Martina Maier lässt ihr Tattoo entfernen
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«Hat keinerlei Bedeutung mehr»:Martina Maier lässt ihr Tattoo entfernen

Tschüss, peinliches Tribal!
Tattoo-Entfernungen boomen – doch bei einigen brauchts spezielle Laser

Martina Maier lässt ihr altes Tribal-Tattoo entfernen. Immer mehr Menschen in der Schweiz entscheiden sich für eine Tattoo-Entfernung. Wir haben Maier bei einer ihrer Sitzungen begleitet und mit Fachpersonen über diesen Trend gesprochen.
Publiziert: 29.03.2025 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2025 um 10:50 Uhr
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Martina Maier hat sich als Teenager ein Tribal-Tattoo stechen lassen.
Foto: Linda Käsbohrer

Darum gehts

  • Martina Maier lässt ihr altes Tattoo entfernen, weil es nicht mehr zu ihr passt
  • In der Schweiz entscheiden sich immer mehr Menschen für eine Tattoo-Entfernung
  • Der Prozess ist langwierig, schmerzhaft und erfordert mehrere Sitzungen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ramona RosatiRedaktorin Gesellschaft

Martina Maier (38) ruht auf der Behandlungsliege. Über ihrer Leiste schwebt der feine Laserstift, den Daniela Koruna (38) im Beauty Bazar in Winterthur ZH führt. «Bereit?», fragt Koruna. Maier nickt – und spürt kurz darauf das vertraute, stechende Brennen auf ihrer Haut.

Es ist nicht das erste Mal, dass sie ein Tattoo entfernen lässt. Letzten Sommer hatte sie sich bereits von einem anderen Motiv auf der Wade verabschiedet – nun ist ihr altes Tribal-Tattoo an der Reihe.

Das helle Summen des Lasers erfüllt den Raum, während Koruna präzise über die dunklen Linien des Tribal-Tattoos fährt. Ein typisches Motiv der späten 90er und frühen 2000er. Damals waren Tribals extrem angesagt. Martina kann sich noch genau an den Tag erinnern, an dem sie es stechen liess. Sie war gerade 18. «Ein Freund von mir wollte ein Tattoo, und ich fand, ich brauche dann wohl auch eins», erinnert sie sich. Doch sie wusste auch, dass ihre Eltern davon nicht begeistert sein werden. «Deshalb habe ich es mir im Leistenbereich stechen lassen, da konnte ich es gut verstecken», so Maier. Maiers Mutter entdeckte das Tattoo einige Zeit später, war kurz überrascht – und fand es dann eigentlich ganz «härzig». Ihr Vater? «Der weiss bis heute nichts davon.»

20 Jahre später findet sie es nicht mehr schön. Zudem verläuft direkt daneben die Narbe ihres Kaiserschnitts, was die Entscheidung zur Entfernung zusätzlich bestärkte.

Tattooentfernungen in der Schweiz nehmen zu

Die Nachfrage nach solchen Behandlungen steigt in der Schweiz stetig. Bettina Rümmelein, Fachärztin für Dermatologie und Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen, bestätigt diesen Trend: «Wir beobachten seit der Corona-Pandemie, insbesondere ab 2022, eine deutliche Zunahme der Tattooentfernungen.»

«Viele Menschen bereuen ihr Tattoo oft schneller als gedacht. Trotz der zahlreichen Mitbewerber haben sich die Anfragen bei uns verdoppelt», schätzt Rümmelein.

Tattooentfernungen sind besonders bei 20- bis 40-Jährigen gefragt. Viele von ihnen haben sich in jungen Jahren tätowieren lassen, ohne lange darüber nachzudenken. Heute, mit mehr Lebenserfahrung, passen die Motive oft nicht mehr zu ihrer Identität.

«Viele Menschen im jungen Erwachsenenalter sind körperbewusst, sie achten auf ihr Aussehen und wollen sich nicht mehr mit einer Jugendsünde identifizieren», sagt Marianne Meli (43), Fachärztin FMH für Dermatologie und Venerologie sowie ärztliche Leiterin der Dermanence Praxen in Zürich. Doch nicht alle entfernen ihre Tattoos aus ästhetischen Gründen. Mit zunehmendem Alter entwickelt sich oft eine andere Einstellung dazu. «Im Alter akzeptiert man sein Erscheinungsbild eher. Man sagt sich: Das gehört jetzt zu mir.» Ältere Menschen, die sich dennoch für eine Entfernung entscheiden, tun dies meist aus praktischen Gründen – etwa, weil das Tattoo mit der Zeit verschwommen ist oder seine ursprüngliche Form verloren hat.

Auch emotionale Faktoren spielen eine Rolle. Beziehungen, Lebensphasen, Karrieren – all das verändert sich. «Es gibt Menschen, die sich den Namen ihres Partners tätowieren lassen – und nach einer Trennung das Tattoo so schnell wie möglich wieder loswerden wollen», so Meli. Andere bereuen eine impulsive Entscheidung, etwa eine Tätowierung im betrunkenen Zustand oder als Symbol einer früheren Überzeugung, die heute nicht mehr zur eigenen Identität passt.

Wie funktioniert eine Tattooentfernung?

