Auf einen Blick
- Provokative Kampagne von Frauenzentrale Zürich und Heartwings gegen Prostitution
- Hauptmessage: Prostitution ist keine freie Entscheidung, sondern Ausbeutung und Gewalt
- 85 Prozent der Prostituierten in der Schweiz sind Migrantinnen
«Was dich erwartet? Nervenkitzel: Frauen in diesem Beruf haben ein neunmal höheres Risiko, vergewaltigt zu werden. Was du mitbringst? Perspektivlosigkeit: Du lebst in Not, hast keine Alternative oder dein Freund ist ein Loverboy. Was sich dir bietet? Erinnerungen, die dich ein Leben lang verfolgen. Unsere Werte bei posttraumatischen Belastungsstörungen sind vergleichbar mit denen von Kriegsveteranen.»
Das ist der Stellenbeschrieb für ein Praktikum im Bordell «La Perte». La Perte heisst übersetzt so viel wie «der Untergang» und das Jobangebot ist nicht echt, die Zustände aber real. Mit der digitalen Kampagne wollen die Frauenzentrale Zürich und der Verein Heartwings ein Zeichen gegen Prostitution setzen. Gezeigt wird auf den sozialen Kanälen LinkedIn, YouTube, Facebook und Instagram auch ein Kurzfilm, der Einblick in den Job der Prostituierten gewährt. Start der Kampagne ist der 5. Oktober, der internationale Tag gegen Prostitution.
Die Aktion macht klar: Prostitution ist keine freie Entscheidung, sondern eine Form der Ausbeutung und Gewalt an Frauen. Das Stelleninserat wurde in Zusammenarbeit mit ausgestiegenen Prostituierten erarbeitet: «Uns ist es wichtig, das Wording der betroffenen Frauen ernst zu nehmen», sagt Jael Schwendimann (35) von Heartwings. «Ich habe noch nie mit einer einzigen Frau in der Prostitution gesprochen, die gesagt hat, sie liebe ihren Job, sondern vor allem mit Frauen, die sagen, ich habe Angst und will raus.»
So wie die 31-jährige Rumänin Rebeka. Ihre Reaktion auf die Frage, ob Prostitution ein «normaler» Job ist: «Bitte was? Wer sagt das?» Für Rebeka war die Prostitution nur Stress. Sie habe kein Leben gehabt, aber immer Angst vor dem nächsten Freier: «Manche Männer denken, weil sie bezahlt haben, können sie alles mit dir machen. Stets fragte ich mich: Habe ich genug Geld, kann ich das Zimmer bezahlen? Wie viel kann ich meiner Familie schicken? Da war kein Moment der Freude», so die ehemalige Prostituierte. «Mein ganzer Körper schmerzte. Und auch der Kopf, weil du etwas machst, was du nicht willst – aber du musst es tun.»
Dazu, wie viele Prostituierte es in der Schweiz gibt, sind keine genauen Zahlen vorhanden. Auch kennen die meisten Kantone keine Prostitutionsgesetze. Jährlich generiert das Sexgewerbe in der Schweiz geschätzt 1 bis 3,5 Milliarden Franken Umsatz. In einem 2022 erschienenen Report heisst es, dass rund 85 Prozent der Frauen in der Prostitution hierzulande Migrantinnen sind. In das Sexgewerbe geraten sie meist aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage oder durch Menschenhandel. Einmal im «Beruf» Prostituierte eingestiegen, ist der finanzielle Druck und die Abhängigkeit für die Frauen nicht vorbei: «Sie haben keinen Arbeitsvertrag, müssen aber ihre Miete bezahlen, die wirklich horrend ist», sagt Jael Schwendimann und meint damit zwischen 500 und 1000 Franken pro Woche für ein Zimmer an der Langstrasse in Zürich.
Mit ihrer Kampagne wollen die Frauenzentrale Zürich und der Verein Heartwings gegen das verbreitete Bild in der Gesellschaft ankämpfen, dass Prostitution eigentlich ein «cooler» Job sei. Auch die oftmals erwähnte «freiwillige» Prostitution sei sehr oft auch Zwangsprostitution, weil es eine Zwangslage ist, die die Frauen dazu gebracht hat, sich zu prostituieren: «Wenn du die Wahl hast, ob dein Kind in deinem Heimatland eine medizinische Behandlung bekommt oder an dieser Krankheit stirbt – dann hast du eben doch nicht wirklich eine Wahl.»
Als ein gesellschaftliches Vorbild sieht Schwendimann das nordische Modell: In Ländern wie Schweden ist der Kauf von sexuellen Dienstleistungen verboten. «Da wächst eine ganze Generation von jungen Männern heran, die verstehen, dass es nicht okay ist, eine Frau für Sex zu kaufen.»
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