Am Wochenende sorgte die Ankunft des deutschen Influencers Barrelo (23) in der Zürcher Innenstadt für Aufsehen. Seine jugendlichen Fans rannten auf die Strasse, versperrten ihm den Weg, hielten ihre Handys gezückt und schrien laut. Doch Barello war nicht allein, begleitet wurde er von niemand geringem als dem zwielichtigen deutsch-libanesischen Clan-Boss Arafat Abou-Chaker (47). Sie liessen sich von den Fans feiern, bevor sie in einem Wohnblock verschwanden. Wir haben Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Wer ist Barrelo genau und was macht er auf Tiktok?
Der 23-jährige Albaner hat auf Tiktok über 172’000 Follower. In seinen Videos geht es hauptsächlich um Comedy, Unterhaltung und Streitigkeiten mit anderen Tiktokern. Im Februar schaffte er es, bei einem Livestream auf 51’000 Zuschauer zu kommen.
Wie verdient er sein Geld?
Das läuft über Spenden und geht so: Die Influencer gehen live, auf einem Bildschirm sind alle Teilnehmer zu sehen. Die Community tippt dann auf ihren Favoriten, der so Punkte sammelt, gewonnen hat jener, auf den am meisten getippt wurde. Hinter den Punkten steckt richtiges Geld. Die Follower verschicken es durch virtuelle Geschenke, also kleine Animationen, die im Bild auftauchen. Um sie versenden zu können, müssen die Follower Coins auf ihr Tiktok-Konto laden, die kostenpflichtig sind.
Wo liegt das Problem?
Bedenklich ist: Es spenden vor allem Junge. Tiktok ist bei den 14- bis 25-Jährigen die meistgenutzte App. Die Psychologin Jessica Kathmann kritisierte gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Spiegel»: Die «parasoziale Beziehung zum Influencer» – das Gefühl, man sei dem Influencer nahe, weil man ihm folgt, sieht, was er macht – begünstige, dass der Wunsch entstehen könne, der anderen Person Geld zu schenken. Im Zuge der Übergabe erhalte man oft Aufmerksamkeit vom jeweiligen Influencer. Nach dem Motto: Die Person weiss jetzt, dass ich existiere.
Wer ist Arafat Abou-Chaker?
Häufiger Gast bei Barrelos Live-Spenden-Aktionen auf Tiktok ist Arafat Abou-Chaker. Er ist der Anführer des Abou-Chaker-Clans, der in Berlin ansässig ist. Die Clanmitglieder betreiben laut der Berliner Polizei unter anderem Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenhandel sowie Zuhälterei. Öffentlich bekannt ist Arafat Abou-Chaker wegen eines Streits mit dem deutschen Rapper Bushido. Sie waren früher Geschäftspartner, als sich der Rapper lösen wollte, habe der Clan mehrere Millionen Euro verlangt und ihn danach eingesperrt und bedroht – dies sagte Bushido während des immer noch laufenden Gerichtsprozesses.
Ist es problematisch, wenn ein Influencer mit einem Kriminellen zusammenspannt?
Dirk Baier, Delinquenzforscher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sagt: Die Jugendlichen seien nicht naiv. Sie wüsten, dass Social-Media-Inhalte häufig eine Inszenierung darstellten. Doch: «Zugleich gehen von den Inhalten durchaus reale Gefahren aus: Einerseits wird tatsächlich ein Bild des ‹coolen Gangsters› vermittelt, welches für Jugendliche, die sonst im Leben wenig Orientierung haben, identitätsstiftend sein kann. Andererseits wird auch der Eindruck vermittelt, dass man mit ein paar Videos auf TikTok schnell bekannt und reich werden kann; diese Hoffnung geht für die meisten Jugendlichen aber nicht in Erfüllung.»
Was macht das Bild des «coolen Gangsters» mit den Jugendlichen?
Dirk Baier sagt: «Für männliche Jugendliche hat das Verbotene, Kriminelle einen besonderen Reiz.» Gangs und Gangster seien häufig positiv besetzt. Ein kleiner Teil der Jugendlichen versuche, diesen Vorbildern zu folgen. Daten aus der Schweiz zeigten, dass die Jugendkriminalität zunehme. Jugendliche schlössen sich wieder häufiger zu Cliquen und Gangs zusammen, was zu Kriminalität und Gewalt führen könne. Sein Fazit: «Hierfür könnte die Orientierung an solchen Social-Media-Vorbildern mitverantwortlich sein.»
Was können Eltern tun?
Baier rät, dass die Eltern bereits vor der Jugendphase ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kindern aufbauen, das einschliesst, über die medialen Vorbilder, die konsumierten Inhalte offen zu sprechen. Eltern müssten sich für das, was ihre Kinder schauen und hören, interessieren. Und sollten thematisieren, was den Kindern daran gefällt. Er folgert: «Nur wenn eine solche Beziehung existiert, können Eltern dann auch wirkungsvoll intervenieren, wenn die Kinder fragwürdige Inhalte mögen.»
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