Frau Lehmann, bei der Siegerehrung an der Frauen-WM im Sommer küsste der damalige spanische Fussballpräsident Luis Rubiales eine Spielerin auf den Mund. Wie haben Sie reagiert, als Sie das sahen?
Kathrin Lehmann: Im ersten Moment dachte ich: Habe ich das richtig gesehen? Und dann: Es wäre cool gewesen, sie hätte ihm eine geknallt.
Es dauerte einige Zeit und brauchte weltweite Proteste, bis der Mann zurücktrat. Ist das ein typisches Problem des spanischen Verbands?
Der spanische Fussballverband steht pars pro toto für alle Sportverbände. Der Rubiales-Kuss ist kein Sportproblem, so wie MeToo nicht nur ein Problem der Filmbranche war. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Es gibt immer noch sehr stark männerdominierte Strukturen, die aufgebrochen werden müssen.
Als Sie anfingen, Eishockey beziehungsweise Fussball zu spielen, trainierten Sie immer mit Jungs zusammen. War das ein Problem?
Kindern ist es egal, mit wem sie spielen. Es sind vor allem die Eltern, die da reinreden. Ich hatte viele gute Voraussetzungen: Ich war sehr talentiert. Bist du gut, interessiert es niemanden, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist. Und für meine Eltern und meine beiden Brüder war es das Normalste der Welt, dass die kleine Ka überall mitmacht. Wenn man mit dieser Selbstverständlichkeit aufwächst, hilft das.
Haben Ihre Eltern, die beide Sportlehrer waren, Sie gepusht?
Nein, meine Eltern haben immer gesagt, finde etwas, das du gerne machst, und lass es dir von niemandem nehmen, egal ob es Briefmarkensammeln oder etwas anderes ist.
Kathrin Lehmann wurde 1980 in Zürich geboren und wuchs in Küsnacht ZH mit zwei älteren Brüdern auf. Beide Eltern waren Sportlehrer. Mit vier Jahren begann sie, Eishockey zu spielen, mit neun trat sie einem Fussballverein bei. Mit 14 Jahren absolvierte sie ihr erstes Länderspiel für die A-Nationalmannschaft der Eishockeyfrauen, zugleich debütierte sie in der U21-Frauenfussball-Nationalmannschaft als Goalie. 1999 wurde sie zur Fussballerin des Jahres gewählt. Im selben Jahr ging sie nach Deutschland, um in der Bundesliga zu spielen. Dort war sie auch in der Eishockey-Bundesliga aktiv. 2003 ging sie für ein Jahr in die USA, um an der Oklahoma State University zu studieren und Fussball zu spielen. Später war sie auch in Schweden aktiv.
Während ihrer Profikarriere schloss sie in München ihr Studium der deutschen Literaturwissenschaften mit einem Magister ab und absolvierte in einem Fernstudium noch das Diplom für Betriebswirtschaftslehre.
2011 beendete sie ihre Profikarriere und baute den Sportbusiness Campus, eine private Hochschule für Sportmanagement, auf. Zudem arbeitet sie als Fussballexpertin für Radio SRF, das ZDF und Magenta TV. Sie ist die einzige Sportlerin, die im Eishockey und im Fussball die Champions League gewann. Lehmann lebt in München (D).
Kathrin Lehmann wurde 1980 in Zürich geboren und wuchs in Küsnacht ZH mit zwei älteren Brüdern auf. Beide Eltern waren Sportlehrer. Mit vier Jahren begann sie, Eishockey zu spielen, mit neun trat sie einem Fussballverein bei. Mit 14 Jahren absolvierte sie ihr erstes Länderspiel für die A-Nationalmannschaft der Eishockeyfrauen, zugleich debütierte sie in der U21-Frauenfussball-Nationalmannschaft als Goalie. 1999 wurde sie zur Fussballerin des Jahres gewählt. Im selben Jahr ging sie nach Deutschland, um in der Bundesliga zu spielen. Dort war sie auch in der Eishockey-Bundesliga aktiv. 2003 ging sie für ein Jahr in die USA, um an der Oklahoma State University zu studieren und Fussball zu spielen. Später war sie auch in Schweden aktiv.
Während ihrer Profikarriere schloss sie in München ihr Studium der deutschen Literaturwissenschaften mit einem Magister ab und absolvierte in einem Fernstudium noch das Diplom für Betriebswirtschaftslehre.
2011 beendete sie ihre Profikarriere und baute den Sportbusiness Campus, eine private Hochschule für Sportmanagement, auf. Zudem arbeitet sie als Fussballexpertin für Radio SRF, das ZDF und Magenta TV. Sie ist die einzige Sportlerin, die im Eishockey und im Fussball die Champions League gewann. Lehmann lebt in München (D).
Erlebten Sie während Ihrer Laufbahn sexuelle Diskriminierung oder wurden Sie belästigt?
