Es ist einer jener Tage, an denen man am liebsten das eigene Zuhause nicht verlassen möchte. Ein trister Samstagnachmittag im November. 6 Grad, Dauerregen, Windböen. Auf dem Sportplatz Eschewies im sankt-gallischen Eschenbach aber herrscht trotz des Schmuddelwetters buntes Treiben. Hier findet heute auf dem Kunstrasen ein Turnier für Fussball-Seniorinnen statt, organisiert vom Fussballverband Region Zürich (FVRZ).
Spiele für Fussball-Seniorinnen? Die gab es bislang in der Schweiz noch nicht. Im Gegensatz zu den Männern hörte bei den Frauen die Karriere nach der Aktiven-Kategorie auf. Das soll sich ändern, denn die Folgen des Frauenfussball-Booms sind vorhersehbar: Je mehr Mädchen spielen, desto mehr Aktive wird es in naher Zukunft geben und damit in ferner Zukunft immer mehr potenzielle Seniorinnen-Spielerinnen.
Niveau bescheiden, Stimmung gut
Noch ist es ein zartes Pflänzchen, das am Gedeihen ist. An diesem Nachmittag spielen acht Teams aus der Region Zürich um Ruhm und Ehre. Wer 28 oder älter ist, gilt hier bereits als Seniorin. Unter den wenigen Zuschauerinnen und Zuschauern, die trotz des Wetters ihr Zuhause verlassen haben, ist auch Claudia Gfeller, Leiterin des Projekts Entwicklung Frauen-/Juniorinnenfussball beim FVRZ.
«Wir stehen bei den Seniorinnen erst ganz am Anfang», erklärt Gfeller, die früher selber in der 1. Liga gespielt hat, «2022 starteten wir in Höngg mit einem Pilot-Turnier. In diesem Jahr waren es bereits deren vier. Es ist toll zu sehen, wie engagiert die Frauen sind.»
Was beim Turnier in Eschenbach sofort auffällt, ist die positive Grundstimmung. Obwohl das Niveau bescheiden ist und viele Pässe nicht ankommen, ist kein Gemeckere oder Gefluche zu hören. Hier geht es wirklich um den Spass und nicht ums Siegen.
Wann kommt eine eigene Liga?
Selbst eine ehemalige Nationalspielerin hat es an diesem Tag nach Eschenbach verschlagen. Kathrin Lehmann, einst Nati-Goalie, läuft für den FC Unterstrass als Verteidigerin auf. «Ich wollte unbedingt mal ein solches Turnier miterleben», erklärt die Schweizer Fussballerin des Jahres 1999. «In Deutschland gibt es Seniorinnen-Fussball schon länger, und es werden sogar nationale Meisterschaften ausgetragen. Ich spiele dort regelmässig für die Ü32 von Bayern München.»
So weit ist man in der Schweiz noch nicht. Beim Schweizerischen Fussballverband gibt es zurzeit keine Bestrebungen, den Seniorinnen-Fussball national aufzubauen und zu etablieren. Deshalb hat der FVRZ mit Claudia Gfeller eine Pionierrolle eingenommen. Weil frau an diesen Turnieren ohne Lizenz teilnehmen darf und frau offiziell keinem Verein angehören muss, gibt es noch keine konkreten Zahlen. «Ich schätze mal, dass es in unserer Region etwa 400 Fussball-Seniorinnen gibt. Tendenz steigend», erklärt Gfeller.
Gfellers mittelfristiges Ziel ist klar: Irgendwann soll es wie bei den Männern auch bei den Frauen Seniorinnen-Ligen geben. «Noch ist es zu früh für eine solche Liga, aber sie wird kommen. Entweder als Turnierserie oder wie bei den Männern als Meisterschaft. Ich hoffe, dass das schon in fünf Jahren so weit sein wird.»
Positiver Nebeneffekt der aufkommenden Seniorinnen: Wer länger Fussball spielt, der übernimmt auch eher im Klub ein Ehrenamt und bleibt so insgesamt der Fussball-Familie länger erhalten.