Auf einen Blick
- Sabor, ein technisches Wunderwerk, faszinierte die Welt
- Er war einer der ersten Roboter Europas, gebaut in Teufen AR
- Der Metallmann wog 270 Kilogramm und hatte 500 Meter Kabel
Hamburg, 1952: Ein Kind schluchzt in seinem Wagen, sein Mund zu einem stummen Schrei verzerrt. Hinter ihm reckt sich ein 2,37 Meter grosser Riese aus Metall auf. Es ist Sabor, der Maschinenmensch. Was dem Kleinen wie ein Monster erscheint, fasziniert die Welt als technische Sensation. Es ist ein beeindruckendes Kapitel Schweizer Innovation, das jetzt neu aufgeschlagen wird.
Anfänge aus Holz
Die Geschichte beginnt 1923 in Teufen AR. Hier verwirklicht August Huber, Sohn eines Webereibesitzers, seinen Traum. Als Zwölfjähriger erschafft er seinen ersten Automaten, Sabor I – aus Holz gezimmert, mit Stoffresten verpackt. Doch innen schon mit jener Technologie ausgestattet, die später die Welt in Staunen versetzen wird.
Hubers Inspiration sprudelt aus verschiedenen Quellen. Der «Zauberer von Oz» erzählt 1900 vom Blechmann ohne Herz. Fritz Langs «Metropolis» zeigt 1927 den Roboter Maria. Es sind wohl genau diese Visionen, die den jungen Textilkaufmann antreiben. Ins Detail überliefert ist das jedoch nicht.
1930 erweckt Huber Sabor II zum Leben, der komplexe Bewegungsabläufe beherrscht: Er kann sitzen, aufstehen und trommeln. Huber verkaufte den Prototypen an eine Reklamefirma nach Berlin. Sabor III scheitert noch in der Werkstatt. Doch 1938 gelingt der Durchbruch: Sabor IV betritt die Bühne.
Nackedei und Superstar
Im 270-Kilogramm schweren Koloss aus Kupfer, Aluminium und Leder pulsiert technische Raffinesse. In seinem Bauch schlängeln sich 500 Meter Kabel zwischen 68 Relais und 92 Kontrolllampen durch. Acht Motoren hauchen ihm Leben ein. Er schreitet, bewegt seine Gliedmassen dabei mit Anmut. Seine Lippen formen Worte, während die Augen das Publikum fixieren. Statt eines Bauchnabels prangt eine Telefonwählscheibe an seinem Korpus. Wer die 23 wählt, sieht ihn sogar rauchen. Kurz: Sabor ist eine Attraktion – und einer der ersten Roboter Europas.
1938 tritt er in London auf. Dort sorgt er für einen so grossen Andrang, dass er 20 Minuten den Verkehr lahmlegt – 18 Polizisten müssen die Kreuzung räumen. Der mittlerweile 28-jährige Huber erlebt da auch bange Momente. Ein Veranstalter verkauft Sabor heimlich weiter. Huber gelingt es, den Metallmann in die Schweiz zurückzubringen, wo er die Besucher der Landesausstellung 1939 in Zürich verblüfft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg startet Sabors Welttournee. Er tritt in Brüssel, Finnland, in Kopenhagen und in Übersee auf. Dort mischt er die «Ed Sullivan Show» auf, begegnet Hollywood-Stars und gekrönten Häuptern. «Den braven Zürcher Bürgern blieb ihr Schwyzerdütsch im Halse stecken. Ein Nackedei von Marsmenschengrösse marschierte durch die Bahnhofstrasse und tätigte Einkäufe, mit metallisch klapperndem Gebiss», schreibt der «Spiegel» über einen weiteren Auftritt von Sabor.
