In den 90er-Jahren verbreitete sich ein ganz besonderes Haustier in der Schweiz und auf der ganzen Welt. Das Tamagotchi. 1996 brachte es der japanische Spielzeughersteller Bandai auf den Markt, seither wurden über 80 Millionen davon verkauft.
Das Tamagotchi wohnte damals in einem ovalen Plastikgehäuse und bewegte sich als tierartige Pixelstruktur auf einem kleinen, schwarz-weissen Bildschirm hin und her. Es wollte gefüttert und bespasst werden. Versäumte man dies, starb es.
Alle hatten so ein Ding, als ich in der Primarschule war. Nur ich nicht. Verboten. Dummes Zeug. Jetzt aber, über 25 Jahre später, kommt der Trend zurück. Und ich kaufe mir eins.
Mittlerweile bietet Bandai verschiedene modernere Modelle an. Längst sind die Displays farbig, die Auswahl an Aktivitäten und Essen für die «Tamas» ist breit. Mit dem Tamagotchi Pix von 2021 kann man Selfies schiessen, das Tamagotchi Uni von 2023 trägt man am Handgelenk, und die «Tamas» verschiedener Besitzerinnen und Besitzer können sich im Tamaverse treffen, dort zusammenspielen und sogar heiraten.
Ich aber will ein altes Modell. Eines wie damals. Ich bestelle die Ur-Variante.
24 Stunden später liegt «Tamagotchi-Original Lightning» vor mir auf dem Tisch.
Es will viel Aufmerksamkeit
Ich lese erst mal die Bedienungsanleitung und komme mir blöd – und alt – vor. Ich lege sie wieder weg und ziehe am Papierstreifen, der am Gehäuse klebt. Kann ja nicht so schwer sein. Hat nur drei Knöpfe.
Auf dem Schwarz-Weiss-Bildschirm erscheint ein hüpfendes Ei. Meine Augen kleben am Gerät. Minutenlanges Warten.
Es schlüpft! Was muss ich tun? Wo ist die Anleitung?
Mit den wenigen Knöpfen navigiert man sich durchs Menü. Als Erstes soll man unter dem Waage-Symbol die Gesundheit des Tamagotchis checken. Die Parameter: «Discipline», «Hungry» und «Happy». Vor lauter Aufregung wähle ich das falsche Symbol, die Spritze anstelle der Waage, und gebe ihm so Medikamente. Sorry! Eigentlich hast du ja grossen Hunger und bist sehr unglücklich.
Die Essensauswahl ist beschränkt. Burger und Torte. Es kriegt erst salzig, dann süss. Danach spielen wir eine Runde des seltsamen Ratespiels. Das ist wichtig für die «Happiness».
Plötzlich beginnt es zu piepen. Ich google. Was, wenn es sich meldet, aber gar nichts braucht? Dann müsse man es disziplinieren, steht in einem Onlineforum – das «Schrei»-Symbol. Ich möchte mein frisch geschlüpftes Tamagotchi aber nicht anschreien. Ich tue es trotzdem. Der Ehrgeiz, es erfolgreich aufzuziehen, ist grösser. Ich schäme mich.
Ein Stück Torte zur Versöhnung?
Zur Sicherheit schaue ich unter «Health» nach, wie satt es ist. In einem der Onlineforen lese ich, dass man es nicht überfüttern dürfe. Sonst werde es zu schwer und könne sterben.
Bald taucht unter nervösem Piepen ein Z auf. Ich google wieder. Es lege sich nun schlafen. Ich bin beruhigt. Zu Unrecht.
Als ich das nächste Mal nach dem Tamagotchi schaue, ist es wach, hat einen Haufen gemacht – und ist am Sterben. Rechts in der Ecke schwebt ein Totenkopf.
Dein Ernst? Okay, sorry, mein Fehler. Nicht sterben! Hamburger? Nein. Es verzieht seinen Drei-Pixel-Mund. Torte? Ja? Torte, Torte, Torte, Torte. Der Totenkopf ist noch immer da. Keine Zeit zum Googeln. Spritze? Nimm sie einfach! Sauber machen? Ah, der Haufen muss weg. Badeente-Symbol. Der Totenkopf verschwindet. Es ist über den Berg. Und ich bin gestresst.
Wie kommt man im Zeitalter von Smartphones auf die Idee, sich noch ein Gerät anzuschaffen, das man ständig bei sich hat und das einem die Aufmerksamkeit raubt? Zudem frage ich mich, wie gesund es ist, dass ich mir Sorgen mache um das Ding.
Es hat einen guten Schlaf
Gegen 21 Uhr abends schläft es wieder ein. Es schläft durch bis 10 Uhr am nächsten Morgen. Den ganzen Tag über schaue ich immer wieder auf den Bildschirm, füttere es, spiele mit ihm, mache seinen Dreck weg – wenn ich zu Hause bin, im Tram, am Arbeiten. Das nervt. Aber da ist eine Art Pflichtgefühl.
Leute aus meinem Umfeld reagieren vor allem mit Kopfschütteln. Sind aber auch nostalgisch. «Es war das erste Mal, dass ich mit einem digitalen Lebewesen interagieren konnte», sagt jemand.
Dass Menschen eine emotionale Bindung zu Maschinen, Robotern oder Bots – oder eben Tamagotchis – aufbauen, ist bekannt als sogenannter «Tamagotchi-Effekt».
Am Tag darauf sitze ich im Zug, das Tamagotchi in der Hosentasche. Plötzlich piept es wie wild. Die Leute drehen sich um. Totenkopf! Ich drücke alle Knöpfe. Nichts geht mehr. 19:43, ein Ufo und Sterne erscheinen. Ich will es nicht googeln, tue es aber trotzdem: «How does a Tamagotchi look like when dead?» Das Bild mit dem Ufo taucht in den Suchresultaten auf.
Es wurde 81 Pfund schwer und drei Tamagotchi-Jahre – zwei Menschentage – alt. Durchschnittlich würden Tamagotchis zwölf Tage alt. Bitter. Ich möchte eigentlich kein neues aufsetzen. Würde es denselben Charakter haben? Lieber Torte als Burger zum Frühstück mögen? Besonders am Anfang gierig sein, schnell zunehmen und wenig aufs Klo müssen?
Online lese ich, dass es in England einen echten Friedhof für Tamagotchis gibt, für Leute, die es auch nicht übers Herz brachten, einfach ein neues schlüpfen zu lassen.
Denn das Spielzeug hat viele, vielleicht gar unendlich viele Leben – sofern man dafür selbst die Ausdauer aufbringt und gelegentlich die Batterie wechselt.
Und bevor ich mich entscheiden kann, ob ich es nochmals versuchen will, tanzt bereits ein neues Ei auf dem Bildschirm.
Bis zu Redaktionsschluss brachte es Nummer zwei auf 98 Pfund und fünf Tamagotchi-Jahre, vier Menschentage.
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