Darum gehts
- Sophie Hunger veröffentlicht ihren ersten Roman «Walzer für Niemand»
- Der Roman basiert auf Walser-Volkskunde und enthält autofiktionale Elemente
- Hunger tourt mit Lesungen durch den deutschsprachigen Raum, viele Auftritte ausverkauft
Treffen mit der international erfolgreichen Schweizer Musikerin Sophie Hunger (41) auf dem Lindenhof in Zürich. Während des Festivals «Zürich tanzt» finden hier jeweils Veranstaltungen für alle statt. Doch jetzt geht es um «Walzer für Niemand», den ersten Roman von Hunger.
Blick: Sophie Hunger, können Sie Walzer tanzen?
Sophie Hunger: Ich habe eine Vorstellung davon, wie es geht, würde aber im Turniertanz sicherlich ganz schnell davongejagt.
Heute veröffentlichen Sie Ihren ersten Roman «Walzer für Niemand». Wie kam es dazu?
Die Idee zu diesem Roman ist zwanzig Jahre alt. Dann kam aber die Musik dazwischen, und ich habe getourt und produziert wie gestört. Nach dem Motto «Gring abe u seckle».
Auf Ihrem Debütalbum «Monday’s Ghost» von 2008 gibt es den Titel «Walzer für Niemand». Hat Sie der Song zum Roman inspiriert?
In der Musik sagt man, jeder Komponist, jede Komponistin schreibe nur ein Lied – das dann dafür in verschiedenen Varianten. Wenn das stimmt, wäre es bei mir «Walzer für Niemand». Dieses Buch ist seine Romanversion.
Sophie Hunger kommt am 31. März 1983 als drittes Kind des ehemaligen Schweizer Diplomaten Philippe Welti (76) und der früheren SVP-Generalsekretärin Myrtha Welti-Hunger (80) zur Welt. Sie wächst in Bern, London, Bonn und Zürich auf, wo sie die Matur macht. Ab 2000 beginnt sie ihre Karriere als Musikerin und wählt als Pseudonym den Geburtsnamen der Mutter. 2008 veröffentlicht Sophie Hunger ihr erstes Studioalbum. Sie ist international eine der bekanntesten Schweizer Musikerinnen und gewann mehrere Preise. Hunger lebt in Berlin und ist Mutter eines Kindes.
Sophie Hunger kommt am 31. März 1983 als drittes Kind des ehemaligen Schweizer Diplomaten Philippe Welti (76) und der früheren SVP-Generalsekretärin Myrtha Welti-Hunger (80) zur Welt. Sie wächst in Bern, London, Bonn und Zürich auf, wo sie die Matur macht. Ab 2000 beginnt sie ihre Karriere als Musikerin und wählt als Pseudonym den Geburtsnamen der Mutter. 2008 veröffentlicht Sophie Hunger ihr erstes Studioalbum. Sie ist international eine der bekanntesten Schweizer Musikerinnen und gewann mehrere Preise. Hunger lebt in Berlin und ist Mutter eines Kindes.
Ihr Buch ist der Entwicklungsroman einer Ich-Erzählerin und Ihres besten Freunds Niemand. Wer ist dieser Niemand?
Im Buch ist er ganz plastisch: Er hat eine Lieblingsband, ein Lieblingsessen usw. Aber gleichzeitig hat er den Namen Niemand, was die Abwesenheit von jemandem bedeutet. Also das Alleinsein.
Ein Gefühl, das Sie kennen?
Oh ja, aber das kennen wir doch alle, oder? Wir sind immer entweder in Gesellschaft oder allein.
Ist der Roman Ihre Lebensgeschichte?
Warum meinen Sie?
Die namenlose Ich-Erzählerin ist gleich alt wie Sie, wuchs an denselben Orten auf und hat ihr musikalisches Debüt ebenfalls 2007 im Pariser Club Bataclan.
Kann man einen Text schreiben, der nichts mit einem zu tun hat? Ich habe vielleicht einfach innerhalb meiner Grenzen geschrieben.
Deshalb darf man «Walzer für Niemand» getrost in die Reihe der aktuell beliebten autofiktionalen Texte stellen.
Ich würde dagegen nicht protestieren. Gelegentlich ist es realistisch, andere Male physikalisch unmöglich. Oder anders gesagt: Nichts stimmt, und alles ist wahr.
Die Ich-Erzählerin und Niemand leben sich auseinander, weil Niemand eine Obsession für die Volkskunde der Walserinnen entwickelt. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Die Familie meiner Mutter ist der Hunger-Stamm. Das ist ein Walser Geschlecht, das man heute nur noch über den Nachnamen definieren kann. Als ich klein war, hat mir meine Mutter immer wieder Sagen und Geschichten von diesen Walserinnen erzählt. Damals setzte das bei mir Energie frei, um etwas zu überwinden.
Und was fasziniert Sie heute noch an den Walserinnen?
Ihre übernatürlichen Kräfte und das Nomadische: Jede Generation musste weiterziehen, es wurde zu eng, und es gab nicht genug zu essen. Anstatt aber in die Täler auszuweichen, zog es sie immer weiter in die Höhe, in die Kälte, sie schienen unzerstörbar zu sein. Viele hatten nur drei oder vier Finger, wegen der Erfrierungen.
Zwischen Walser und Walzer gibt es eine klangliche, aber auch eine inhaltliche Nähe: «Walzen» bedeutet «Walzer tanzen», aber auch «auf der Walz, auf der Wanderschaft sein».
Eine schöne Beobachtung! Diese Nähe hält Titel und Inhalt zusammen.
Was ging einfacher von der Hand, der erste Song oder der erste Roman?
Der erste Song, definitiv! Im Vergleich zum Schreiben finde ich das Komponieren relativ einfach.
Warum?
Wenn man ans Klavier sitzt und einen Akkord spielt, dann hat man sofort eine Atmosphäre. Und beim Schreiben ist es wahnsinnig schwierig, bis man das hinkriegt. Musik ist viel sinnlicher, viel körperlicher auch; Schreiben ist abstrakter.
Haben Sie beim Schreiben Musik gehört?
Nein, das war unmöglich. Ich musste mich auf den Text konzentrieren. Schreiben hat etwas Antizyklisches zu der Geschwindigkeit der Zeit – das war eine Erlösung.
Im Lied «Walzer für Niemand» singen Sie: «Niemand, ich habe Geschenke für Dich / Was wär ich geworden, gäb es Dich nicht.» Ist Ihr Roman ein Geschenk für Niemand?
Ja, für Niemand und vielleicht für jene, die gerne lesen.
In den nächsten Monaten touren Sie mit «Walzer für Niemand» durch den deutschsprachigen Raum. Die meisten Auftritte sind schon ausverkauft. Werden das mehr Lese- oder Lieder-Abende?
Es ist als Lesung angesetzt, aber weil ich von der Performance her komme, finde ich es ein bisschen billig, bloss dazusitzen und vorzulesen. Das können die Menschen ja selbst, oder? Sowohl die Musik als auch die Walserinnen werden sichtbar durch die Bühnenvorhänge geistern, versprochen!
Sophie Hunger, «Walzer für Niemand», Kiepenheuer & Witsch.
Lesung und Lieder «Walzer für Niemand» vom 23. März bis 16. November 2025: www.sophiehunger.com/tour/