Kay von Mérey (26) wollte schon immer beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) arbeiten. Als kleines Mädchen hörte sie die Geschichten eines IKRK-Delegierten, der in Kriegsgebieten tätig war. Sie wusste schon damals: Das wird ihre Berufung. Nach ihrem Studium in Internationalen Beziehungen absolvierte sie ihren ersten freiwilligen Einsatz in Ecuador bei der Stiftung Avanzar. Mit der grossen Flüchtlingswelle von 2016 war sie fürs Österreichische Rote Kreuz freiwillig tätig. Im Jahr 2021 ging ihr Traum dann in Erfüllung: Sie begann ein Praktikum beim IKRK. Während ihres Praktikums hatte sie immer wieder Kontakt mit Spendern aus der Schweiz und den IKRK-Delegierten. Ihr fiel sofort auf, wie viele Menschen in der Schweiz nichts von den Einsätzen im Ausland wussten.
Distanz schützt nicht
«Diese Menschen riskieren täglich ihr Leben in Kriegsgebieten wie Syrien oder Jerusalem, um anderen zu helfen, aber niemand redet von ihnen, niemand weiss genau, was sie machen.» Als sie ihren Freundinnen Leonie Basler (27) und Jessica Eberhart (28) während unzähligen Gesprächen davon erzählt, wird den jungen Frauen klar: In der Schweiz fehlt der Bezug zu den humanitären Organisationen. Die grossen NGOs wie das Internationale Rote Kreuz, Unicef oder Ärzte ohne Grenzen sind von der aktiven Beteiligung der schweizerischen Bevölkerung weit entfernt. Vor allem für Studierende und junge Menschen. «Wir werden in den sozialen Medien nur so von Bildern und Videos überhäuft, wir wissen von den Kriegen und dem Leid auf der Welt. Aber nur weil die Schweiz Distanzen zu diesen Katastrophen hat, bedeutet das nicht, dass es diese Probleme nicht gibt», sagt Jessica. Mit ihrem ETH-Abschluss in Sicherheitspolitik ist sie unter anderem für die Kommunikation und das Marketing im Verein Circle of Young Humanitarians zuständig.
Kay und Leonie stiessen 2020 auf die Studie «Millennial views on war and peace» des IKRK, eine Umfrage zu den Regeln im Krieg, gerichtet an die jungen Generationen. Kay und Leonie merkten noch mehr, wie weit weg sie von diesem Wissen und Problemen waren. Was können sie schon hier in der Schweiz tun? Nichts. Falsch! Sie gründeten deshalb eine Plattform, um das Bewusstsein junger Menschen für das IKRK und die humanitäre Arbeit im Allgemeinen zu stärken. «So viele junge Leute sind motiviert und wollen etwas machen, wissen aber nicht genau, wie und wo. Diese Barriere versuchen wir mit unserer Plattform zu eliminieren», erzählt Kay. Sie konnte nach ihrem Praktikum den Kontakt mit IKRK-Delegierten aus der Schweiz fortsetzen. Auch wenn der Verein unabhängig vom Roten Kreuz ist, wurden die Freundinnen von Anfang an unterstützt. Bei ihrer ersten virtuellen Veranstaltung im Juni 2021 mit über 180 Teilnehmenden haben sie die Ernsthaftigkeit des Vereins bewiesen und sind nun regelmässig mit dem IKRK im Austausch.
Sie organisieren verschiedene Anlässe, Instagram ist ihr Hauptkommunikationsmittel. Im Frühling 2022 führten sie eine Plakataktion in Bezug auf die Regeln im Krieg und die Energiekrise durch. Wie Jessica erklärt, ist vielen Menschen nicht bewusst, dass die meisten Staaten der Welt Kriegsregeln unterschrieben haben, die sie einhalten müssen. Was aber nicht immer der Fall ist. «Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn diese Regeln nicht existieren würden, und wie die Welt sonst aussehen würde.» Deshalb haben sie mit kleinen Mitteilungen auf Kartons auf die Krise in der Ukraine aufmerksam gemacht: «In der Ukraine sind Stromausfälle zur täglichen Realität geworden» oder «Zivilisten müssen geschützt werden. Das ist das Gesetz». Diese Fotos gingen viral und wurden sogar bis nach Russland und in der Ukraine auf Social Media geteilt.
Auf eine lockere Art wollen sie Bewusstsein generieren, denn je mehr man darüber weiss, desto involvierter ist man. «Schwiizer Aktivismus», nennt Leonie es lächelnd, «Bis jetzt waren wir in der Schweiz noch sehr privilegiert, ohne Krieg, aber es wird politisch nicht einfacher werden, und es ist wichtig, sich jetzt schon mit den Themen auseinanderzusetzen.» Sie arbeitet seit vier Jahren bei der ABB als Business Development Managerin und findet es eine gute Ergänzung zum alltäglichen Leben, etwas zurückgeben zu können.
Das Ziel der Freundinnen ist es, die humanitäre Welt den jungen Menschen ein Stück näherzubringen. Mit ihrer Plattform wollen sie mehr Klarheit unter Gleichaltrigen suchen, die Berührungsängste mit humanitären Hilfsorganisationen mildern. Ihr nächster Schritt für dieses Ziel ist ihr diesjähriger Summit. Dieses Wochenende, 25. und 26. März, veranstalten sie ein zweitägiges Gipfeltreffen im Kraftwerk Zürich, um einen interdisziplinären Austausch in der humanitären Welt zu fördern. Es wird verschiedene Reden, Panel-Diskussionen, Workshops und Konzerte geben. Von jedem gekauften Ticket wird ein Teil an die Hilfsorganisationen IKRK, Médecins Sans frontières (MSF), Unicef, UNHCR, Reporters Without Borders und ans Schweizerische Rote Kreuz (SRK) gespendet. Wie Jessica sagt: «Man muss nicht selbst tätig in der humanitären Welt sein, um einen Einfluss zu haben. Alle können was bewirken.»
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