Ich wurde physisch nie sexuell belästigt. Aber ich habe verbale Diskriminierung erlebt. Wenn es zum Beispiel darum ging, dass wir gerne einen eigenen Kabinenschlüssel für unsere Profikabine gehabt hätten, hiess es: Seid froh, dass ihr Frauen überhaupt eine eigene Kabine habt. Ein Klubmanager oder ein Trainer haben die ohnmächtige Macht über dich, sie können bestimmen, ob du Karriere machst oder nicht. Darum wirst du nicht anfangen, lange über einen Schlüssel für die Kabine zu diskutieren. Solche Strukturen gibt es allerdings in jedem Machtabhängigkeitsverhältnis. Und sie sind belastend.
Kann man daran zerbrechen?
Auf jeden Fall.
Früher war das noch kein Thema, heute berichten immer mehr Ex-Profis von ihren psychischen Problemen. Beim Frauenfussball hat man bisher noch nichts davon gehört.
Bis jetzt ist es nicht zum Tragen gekommen, auch weil es nicht um so viel Geld geht. Gewisse Spielerinnen hören mit dem Sport auf, weil sie sich sagen, es ist mein Hobby, und es nimmt mir mehr Energie, als dass ich welche bekomme.
Ist es ein Unterschied, ob man von einer Frau oder einem Mann trainiert wird?
Nein.
Müssen Frauen anders trainiert werden als Männer?
Ja.
Welche verschiedenen Herangehensweisen braucht es?
Die koordinativen Fähigkeiten sind bei Männern und Frauen unterschiedlich ausgeprägt. Frauen kommen ganz viel über die Rhythmisierung. Männer kommen ganz viel über die Reaktion und Schnellkraft. Bei einer Abschlussübung, bei der eine Flanke reinkommt, sage ich bei den Männern: Dein Ziel ist es, auf dem 11-Meter-Punkt so hoch zu springen wie möglich, um den Kopfball aufs Tor zu bringen. Bei den Frauen sage ich: Schau, dass deine letzten zwei Schritte, bevor du hochgehst, «yam-da-dam» sind.
Worin unterscheidet sich der Besuch eines Frauen- von einem Männerfussballspiel?
Die Atmosphäre ist eine ganz andere. Zum Länderspiel der Frauen Schweiz gegen Spanien im Zürcher Letzigrund kamen circa 9000 Menschen, es gab keine Wasserwerfer, kein Polizeiaufgebot, der Verkehr lief normal. Man geht zu diesem Spiel und freut sich über gute Unterhaltung, guten Fussball. Beim Herrenfussball wird das Spiel den ganzen Tag zelebriert, mit Fanmärschen und Fangesängen, es gibt Strassensperren und viel Polizei.
Sie spielten als Profi meist parallel sowohl Eishockey als auch Fussball. Wie haben Sie diesen Spagat gemeistert?
Mit dem Fussball habe ich mein Geld verdient, und mit Eishockey habe ich Kost und Logis bezahlt. Ich habe immer in meinem Fussballvertrag festhalten lassen, dass ich beide Sportarten betreiben darf. Ich habe auf viel Geld verzichtet im Fussball, damit man mir das Eishockey nicht verbieten kann. Und ich habe nur in Städten gespielt, in denen ich beide Sportarten ausüben konnte. Ich stand im Fussball im Tor, im Eishockey war ich Feldspielerin. Als Fussballtorhüterin ist vor allem Schnellkraft gefragt. Eishockey an sich ist eine reine Schnellkraftsportart. Egal was ich also trainiert habe, ich habe für beides trainiert. Hätte ich aber im Fussball Rechtsaussen gespielt, hätte ich das physisch nie geschafft. Zudem trainierte ich schon vorher polysportiv, habe auch geturnt und gelernt, meinen Körper in drei Ebenen zu beherrschen: in der Luft, am Boden und stehend. Dadurch sehe ich Lösungen, die wahrscheinlich andere nicht sehen.
Wie schafften Sie es, trotz dieser Doppelbelastung noch zu studieren?
Man hat nie so viel Zeit zu studieren, wie wenn man Spitzensportler ist. Wenn ich zum Beispiel für ein Spiel zehn Stunden in Schweden in den Norden fuhr und dann wieder zurück, dann schaute ich mir nicht auf Netflix eine Serie an, sondern las. Es ist wichtig, dass man neben dem Profisport etwas tut, was in der Gesellschaft verankert ist.
Waren Sie immer so zielgerichtet?
Ich bin ein unglaublich pragmatischer Mensch. Als ich mit 16 Jahren in Rapperswil Fussball spielte, musste ich nach der Schule von Zürich-Stadelhofen dorthin fahren. Das waren, glaube ich, an die 14 Stationen. Während der Stationen 1 bis 7 habe ich Lateinvokabeln gelernt, von den Stationen 7 bis 12 habe ich sie repetiert, und von 12 bis 14 habe ich diejenigen, die ich nicht so gut konnte, erneut angeschaut.
Haben Sie irgendwann auch mal über die Stränge geschlagen?
Selbstverständlich. Wenn man in coolen Mannschaften spielt, dann sind Trainingslager oder Auswärtsfahrten nicht nur sportlich, sondern auch fürs Leben sehr gewinnbringend.
Mit 19 Jahren entschieden Sie: Ich gehe ins Ausland. Warum?