Während Koruna weiter über Maiers Haut fährt, formt sich auf ihrer Haut ein Muster aus winzigen weissen Punkten – ein Zeichen dafür, dass die Pigmente aufgespalten werden. Der Laser zerlegt die Farbpigmente ihres Tattoos in winzige Partikel, die der Körper über das Lymphsystem abbaut. Besonders schwarze und blaue Tattoos lassen sich gut entfernen, da sie die Laserstrahlen optimal absorbieren. Schwieriger wird es bei bunten Farben.

Meli erklärt: «Grün und Gelb sind schwieriger zu entfernen. Sie brauchen spezielle Laser oder mehrere Sitzungen.» Auch die Tiefe der Tätowierung spielt eine Rolle – Laientätowierungen sitzen oft oberflächlicher und lassen sich leichter entfernen als professionelle Tattoos, bei denen die Farbe tiefer in die Haut eingearbeitet wurde.

Martina Maiers Tattoo ist nach der Laserbehandlung zunächst heller und von einem weissen Film überzogen, doch in den nächsten Stunden wird es wieder nachdunkeln.
Foto: Linda Käsbohrer

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Hauttyp. «Je heller der Hauttyp, desto risikoarmer die Lasertherapie, da dunklere Haut mehr Energie aufnimmt und somit das Risiko für Pigmentveränderungen steigt», so Meli. Im Durchschnitt sind acht bis zehn Sitzungen nötig, um ein Tattoo vollständig zu entfernen. Je nach Farbe, Farbmenge und -tiefe kann der gesamte Prozess Monate bis wenige Jahre dauern. 

Martina Maier zuckt kurz zusammen. «Es tut schon weh», gibt sie zu. «Die Schmerzen sind schlimmer als beim Tätowieren. Ich würde sie auf einer Skala von 1 bis 10 bei 5 bis 6 einordnen – aber das ist sehr individuell.»

Koruna, die pro Woche rund 15 Behandlungen in ihrem Studio Laserela durchführt, bestätigt: «Viele vergleichen es mit scharfen, kurzen Stromstössen auf der Haut.» Nach der Sitzung verspürt Maier ein starkes Brennen, ähnlich einem Sonnenbrand. 

Professionalisierung der Tattooentfernung

Neben der steigenden Nachfrage hat sich auch die Qualität der Behandlungen verbessert. Früher führten viele Tattoostudios illegale Laserbehandlungen ohne ärztliche Aufsicht durch – mit teils gefährlichen Folgen. Noch vor einigen Jahren wurde zudem mit fragwürdigen Methoden wie Milchsäure oder gar Bügeleisen gearbeitet, um Tattoos zu entfernen. Heute sind modernere Geräte wie der Picolaser im Einsatz, die gezielter arbeiten und die Haut weniger belasten. Ein weiterer Grund für die Zunahmen sind also die sichereren und effektiveren Methoden.

«Ich hätte das gar nicht ohne Ausbildung machen wollen», betont Koruna. Seit neue gesetzliche Vorgaben gelten, ist die Hürde für unseriöse Anbieter höher. Das verbessert die Sicherheit für Patientinnen und Patienten.

Während immer mehr Menschen ihre Tattoos entfernen lassen, geht die Zahl neuer Tätowierungen zurück. Andy Gally (60), Vorstandsmitglied des Schweizer Berufsverbands für Tätowierer, beobachtet diesen Trend schon länger: «Es gibt immer Wellen. Mal ist es populärer, dann wieder weniger.»

Er vermutet, dass die wirtschaftliche Lage eine Rolle spielt: «Tattoos sind eine Investition. In Zeiten, in denen viele sparen, überlegen sich die Leute genau, ob sie das wirklich brauchen.» Auch gesellschaftliche Trends spielen eine Rolle: In den letzten Jahren wurden minimalistische, dezente Tattoos beliebter – ein Kontrast zu den grossflächigen, auffälligen Motiven früherer Jahrzehnte.

Bewusstere Entscheidungen bei Tattoos und deren Entfernung

Zurück zu Martina Maier. Nach der kurzen, aber intensiven Sitzung drückt Koruna ein Kühlpad auf Maiers Leiste. Trotz des Aufwands der Entfernung bereut Maier ihr Tattoo nicht: «Es ist ein Teil meiner Vergangenheit. Ich würde nicht mehr so spontan ein Tattoo stechen lassen, aber es war eine Erfahrung.»

Ihr Tribal liess sie sich damals für 180 Franken stechen. Heute zahlt sie 145 Franken pro Sitzung für die Entfernung – und es sind noch ungefähr sieben weitere Sitzungen nötig, bis es vollständig verschwunden ist.

Trotzdem plant Maier bereits eine neue Tätowierung: «Ich würde gerne meinen Oberarm mit Pfingstrosen verzieren.» Diesmal aber mit mehr Bedacht. «Früher war es eine spontane Entscheidung, heute nehme ich mir mehr Zeit, um sicherzugehen, dass es wirklich zu mir passt.»

Für Tattoos entscheidet man sich heute bewusster. Und wenn sie nicht mehr gefallen, gibt es Wege, sie sicher loszuwerden.

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