Kriminalkommissar Simon Häggström verhaftet in Stockholm Männer, die Sex kaufen
«Prostitution macht die Gesellschaft kaputt»

Seit 18 Jahren ermittelt Simon Häggström im schwedischen Rotlichtmilieu, Tausende Freier hat er festgenommen. Für den Polizisten ist klar: Prostitution ist Gewalt. Im Interview spricht er über das Frauenbild von Männern, Zuhälterei per Telegram und Menschenhandel.
Publiziert: 15.03.2025 um 19:13 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2025 um 14:06 Uhr
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Polizeikommissar Simon Häggström aus Schweden ist überzeugt, dass in einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind, Prostitution keinen Platz hat.
Foto: IMAGO/TT

Darum gehts

  • Schwedischer Kriminalkommissar Häggström schreibt Bücher über seine Arbeit, gibt Einblick in die Welt der Prostitution
  • Sexkauf in Schweden illegal, Freier werden bestraft, Prostituierte nicht
  • Häggström sagt, Prostitution gehe nicht mit Gleichberechtigung einher
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Es sind die Geschichten von Frauen wie die von Lovisa, die schon als Kind verkauft wurde und auf einer öffentlichen Toilette an einer Überdosis starb, und von Freiern, die Gewalt anwenden, wenn sie keine Lust auf ein Kondom haben. Der schwedische Kriminalkommissar Simon Häggström (42) gibt in seinem Buch «Auf der Seite der Frauen» Einblick in eine Welt, die viele lieber nicht sehen wollen. Er will aufzeigen, warum es richtig ist, Sexkäufer zu kriminalisieren, und wie dadurch in Schweden ein Umdenken stattgefunden hat. Frauen sind keine Ware. Derzeit ist er auf Lesetour. Am Dienstag macht er Halt in Zürich. 

Herr Häggström, Sie haben den Spitznamen «Todesengel». Von wem erhalten und weshalb?
Simon Häggström:
Von den Männern, die ich verhafte. In Schweden hat sich die Einstellung, was Prostitution betrifft, komplett verändert. Es ist ein Sexualverbrechen und sehr schambehaftet. Wenn ich Männer festnehme, hat dies für sie bittere Konsequenzen. Die meisten verlieren ihre Beziehungen, ihren Job und ihr soziales Netzwerk.

Und Sie machen den Markt kaputt.
Ja, das ist unsere Aufgabe. Wir nehmen die Freier fest, damit es keine Nachfrage mehr gibt. 

Sie haben über 1000 Freier festgenommen...
… Es sind weitaus mehr. Ich mache das seit über 18 Jahren und im letzten Jahr habe ich 530 festgenommen. Es sind mehrere Tausend. 

Wer sind diese Männer, die Sex kaufen?
Sie kommen aus allen Schichten, aus allen Berufen. Es sind Männer, die es nicht stört, Sex mit jemandem zu haben, der sich dies nicht auch wünscht. Freier zahlen, um den Konsens zu eliminieren. Sie haben ein problematisches Frauenbild. Sie ziehen einen Vorteil aus Frauen in schwachen Situationen, die sich selbst opfern, um ihren Familien im Ausland ein besseres Leben zu ermöglichen. 

Simon Häggström

Simon Häggström ist seit 18 Jahren Ermittler in der Prostitutionseinheit von Stockholm. Er sagt, als Polizist arbeitet man nicht, man ist es. «Die meisten Leute haben keine Ahnung über Prostitution.» Daher hat er einen Weg gefunden, sie aufzuklären. Er schreibt gerade an seinem siebten Buch zum Thema. Dieser Tage ist sein erstes auf Deutsch erschienen. «Auf der Seite der Frauen. Als Ermittler im schwedischen Rotlichtmilieu». Er befindet sich gerade auf Lese- und Diskussionstour in Deutschland – mit einem Abstecher in die Schweiz. Am Dienstag, 18. März, liest er im Volkshaus in Zürich.

Simon Häggström ist seit 18 Jahren Ermittler in der Prostitutionseinheit von Stockholm. Er sagt, als Polizist arbeitet man nicht, man ist es. «Die meisten Leute haben keine Ahnung über Prostitution.» Daher hat er einen Weg gefunden, sie aufzuklären. Er schreibt gerade an seinem siebten Buch zum Thema. Dieser Tage ist sein erstes auf Deutsch erschienen. «Auf der Seite der Frauen. Als Ermittler im schwedischen Rotlichtmilieu». Er befindet sich gerade auf Lese- und Diskussionstour in Deutschland – mit einem Abstecher in die Schweiz. Am Dienstag, 18. März, liest er im Volkshaus in Zürich.

Sie arbeiten oft mit den Frauen zusammen. Haben sie nicht Angst?
Vor den Zuhältern schon, vor den Freiern nicht. In Schweden haben Prostituierte ganz andere Rechte als in der Schweiz.

Erklären Sie.
In Ländern wie der Schweiz oder Deutschland, wo Sexkauf erlaubt ist, ist der Freier im Vorteil. Er kann machen, was er will. Wenn eine Frau verängstigt ist, weil sie vielleicht illegal da ist, geht sie eher nicht zur Polizei. In Schweden ist der Sexkäufer im Nachteil. Ist er nicht respektvoll oder verletzt Grenzen, kann die Frau die Polizei rufen. Die Gesellschaft in Schweden steht hinter ihr, die Polizei steht hinter ihr.

