«Was wir tun, ist oft unsichtbar»
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Produzentin Stacey Sher:«Was wir tun, ist oft unsichtbar»

Produzentin Stacy Sher
«Ich akzeptiere kein Nein»

Sie bleibt oft unsichtbar, dabei hat sie ein paar der wichtigsten Kultfilme auf die grosse Leinwand gebracht: Hollywood-Produzentin Stacey Sher (61) tritt auf der Piazza Grande in Locarno ins Scheinwerferlicht.
Publiziert: 18.08.2024 um 19:15 Uhr
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Sie hat Tarantino zum Kult gemacht: Produzentin Stacey Sher.
Foto: Locarno Film Festival / Ti-Press
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Es ist genau 30 Jahre her, seit «Pulp Fiction» auf der Piazza Grande am Filmfestival in Locarno TI lief. Der Film katapultierte Quentin Tarantino (61) in die Liga der Regisseure, die das unabhängige Kino prägen und verändern.

Verantwortlich dafür, dass «Pulp Fiction» zum Fliegen kam, ist Stacey Sher (61). Sie zählt zu den wichtigsten Produzentinnen des US-amerikanischen Films und schafft es wie keine andere, bewegende Geschichten, künstlerischen Anspruch und kommerziellen Erfolg zu vereinen.

Ihre Leistung bleibt oft im Hintergrund, doch am diesjährigen Locarno Film Festival steht sie im Scheinwerferlicht und bringt nicht nur dank ihres glitzernden Kleids den Glamour Hollywoods auf die Piazza.

Im August 2024 im Scheinwerferlicht auf Locarnos Piazza Grande: Hollywood-Produzentin Stacey Sher.
Foto: Mattia Martegani

Der Preis ist ein Herzenswunsch

Sichtlich gerührt steht sie vor den 8000 Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Bühne: «Das bedeutet mir unglaublich viel, denn die Arbeit als Produzentin bleibt oft unsichtbar. Diese Auszeichnung ist eine grosse Ermutigung.» Ihr Job sei hart: Man bekomme ständig Absagen, aber: «Ich akzeptiere kein Nein.» Mit der Übergabe des Leoparden für den Rezzonico-Preis erfüllt sich der künstlerische Leiter des Festivals Giona Nazzaro (59) einen Herzenswunsch. 

Nazzaro verfolgt die Karriere von Stacey Sher seit langem. Er sass vor 30 Jahren selbst im Publikum auf der Piazza Grande, als der Tarantino-Hit gezeigt wurde. «Damit wurde ein neues Kapitel in der Geschichte des Independent Films aufgeschlagen. Das war klar. ‹Pulp Fiction› wurde sofort Kult.» Zuvor hatte der Film in Cannes (F) die Goldene Palme gewonnen. Schon damals zeigt sich Shers untrügliches Gespür für ausserordentliche Filme. Nazzaro: «Sie hat an Leute geglaubt, als sie noch keiner kannte, und hat sie grösser werden lassen.»

Grosse Stars für unbekannte Projekte

Und es gelang Sher, grosse Stars für unbekannte Projekte zu gewinnen: so Julia Roberts (56) für den Film «Erin Brockovich» (2000). «Alle sagten uns, dass der grösste Filmstar der Welt auf keinen Fall so einen Film machen würde», sagt Sher in Locarno. Aber sie ist drangeblieben. «Das Budget für den Film war 50 Millionen, Julia hat 20 Millionen bekommen, und darauf bin ich stolz. Sie soll gleich viel verdienen wie männliche Stars in ihrer Liga.»

Roberts gewann für ihre Leistung in «Erin Brockovich» einen Oscar. Und Sher hat damit viel in Bewegung gebracht: «Es hat das Bewusstsein in unserer Gesellschaft für Umweltfragen geschärft. Und die Macht des Einzelnen im Kampf gegen grosse Konzerne.»

