nur so könne man die komplexen Zusammenhänge wirklich verstehen. Ob Sandwich-, jüngstes oder ältestes Kind: Die Position allein sagt nicht alles über die Persönlichkeitsentwicklung aus.

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