Sind die Freier nicht die kleinen Fische? Müssen Sie nicht an die Zuhälter, an die Menschenhändler ran kommen?
Das ist auch ein Missverständnis vom nordischen Modell. Es geht nicht nur darum, Freier zu verhaften. Wir helfen auch den Frauen beim Ausstieg und wir haben eine Einheit für Zuhälter. Aber diese werden immer schlauer und sind oft gar nicht physisch im Land. Ukrainische Frauen haben Zuhälter in der Ukraine und in Russland, die sie noch nie gesehen haben, sie kommunizieren via Telegramm. 

Wer ist «der» Zuhälter?
Es kann der Freund sein, das sogenannte Loverboy-System. Es kann aber auch eine Agentur mit 60 Prostituierten sein. Dann ist das kein Menschenhandel, aber immer noch Zuhälterei. Und in Schweden ist es auch illegal, jemandem zu helfen, sich zu prostituieren. Das kann zehn Jahre Gefängnis geben. 

Das nordische Modell

Schweden war 1999 das erste Land, welches das Sexkaufverbot eingeführt hat. Daher wird dieses gesetzgeberische Modell oft auch schwedisches oder nordisches Modell genannt. Es besteht aber nicht nur aus der Kriminalisierung von Freiern, sondern auch aus der
Entkriminalisierung der Prostituierten sowie der Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Frauen. Mittlerweile haben Norwegen, Island, Frankreich, Kanada, Irland und Nordirland dieses Modell übernommen. Auch in der Schweiz kommt die Forderung immer wieder auf. Doch bisher kam es in der Schweiz nicht durch. 2022 versenkte der Nationalrat eine Motion, die das Modell einführen wollte.

Schweden war 1999 das erste Land, welches das Sexkaufverbot eingeführt hat. Daher wird dieses gesetzgeberische Modell oft auch schwedisches oder nordisches Modell genannt. Es besteht aber nicht nur aus der Kriminalisierung von Freiern, sondern auch aus der
Entkriminalisierung der Prostituierten sowie der Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Frauen. Mittlerweile haben Norwegen, Island, Frankreich, Kanada, Irland und Nordirland dieses Modell übernommen. Auch in der Schweiz kommt die Forderung immer wieder auf. Doch bisher kam es in der Schweiz nicht durch. 2022 versenkte der Nationalrat eine Motion, die das Modell einführen wollte.

Schweden hat das Verbot 1999 eingeführt. Warum haben Sie noch so viel Arbeit?
Verglichen mit anderen Ländern haben wir nicht so viele Freier. In Deutschland kaufen etwa 25 Prozent der Männer Sex, in Schweden sind wir bei sieben bis zehn Prozent. Und: Es ist verboten, Sex zu kaufen, aber es gibt immer noch Menschen, die das Gesetz brechen.

Das Verbot wirkt also?
Das nordische Modell wird Prostitution nicht eliminieren. Aber dieses Gesetz macht den Markt kaputt und unser Land unattraktiv. Zuhälter wollen das meiste Geld verdienen, bei geringstem Risiko. 

Sie kommen in Länder wie die Schweiz.
Ja, natürlich. Ich habe Zuhälter getroffen, die mir sagten: «Das Erste, was ich tat, ist mir eine Karte von Europa anzuschauen und zu gucken, wo die schwächsten Gesetze sind.» 

Was ist mit den Frauen: Wie viele sind unfreiwillig in der Prostitution?
99 Prozent.

Gibt es Ihrer Meinung nach eine gute, eine saubere Prostitution?
Nein. Was passiert in Ländern wie der Schweiz, in denen junge Männer mit der Einstellung aufwachsen, dass sie eine Frau genau gleich konsumieren können wie einen Burger?

Was?
Es macht die Gesellschaft kaputt. Es beeinflusst alle Frauen, nicht nur die in der Prostitution. Prostitution hat keinen Platz in einer Gesellschaft, in der wir gleichberechtigt sein wollen. 

In der Schweiz kommt die Forderung nach dem nordischen Modell immer wieder auf. Gegner warnen, Prostitution würde illegal werden, was die Stellung der Prostituierten schwächen würde.
Das ist absolut falsch. Wir haben keine illegale Prostitution in Schweden. Aber die Schweiz hat sie – heute schon. Das öffnet dem organisierten Verbrechen Tür und Tor. Die Schweiz erlaubt, mit dem Verkauf von Frauenkörpern viel Geld zu verdienen. 

Wie appellieren Sie an die Politik?
Menschenhandel ist eines der profitabelsten Verbrechen auf der ganzen Welt. Wenn wir Menschenhandel wirklich stoppen wollen, müssen wir uns fragen: Von wo kommt das ganze Geld? Es kommt von den Millionen von Männern, die für Sex bezahlen. Also müssen wir die Nachfrage minimieren. 

Warum sind Sie in der Prostitutionseinheit?
Vor 18 Jahren verhaftete ich einen älteren Mann, der auf dem Rücksitz eines Autos mit einem jungen Mädchen aus Rumänien Sex hatte. Das Mädchen konnte nicht einmal Englisch. Bis dahin kannte ich diese Welt nicht. Aber als ich all dieses Leid sah und die jungen Mädchen, die dabei waren ihre Leben zu zerstören, nur weil Männer Sex wollen, konnte ich nicht mehr wegsehen. 

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