Der Film wurde dieses Jahr am Locarno Film Festival gezeigt, Sher war dabei: «Es mag sich kitschig anhören, aber es war eine unbeschreibliche Erfahrung. Auch, dass ein Film nach all den Jahren noch so bewegt.» Und wie empfindet sie es, dass so ein Film ein Millionenpublikum erreicht hat? «Schockierend!», sagt sie und lacht in die kleine Runde von Journalistinnen, die sie in der Pasticceria Marnin zum Gespräch empfängt.

Als ihr eine Kellnerin einen Leoparden aus Marzipan serviert, ruft sie entzückt: «Der ist ja viel zu süss zum Essen.» Dann entschuldigt sie sich für ihren Jetlag und ihre ausschweifenden Antworten. Man merkt, dass sie eine Geschichtenerzählerin ist. «Ich habe nicht oft die Gelegenheit, innezuhalten und zurückzublicken. In meinem Beruf drängt man immer nach vorne, man ist immer am nächsten Projekt und rollt diesen Felsbrocken den Berg hoch, wie Sisyphus.» Bloss bringt sie den Stein bis ganz nach oben und ins Rollen. Der Songwriter Neil Young (78) habe mal zu ihr gesagt: «‹Steck mich zurück in den Ofen, ich bin noch nicht fertig.› So fühle ich mich auch.»

Beim Academy Screening von «The Hateful Eight» in New York im Jahr 2015: Walton Goggins, Stacey Sher, Kurt Russell und Quentin Tarantino (v. l.).
Foto: Robin Marchant

Sher ist mit Filmen gross geworden. «In unserer Familie machten wir Witze, dass unsere Religion Filme sind und Kino unsere Kirche.» So habe sie es ihrer Mutter 30 Jahre lang nicht verziehen, dass sie sich «Der weisse Hai» (1975) ohne sie angeschaut habe. «Ich war damals ein Teenager und im Sommerlager.»

Was sie mit der Anekdote klarmachen will: «Zu dieser Zeit waren Kino und auch TV ein kollektives Erlebnis, es war das Zentrum der kulturellen Konversation.» Heute bewege sich dank Digitalisierung jeder in seiner eigenen Bubble. «Heute sind es noch Filme wie ‹Barbie› oder grosse Stars wie Taylor Swift, die uns alle zusammenbringen.» Dabei sei es wichtig, sich in andere Milieus zu begeben, das sei die Chance des Films.

Der Film als Schlüsselerlebnis

Ihr Schlüsselerlebnis war der Film «A Clockwork Orange» (1971), den sie sich als Teenager mehrere Male angeschaut hat. «Das änderte alles für mich. Mir wurde klar, was für einen Einfluss Filme haben können.» Immer wieder wird Sher gefragt, wie sie es in dieser männerdominierten Branche als Frau an die Spitze geschafft hat. In ihrer Anfangszeit habe sie sich manchmal kleingemacht: «Wir Frauen haben die Tendenz, dass wir von allen geliebt werden wollen. Das wird mit dem Alter besser.»

Die Produzentin mit Cate Blanchett (r.): Sie spielt in der Mini-Serie «Mrs. America» von Sher.
Foto: Penske Media via Getty Images

Ihr Job sei nicht einfach, auch heute nicht. «Ich muss meine Projekte jeden Tag pushen.» Das Wichtigste, um in dieser Branche langfristig zu überleben, sei, die Leute gut zu behandeln. «Jeder am Set ist wichtig, für mich gibt es kein Oben und Unten. So baut man sich ein Netzwerk auf und wird miteinander gross.»

Und jetzt sei auch eine neue Generation an der Reihe: «Ich bin nicht diejenige, die den nächsten Tarantino entdeckt.» Derweil produziert Sher ihren nächsten Film mit Hugh Grant (63). So böse wie in «Heretic» hat man ihn noch nie gesehen – der Horror-Thriller kommt Ende Jahr in die Kinos. Manchmal produziert Sher auch Albträume.

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