Sicher, hormonfrei – und es schützt nicht nur vor Schwangerschaft, sondern auch vor Geschlechtskrankheiten: Das Kondom erlebt eine Renaissance. Laut der aktuellen Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 verhütet ein Viertel der Bevölkerung mit Präservativen – bei den bis 34-Jährigen fast die Hälfte. Die Pille hingegen kommt nur noch halb so häufig zum Einsatz wie noch vor 20 Jahren. Damals wurden Pariser und Pille mit 20 Prozent gleichermassen verwendet. Den Kondom-Boom bekommt auch die Branche positiv zu spüren.
Für Sexologin Amelie Boehm (36) hat diese Wende viel mehr mit einem neuen Gesundheitsbewusstsein zu tun, als mit einem veränderten Sexualverhalten: «Die hormonelle Verhütung hat bei jungen Frauen momentan einen schlechten Stand.» Thromboserisiko, Libidoverlust und Gefühlsschwankungen schaden dem Ruf der Pille. Boehm: «Früher war die Pille eine emanzipierte Befreiung, heute wollen junge Frauen nicht einfach Hormone einnehmen, ohne zu wissen, was sie genau bewirken.»
Gleichberechtigtes Verhütungsmittel
Zudem fordern Frauen heute von Männern mehr Verantwortung punkto Verhütung. «Und das wollen Männer heutzutage auch», sagt Böhm. Dafür sei das Kondom ein naheliegendes und gleichberechtigtes Verhütungsmittel. Es ist leicht und ohne Rezept erhältlich, einfach in der Anwendung und kostengünstig: «Die Pille bezahlt meistens die Frau. Kondome werden nur angewendet, wenn man sie braucht.» Zudem bietet das Kondom laut der Sexologin Transparenz: «Es ist ehrlich und einfach. Beide wissen, dass sie sicher sind. Vor einer ungewollten Schwangerschaft genauso wie vor Geschlechtskrankheiten.»
Während vor 30 Jahren noch HIV der Grund war, Präservative zu verwenden, sind es heute andere Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien: «Es ist die häufigste übertragbare Krankheit, und junge Frauen sind häufiger davon betroffen», sagt Boehm. Unbehandelt kann die Infektion zu chronischen Schmerzen bis zu Unfruchtbarkeit führen. Aber auch Gonorrhö, besser bekannt als Tripper, Syphilis oder Herpes sind übertragbare Krankheiten und weiterhin verbreitet. «Auch dank Social Media sind junge Menschen heute besser informiert», sagt Boehm. «Und einhergehend mit einem stärkeren Bewusstsein für ihr Wohlbefinden schützen sie sich auch davor.»
Kondom-Boom im Verkauf spürbar
Die steigende Beliebtheit von Kondomen zeigt sich auch bei den Herstellern: «Schon seit 2017 hat das Kondom erfolgreich die Pille als bevorzugtes Verhütungsmittel in der Schweiz abgelöst», sagt Isabelle Richmond, Marketingchefin beim grössten Schweizer Kondombrand Ceylor: «Die Nachfrage ist ungebrochen, über die vergangenen vier Jahre verzeichnen wir ein Wachstum von 20 Prozent.» Auch insgesamt verzeichnet der Kondommarkt Schweiz von 2019 bis 2023 eine Zunahme von fast 14 Prozent.
Auch beim Onlineanbieter Galaxus zeigt sich der Trend deutlich in wachsenden in Zahlen: Verglichen mit dem Vorjahr stieg der Umsatz 2023 um 21 Prozent. Noch deutlicher war es in den Jahren 2022 mit 34 und 2021 39 Prozent. Gut möglich, dass in diesen Jahren Corona eine Rolle gespielt hatte. So sind beim Detailhändler Migros die Umsätze für Kondome etwa gleichbleibend, nur 2021 gab es ein Wachstum, laut Pressestelle «wahrscheinlich Corona-bedingt». Denn die Pandemie hatte offensichtlich zu mehr Aktivitäten im Schlafzimmer geführt.