Die junge Frau nimmt einen Schluck Tee, dann zieht sie die erste Spritze des Tages auf. Es ist ein ganz normaler Tag in der Dermatologieklinik, in der sie arbeitet. Doch im Hintergrund des Tiktok-Videos spielt liebliche Musik. Ein Filter in Pastellfarben verklärt die sterile Szene. «Jetzt tu heute bei der Arbeit bitte nicht wieder so, als wärst du in einem Film von Wes Anderson», lautet die ironische Überschrift des Clips.
Ob der Burger zum Zmittag, die Renovation des Badezimmers oder die Zugfahrt zur Arbeit: Beim «accidentally Wes Anderson»-Trend verwandeln immer mehr Menschen ihren Alltag in einen Film – zumindest auf Tiktok und Instagram. Die exzentrische Filmästhetik des US-amerikanischen Regisseurs Wes Anderson (53) erobert gerade die sozialen Medien. Alleine auf Instagram wurden weit mehr als eine halbe Million Beiträge dazu geposted.
Das Schöne im Gewöhnlichen finden
In Filmen wie «The Grand Budapest Hotel» (2014) oder «Moonrise Kingdom» (2012) setzte Anderson auf übersättigte Farben, Liebe zum Detail und eine Prise Melancholie. Auch die Hintergrundmusik der Tiktok-Videos stammt direkt aus dem Anderson-Universum: Es ist das Lied «Obituary» von Alexandre Desplat, Soundtrack zum Film «The French Dispatch» (2021).
Neben der Ästhetik zieht sich auch die Selbstironie durch die Tiktok-Clips: Das eigene Leben wird stilisiert und nicht ganz so ernst genommen. Vielleicht geht es darum, das Schöne im Gewöhnlichen zu finden. Oder darum, sich aus dem drögen Alltag wegzuräumen, direkt in die nostalgische und drollige Traumwelt der Anderson-Filme.
Gerade einige jüngere Nutzerinnen und Nutzer dürften durch die sozialen Medien die Anderson-Ästhetik für sich entdeckt haben. Das Timing ist gut: Im Juni kommt das neueste Werk des texanischen Regisseurs in die Schweizer Kinos. «Asteroid City», eine Komödie aus einer fiktiven Wüstenstadt des Jahres 1955. Mit Stars wie Scarlet Johansson, Tom Hanks und Willem Dafoe. Und natürlich mit viel Pastell, lieblicher Musik und Liebe zum Detail.