Eine schmale Privatstrasse führt zum schmiedeisernen Tor, von oben ist die Villa Rose nicht einsehbar. Sie gehört zu den prestigeträchtigsten Häusern in Meggen, der Luzerner Nobelvorort mit Postkartenidyll liegt direkt am Vierwaldstättersee. Zulass haben hier nur gebetene Gäste, wir kommen auf Einladung des Hausherrn, Robert Landau (83) – einer der wichtigsten Kunsthändler weltweit.
Bereits im prächtigen Entrée sind wir umzingelt von Kunstwerken, die man sonst nur in Museen zu sehen bekommt. Rechts steht eine Skulptur von Henri Laurens, darüber hängt ein grossformatiger Dubuffet, geradeaus blickt man gleich auf zwei Bilder von Chagall, links, wo die Treppe zu den Schlafräumen hochführt, ein Marini. Lauter Meisterwerke von unschätzbarem Wert. Die klassische Moderne ist die Spezialität des ehemaligen Pelzhändlers aus Montreal, seit er 1987 seine Galerie Landau Fine Arts gegründet hat. Dass uns Landau die Türen zu seinem privaten Reich öffnet, ist hingegen weniger selbstverständlich. Es ist das erste Mal, dass Journalisten hier fotografieren dürfen.
Eine Villa mit bewegter Vergangenheit
Nicht nur wegen der hochkarätigen Kunst in Millionenhöhe. Die Villa Rose ist nicht irgendeine Villa, hier residierte zuvor der umstrittene Rohstoffhändler Marc Rich (†78). Rich flüchtete Anfang der 1980er-Jahre in die Schweiz, nachdem er wegen Steuerhinterziehung und illegalen Ölhandels mit dem Iran ins Visier der amerikanischen Behörden geraten war. Er stand für lange Zeit auf der «Most Wanted»-Liste des FBI, bis ihn der Präsident Bill Clinton 2001 als eine seiner letzten Amtshandlungen begnadigte. In der Villa Rose lebte Rich bis zu seinem Tod im Jahr 2013. Ein Jahr später zogen Robert Landau und seine Gattin Alice hier ein.
Alice Landau bittet uns, auf der breiten Polstergruppe Platz zu nehmen, eine diskrete Haushaltshilfe serviert Kaffee. Die hohen Fenster sind von schweren Vorhängen eingerahmt und geben den Blick auf den See und ein prächtiges Bergpanorama frei. Der prunkvolle Country-Haus-Stil erinnert an die Filmkulisse von «Dallas» und «Denver-Clan», bloss ist hier alles echt. Im Badezimmer spiegelt sich überall Gold, von den Wasserhähnen bis zum Halter fürs Toilettenpapier.
Der Geist von Marc Rich
Der Parkettboden stammt laut der Dame des Hauses aus dem Schloss Versailles, hinter holzgetäferten Wänden öffnen sich verspiegelte Bars. Rum, Whiskey, Cognac und Zigarren, alles steht unberührt dort – die Landaus trinken keinen Alkohol, Alice Landau ist Mormonin. Auf einem Stuhl liegt ein besticktes Kissen mit dem Spruch: «Ich verzichte auf den Himmel, wenn ich dort keine Zigarren rauchen darf.» Fast so, als ob Marc Rich gerade erst den Raum verlassen hätte. Ohnehin sieht es abgesehen von wenigen Veränderungen noch aus wie in der Ära Rich. Sogar die alten Überwachungskameras sind noch auf dem Gelände.
Inzwischen hat sich Robert Landau zu uns auf Sofa gesellt, in den Socken. «Schatz, weisst du, wo du deine Schuhe gelassen hast?», fragt seine Frau. Er: «Ja, ich weiss, wo sie sind.» Ein liebevoller Dialog zwischen einem Paar, das über fünfzig Jahre verheiratet ist. Die Galerie führen sie zusammen. «Das beste Auge für Kunst hat meine Frau», sagt Landau. «Ohne ihren Segen kaufe ich kein Gemälde.»
