Darum gehts
- Tattoo-Entfernungen nehmen zu, während neue Tattoos weniger beliebt werden
- Aktuelle Trends betonen Schlichtheit, Natürlichkeit und eine reduzierte Ästhetik
- Unsichere Zeiten verstärken den Wunsch nach Ordnung und Stabilität
Immer mehr lassen sich ihre Tattoos entfernen, während gleichzeitig weniger neue gestochen werden. Warum? Das haben wir Alexandra Viert (39) gefragt. Sie arbeitet für die Fachrichtung Trends & Identity an der ZHdK und als Trendforscherin, insbesondere zu Themen der Gesundheit.
Frau Viert, welche ästhetischen Trends sind momentan besonders gefragt?
Alexandra Viert: In Zeiten von Krisen, wie Krieg oder wirtschaftlicher Unsicherheit, haben Menschen ein verstärktes Bedürfnis nach Ordnung. Das zeigt sich in ästhetischen Strömungen wie Skandi-Minimalismus oder der Clean-Girl-Aesthetic. Farblosigkeit als Krisenphänomen, sozusagen. Wo das Auge hinschaut, überall nur grau und beige – greige, wie die Kombination daraus genannt wird, ist in Mode, Beauty und Interior gerade omnipräsent. Tätowierungen passen schlicht nicht in die propagierte Natürlichkeit, Leichtigkeit und Schlichtheit.
Warum entfernen immer mehr Menschen ihre Tattoos?
Unser Alltag ist schneller, kurzlebiger und unverbindlicher geworden – stabile Strukturen, feste Identitäten oder langfristige Verpflichtungen sind seltener geworden. Eine Tätowierung für immer entspricht gerade nicht dem Zeitgeist. Verbesserte und gänzlich neue Methoden, Techniken und Produkte, zum Beispiel im Bereich der Laserbehandlung, können eine treibende Kraft sein. Auch Prominente, wie Pete Davidson, die öffentlichkeitswirksam ihren von Tattoos befreiten Körper inszenieren, können Einfluss haben.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Tattoos und Gesundheitstrends?
Ja, Gesundheitstrends tangieren schliesslich auch Körperbilder. Tätowierungen sind eine Form des Selbstausdrucks und kennzeichnen bestimmte Lebensstile. Verändert sich der Lebensstil – wie bei Pete Davidson, der dem Alkohol abschwörte (sober zu sein, ist schon länger ein Gesundheitstrend), scheinen manche Motive aus der Zeit zu fallen.
Welche Rolle spielen Social Media und Innovationen beim Tattoo-Removal-Trend?
Tiktok und andere Plattformen können Trends verstärken. Tiktok-«Trends» sind noch keine manifesten Trends, sondern eher virale Phänomene oder Ästhetiken. Sie erzeugen Reichweite und können zur Sichtbarmachung beitragen. Tattoo Removals sehe ich eher als Gegentrend, also als eine Entwicklung gegen den Mainstream, in dem Tätowierungen ja mittlerweile angekommen sind.
Haben Tattoos ihren Status als Mode-Accessoire verloren?
Momentan scheint es so. Aber zumal Trends oft zyklisch sind, bin ich mir sicher, dass Tätowierungen bald, notabene in etwas veränderter Form, wiederkommen werden. Ein erster Hinweis darauf ist der temporäre Tattoo-«Schmuck» von Balenciaga, der im Rahmen der Herbstkollektion 2025 gezeigt wurde.