Herr Samochowiec, Sie sind Mitautor der ersten schweizweiten Freundschaftsstudie. Wie steht es um Ihre Freunde?
Seit der Pandemie habe ich weniger Kontakt mit meinen Freunden. Das liegt aber auch daran, dass ich zwei kleine Kinder habe und arbeite.
Jakub Samochowiec (44) forscht am Gottlieb Duttweiler Institut GDI in Rüschlikon. Er ist promovierter Sozialpsychologe und befasst sich mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen.
Zusammen mit seinem Mitautor Johannes C. Bauer hat er im Auftrag des Migros-Kulturprozents die schweizweite Studie «In guter Gesellschaft. Die grosse Schweizer Freundschaftsstudie» verfasst.
Die Forscher haben dazu insgesamt über 3000 Menschen in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz befragt – online, in Fokusgruppen und in Form einer Interventionsstudie. Die Studie ist repräsentativ für Landesteile, Altersgruppen und Geschlechter.
Jakub Samochowiec (44) forscht am Gottlieb Duttweiler Institut GDI in Rüschlikon. Er ist promovierter Sozialpsychologe und befasst sich mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen.
Zusammen mit seinem Mitautor Johannes C. Bauer hat er im Auftrag des Migros-Kulturprozents die schweizweite Studie «In guter Gesellschaft. Die grosse Schweizer Freundschaftsstudie» verfasst.
Die Forscher haben dazu insgesamt über 3000 Menschen in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz befragt – online, in Fokusgruppen und in Form einer Interventionsstudie. Die Studie ist repräsentativ für Landesteile, Altersgruppen und Geschlechter.
Haben Eltern weniger Freundinnen und Freunde?
Nein. In unserer Studie haben wir keinen grossen Effekt von Kindern auf Freundschaften gefunden. Eher, dass man grundsätzlich mit zunehmendem Alter weniger Freunde hat. Das kann trotzdem auch an Kindern liegen. Wenn alle Freunde Kinder kriegen, läuft man Gefahr, die Kontakte zu verlieren, auch wenn man selber keine Kinder hat.
Und bei jungen Eltern?
Bei jüngeren Menschen zwischen 20 und 25 können sich Kinder durchaus negativ auf soziale Beziehungen auswirken – weil viele im Umfeld noch keine Kinder haben. Ist man aber um die 40, können Kinder ein sozialer Vorteil sein.
Was hat Sie denn am meisten überrascht an der Studie?
Einsamkeit wird oft als ein Problem von älteren Menschen angesehen. Es sind aber eher jüngere, die sich einsam fühlen, obwohl sie mehr Freunde haben und diese häufiger sehen als die älteren Leute. Und es sind eher die Älteren, die das Internet nutzen, um Freunde zu finden. Jüngere treffen Freunde häufig in der Schule. Ältere müssen da andere Möglichkeiten suchen. Und noch etwas hat mich überrascht.
Was?
Die Schweiz gehört zu den Ländern, in denen man schwer Freunde findet. Gleichzeitig setzt man sich hier eher für fremde Personen ein.
Wie das?
Unsere Studie zeigt: In der Schweiz nimmt man Freundschaften sehr ernst. Das könnte dazu führen, dass Menschen zurückhaltender sind, miteinander in Kontakt zu treten, weil sie selbst bei beiläufigen Kontakten fürchten, den anderen dann «an der Backe» zu haben. Denn sollte es zur Freundschaft kommen, möchten sie verlässliche Freunde sein. Das verpflichtet.
Laut ihrer Studie könnte sich der Aufwand aber lohnen. Denn: Gute Freunde stärken die psychische Gesundheit. Aber was, wenn man streitet?
Krisen können wertvoll sein für Freundschaften, sie können diese vertiefen. Ausschliesslich glückliche Freundschaften sind nicht unbedingt das einzig Erstrebenswerte im Leben. Auch wenn uns das in der Popkultur oder in den sozialen Medien oft suggeriert wird.
Wie meinen Sie das?
Im popkulturellen Bild von Freundschaft, etwa in Serien und Filmen, teilen Freunde alles zusammen, sind seelenverwandt. In den sozialen Medien zeigt man viele Freunde wie Statussymbole und alle sehen immer glücklich aus. Das kann unsere Wahrnehmung von Freundschaft verzerren und vielleicht gerade die Jüngeren einsamer machen. Das passt zu unserem Befund, dass diejenigen, die mehr im Internet sind, sich weniger glücklich und vermehrt einsam fühlen. Auch wenn sie viele Freunde haben. Ich denke hier auch an grosse Freundesgruppen – die Leute sitzen beisammen, hängen aber alle am Handy.
Gute Freundschaften tragen laut Ihrer Studie gar zur politischen Stabilität eines Landes bei. Wie das?
Haben Menschen viele Freunde und sehen diese oft, engagieren sie sich stärker sozial und politisch. Und je mehr Menschen nicht nur für sich, sondern auch für andere Verantwortung übernehmen und sich nicht nur für ihre eigenen Interessen einsetzen, desto stabiler ist das System.
Haben Sie Belege dafür?
Wir haben dazu keine Studie gemacht. Aber es scheint plausibel. Kehren sich viele von einer breiteren Verantwortung ab, kann das einer Gesellschaft schaden. Aber natürlich gibt es auch noch andere Beweggründe als Freundschaften, warum sich Leute für andere Menschen engagieren.
Zum Abschluss: Was war denn Ihre wertvollste Erkenntnis aus der Studie?
Die Ergebnisse aus der Interventionsstudie. In dieser baten wir Teilnehmende, alte Freunde anzurufen, mit denen über lange Zeit Funkstille geherrscht hatte. Die meisten, insbesondere die Jungen, waren positiv überrascht von dieser Erfahrung. 80 Prozent der Teilnehmenden haben sich nach dem Telefonat erneut verabredet. Aber man muss auch vorsichtig sein.
Warum?
Wenn Leute unter starker Einsamkeit leiden, kann man ihnen nicht sagen: Ruf doch einfach jemanden an. Es gibt Formen der Einsamkeit, die man nicht mit einfachen Tipps überwinden kann und wo es vielleicht sogar professionelle Unterstützung braucht.
Aber Menschen, die vielleicht einfach etwas unsicher sind, ob sie alte Freunde anrufen sollen, was würden Sie denen raten?
Einfach machen!