Landau hat eine polnisch-jüdische Herkunft, seine Gattin stammt aus einer Mormonen-Familie aus Utah (USA) – kennengelernt haben sie sich einer Party auf den Bermudas. Dort besitzt Robert Landau als erfolgreicher Pelzhändler bereits seit jungen Jahren ein Bungalow. Alice trat als ausgebildete Ballerina in einer Wasser-Revue auf. Nach dem Saisonende schickte er ihr ein Bouquet mit Rosen und ein Flugticket nach Montreal. «Für mich war das eine Gelegenheit, zu reisen. Meinen eigenen Kindern hätte ich so was nicht erlaubt», sagt sie. Die beiden erzählen Anekdoten aus ihrem Leben und plaudern mit uns, als ob wir alte Freunde wären. Die Landaus sind nicht bloss höflich, sondern ungewöhnlich herzlich.
Reich an Kunst und Herz
So haben wir das Paar auch an der Art Basel kennengelernt. Während man mit anderen wichtigen Galeristen kaum ein Wort wechseln kann, nimmt sich Landau Zeit. Sowohl für uns Journalisten als auch für jeden, der vielleicht zum ersten Mal einen echten Picasso bewundert. Das Besondere an Landaus Galerie: Er hat keine zeitgenössischen Künstler unter Vertrag und er kauft und verkauft nicht im Auftrag von Kunden. «Ich kaufe, was mir gefällt», sagt er. Und er steht unter keinem Druck, zu verkaufen, vielleicht macht ihn das so gelassen. Auch Angestellte gibt es nicht, die Landaus sind ein Familienunternehmen, seine Tochter Jennifer steht mit ihrem Mann bereits in den Fussstapfen der Eltern. Worauf Landau stolz ist: «An jeder Messe kommen 100'000 Menschen an unseren Stand. In all den Jahren waren das bereits gegen zehn Millionen Besucher. Sie kommen nicht zum Kaufen, sondern um diese Werke zu bestaunen.» Der Galerist wertet nicht und zeigt gern, was er hat. Nicht zum Angeben, sondern um seinen Reichtum an Kunst zu teilen.
So sind wir also auf dem Sofa gelandet, auf dem einst Marc Rich seine Zigarren geraucht hat. Warum übernimmt man den ganzen Hausrat des vorherigen Besitzers? «Das machen wir immer so», sagt Alice Landau. «Es ist praktischer, denn es braucht Zeit, ein Haus neu einzurichten. Und uns gefällt der Stil. Natürlich haben wir die Sofas neu beziehen lassen.» Ausserdem war es Teil eines Deals mit einer schwierigen Vorgeschichte. Die Landaus verkehrten gesellschaftlich mit Marc Rich. «Er besuchte uns an der Art Basel. Als er in seinen letzten Jahren in finanzielle Schwierigkeiten kam, wurde uns das Haus zum Kauf angeboten. Man lud uns zum Abendessen ein», erzählt Robert Landau. «Da haben wir die Villa Rose zum ersten Mal von innen gesehen. Am nächsten Tag wurde uns ein Angebot unterbreitet, und wir wurden handelseinig.» Als aber Marc Rich sechs Monate später wie vorgesehen ausziehen sollte, machte er einen Rückzieher, einen Tag vor der Vertragsunterschrift. Für den Kunsthändler eine herbe Enttäuschung: «Daraufhin habe ich nie wieder mit ihm gesprochen.»
Als Marc Rich ein Jahr später stirbt, kommt die Villa über das Auktionshaus Christie's wieder auf den Markt: für 110 Millionen Franken. Laut Alice Landau soll sich auch der russische Oligarch Roman Abramowitsch (56) dafür interessiert haben. Als sich doch kein Käufer fand, machte man den Landaus erneut ein direktes Angebot. «Ich willigte unter zwei Bedingungen ein», so Landau. «Erstens bezahlte ich 10 Prozent weniger als beim ursprünglichen Deal mit Rich vereinbart. Und das gesamte Inventar blieb hier, ausser seinen privaten Fotos, seiner Kleidung und Kunstsammlung.» Dazu gehört auch ein Weinkeller mit 8000 Flaschen und kubanischen Zigarren: «Davon ist aber schon einiges weg, den Keller öffnen wir unseren Gästen.»