Ich war damals an einem sehr wichtigen Punkt in meiner Karriere angekommen. Im Fussball war ich die Nummer 1 der Schweiz. Ich war Fussballerin des Jahres. Wir wurden Schweizer Meister. Und dann kam das Angebot vom deutschen Fussballklub TuS Niederkirchen, die waren zwei Jahre zuvor Deutscher Meister geworden. Der Wechsel nach Deutschland war für mich der Einstieg in die Eroberung der Welt.
Sie haben den Vertrag allein ausgehandelt. Heute hätten Sie wahrscheinlich einen Manager.
Ich hätte auch heute keinen Manager, höchstens einen Rechtsanwalt, der mich berät. Bei den Vertragsverhandlungen habe ich viel gelernt. Ich erzählte, mein Onkel sei Anwalt. Das hat Eindruck gemacht. Obwohl ich gar keinen Onkel hatte, der Rechtsanwalt ist.
Das war recht mutig.
Es braucht Selbstbewusstsein und ein Selbstwertgefühl. Wie viele Menschen können ihren eigenen Wert numerisch aussprechen? Da scheitern viele dran, vor allem Frauen.
Wie viel verdienten Sie damals?
Bei meinem ersten Engagement erhielt ich 500 Mark pro Monat und vier Paar Fussballschuhe. Am Schluss habe ich in einem schönen vierstelligen Bereich verdient. Vor 20 Jahren war ich Top-Verdienerin.
Was bekommt heute eine der besseren Fussballerinnen in der Schweizer Liga?
Wenn sie vielleicht 30, 40 Prozent des Durchschnittslohns eines KV-Angestellten erhält, ist das schon viel.
Sie sind nur 1,72 Meter gross. Ist das ein Nachteil als Goalie?
Es ist die grösste Mär, dass ein Goalie riesig sein muss. Du musst deine Grösse richtig einschätzen können, dann weisst du, wie du im Raum zu agieren hast. Zudem hatte ich eine unglaubliche Sprungkraft.
Hat Ihr Körper wegen Ihrer Profikarriere gelitten?
Ich bin mit einer Hüftdysplasie geboren, also einer Fehlbildung der Hüftpfanne. Es war klar, dass ich irgendwann eine neue Hüfte brauche. Ich benötige sie jetzt 20 Jahre früher, als wenn ich keinen Spitzensport betrieben hätte, und werde mich demnächst operieren lassen. Ich hatte einige Gehirnerschütterungen, und ich habe mir wahrscheinlich jeden Finger gebrochen. Also mein Körper ist geschunden. Meine mentale Seite wurde auch sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ich war eine Resultat-Berechnungsmaschine, es galt: Leistung, Leistung, Leistung. Nach dem Spitzensport habe ich deswegen psychologische Hilfe in Anspruch genommen.
Sie haben nach dem Literaturstudium noch einen Abschluss in BWL gemacht und den Sportbusiness Campus, eine private Hochschule für Sportmanagement, gegründet. Wieso?
Ich habe gemerkt, dass ich nicht fähig war, mich in einem Unternehmen zu integrieren, ich wollte selbständig sein. Ich bin gerne Chef. Chefsein bedeutet, Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung zu tragen, auch die finanzielle.
Mannschaftssportler sind doch eigentlich Teamplayer.
Spitzensportler, also auch Teamsportler, sind grundsätzlich die grössten Egoisten, egal ob sie einen Teamsport betreiben oder nicht. Beim Fussball können nur 11 spielen. Und da kotzt es jede an, die Nummer 12 bis 18 zu sein.
Sie sind bereits im Verwaltungsrat der Swiss Ice Hockey Federation, wollen Sie sich noch mehr in Verbänden engagieren?
Ja. Giving back auf Funktionärsebene ist mir wichtig. Ich habe so viel Erfahrung: Ich habe in vier verschiedenen Ländern gespielt und gelebt, bin seit zwölf Jahren Unternehmerin, stellvertretende Vorsitzende des Regionalausschusses der Industrie- und Handelskammer München. In den Verbänden sucht man Frauen, die diesen Background haben. Mein Ziel ist es deshalb, in Zukunft noch weitere Verwaltungs- und Aufsichtsratsmandate anzunehmen.
Das hiesse aber auch, sich mit der Fifa und Leuten wie deren Präsident Gianni Infantino auseinandersetzen zu müssen. Dessen Entscheid, die WM 2034 auch in Saudi-Arabien stattfinden zu lassen, wurde sehr kritisiert.
Was Infantino als Präsident des Weltverbands macht, als Stratege, als Machtmensch, ist clever. Was willst du ihm vorwerfen, wenn er keine Gegenspieler hat. Aber ein Weltverband muss auch ein Vorbild sein, möglichst ethisch korrekt. Es wäre schön, wenn Infantino wenigstens einmal ein bisschen soziale Gedanken hätte und sich der Verantwortung seines Verbands bewusst wäre. So ein System kannst du nur verändern, indem du das System vereinnahmst. Das braucht allerdings noch ein paar Jahre.
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