Vom Pelzhändler zum Kunstmagnaten
Inzwischen schmücken Landaus Kunstwerke die Villa. Wo das Auge hinfällt, bleibt es hängen, sei es an einer Skulptur von Matisse oder dem «Clown» von Kees van Dongen. Im Arbeitszimmer fällt sofort das Werk «Cat in the Night» von Karel Appel auf. «Das hatten wir bereits einmal verkauft», so Landau. «Es kommt öfters vor, dass das gleiche Kunstwerk zwei- oder dreimal durch unsere Hände geht.» Aber wie schafft man es von null zum Kunsthändler der Top-Liga? In den 1960er-Jahren stieg Robert Landau bei zwei seiner Onkel in Montreal ins Pelzgeschäft ein und machte es zum erfolgreichsten weltweit, unter anderem betrieb er die Pelzabteilung im renommierten Londoner Kaufhaus Harrods: «Ich war damals oft geschäftlich in Zürich und freundete mich mit Werner Merzbacher an.» Merzbacher (95) war ebenfalls Pelzhändler und Kunstsammler, als Kind flüchtete er 1939 aus Nazi-Deutschland in die Schweiz – heute ist seine Sammlung der Moderne im Neubau des Kunsthauses zu sehen. Landau: «Wir sassen meist in der Kronenhalle. Er beriet mich bei meinem ersten Kauf, einem Kandinsky.»
Über die nächsten Jahre investierte Landau, wenn immer er liquide war, in Kunst. Seine Frau erinnert sich gut an diese Zeit: «Es klingelte an der Tür, und eine Skulptur von Henry Moore wurde geliefert. Und ein paar Stunden später kam schon wieder eine. Ich dachte zunächst, der Lieferant hätte sich geirrt.» In der 1980er-Jahren steigt Landau nach einem Konflikt mit seinem Onkel aus dem Pelzgeschäft aus. Ein Glück: «Nachher lief es nicht mehr gut.» Er startete stattdessen mit Immobilien, aber es waren wirtschaftlich schwierige Zeiten. Also hängte er in den leeren Büros seine Gemälde auf und fing an, sie zu verkaufen, 1987 gründete er die eigene Galerie. Über einen Freund wurden japanische Investoren auf seine Kunstkollektion aufmerksam. «Sie wollten alles sehen, auch bei uns zu Hause spazierten sie durch sämtliche Zimmer», erinnert er sich. «Als wir am Wochenende nach Bermuda flogen, kamen sie einfach mit und inspizierten wieder alles. Dort hängen allerdings nur meine eigenen Malereien, die haben keinen Wert.» Beim gemeinsamen Brunch wollte Robert Landau dann wissen, was Sache ist: «Sie zückten ihre Liste mit den Gemälden und haben quasi alles gekauft.»
In bester Nachbarschaft
Und auf einmal war da so viel Cash wie noch nie: «Damit konnte ich wieder in Kunst investieren.» Weil die Preise zu der Zeit hoch waren, wartete Landau zu und leistete sich zunächst ein Apartment im 46. Stock des Trump Tower in New York. Heute gehört er mit einem geschätzten Vermögen von 700 bis 800 Millionen Franken zu den Vermögenden der Innerschweiz. So wie sein neuer Nachbar Fredy Gantner (56). Der Mitgründer der Partners Group und seine Familie gehören ebenfalls der Kirche Jesu Christi an, die zeitgemässe Bezeichnung für Mormonen. Ihm hat Landau das Grundstück Eichmatt mit 35'000 Quadratmetern verkauft. Ursprünglich wollte er dort eine grosse Galerie errichten, derzeit ist sie in einem unscheinbaren Geschäftshaus in Meggen untergebracht. Sein nächstes Projekt ist darum der Dreilindenpark Luzern. Wo einst die Musikschule untergebracht war, sollen öffentlich zugängliche Ausstellungsräume und ein Skulpturenpark entstehen.
Damit wäre auch der Picasso «Les dormeurs» von 1965 fürs Publikum sichtbar, ebenfalls ein Museumsstück im zweistelligen Millionenbereich. Landau ist Geschäftsmann, aber er liebt die Kunst, und es ist ihm wichtig, dass solche Werke nicht in Freizolllagern verkümmern, sondern sichtbar bleiben. Über Preise spricht er nicht: «Verkäuflich ist alles, ausser meiner Familie.» Aber reut es ihn nie, ein Kunstwerk gehen zu lassen, vor allem, wenn es später ein Vielfaches wert ist? «Das gehört nun mal zum Beruf. Wer mit Kunst handelt, kann damit Geld verdienen. Wer Kunst behält, macht ein Vermögen.»