Sabor, der Pionier
Der Maschinenmensch ist kein selbstständiger Roboter. Hinter Sabors geschmeidigen Bewegungen steckt ein ausgeklügeltes System. Er tanzt an unsichtbaren Fäden. Von Kirchtürmen, Hotelfenstern und Autos lenken Huber und seine Techniker den Metallriesen mit Ultrakurzwellen – eine Sensation für die damalige Zeit. Sie steuern jede Regung ihres künstlichen Stars, manchmal über Kilometer hinweg, heisst es.
Von Sabor spannt sich ein Bogen in unsere vernetzte Gegenwart. Heute lenken ganze Armaden intelligenter Maschinen: Smarte Geräte gehorchen unserem Zuruf, Chirurgen operieren mit hochpräzisen Robotern, Einsatzkräfte navigieren aus sicherer Entfernung durch Gefahrenzonen. Sabor steht als Pionier für diese Überwindung der Distanz zwischen Mensch und Maschine.
Wandel und Wiederkehr
1951 beginnt ein neues Kapitel. Huber verkauft seine Schöpfung an Peter Steuer. Während Huber an neuen Robotern tüftelt, schraubt ETH-Ingenieur Steuer weiter am Metallriesen, stattet ihn mit neuer Technik aus und tritt weiterhin mit ihm auf, oftmals auch mit dem österreichischen Zauberer, Bobby Lugano.
Doch der technische Fortschritt ist unaufhaltsam. Kompaktere, leistungsfähigere Computer verdrängen mechanische Attraktionen wie Sabor. 1969 wird Sabor zum Astronauten, passend zum Weltraumzeitalter. Ein Jahr später stirbt Huber im Alter von 59 Jahren. 1976 folgt der letzte Auftritt von Sabor. Der Glamour ist längst passé: Er moderiert die Eröffnung eines Altersheims, bevor er in einer Garage verstaubt. Nach dem Tod von Steuer (1990) kommt er schliesslich im Elektrizitätsmuseum Münchenstein BL unter.
Mehr rund um Roboter
Jetzt kehrt der Metallriese in seine Heimat zurück. Das Zeughaus Teufen würdigt bis am 9. Februar 2025 seine Geschichte mit unveröffentlichtem Archivmaterial. Die Ausstellung erzählt dabei nicht nur von einem visionären Erfinder aus dem Appenzellerland. Sie zeigt auch, wie Hubers Träume Wirklichkeit geworden sind.
Wenn Besucher vor dem gewaltigen Metallkörper stehen, sehen sie darum mehr als ein Stück Vergangenheit. Sabor wirft Fragen auf, die uns heute mehr denn je beschäftigen: Wie sollen wir mit Robotern zusammenleben? Welche Grenzen setzen wir der künstlichen Intelligenz? Der Maschinenmensch aus Teufen: Er ist auch nach 100 Jahren aktuell.
Die Ausstellung «Sabor» öffnet am 2. November um 17 Uhr und bietet mehrere aussergewöhnliche Begegnungen. Eine Auswahl:
- Thomas Beschorner ergründet am 13. November die ethischen Grenzen der Robotik. Beschorner ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen.
- Remo Huber, Sohn des Erfinder August Huber, gibt am 1. Dezember persönliche Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Roboters.
- Zum Finale haucht KI-Flüsterer Robin Fürst am 15. Januar dem Roboter neues Leben ein. Der Kantonsschullehrer nutzt dazu KI-Technologie, um Sabor in die Gegenwart zu holen.
Programm: zeughausteufen.ch
Die Ausstellung «Sabor» öffnet am 2. November um 17 Uhr und bietet mehrere aussergewöhnliche Begegnungen. Eine Auswahl:
- Thomas Beschorner ergründet am 13. November die ethischen Grenzen der Robotik. Beschorner ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen.
- Remo Huber, Sohn des Erfinder August Huber, gibt am 1. Dezember persönliche Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Roboters.
- Zum Finale haucht KI-Flüsterer Robin Fürst am 15. Januar dem Roboter neues Leben ein. Der Kantonsschullehrer nutzt dazu KI-Technologie, um Sabor in die Gegenwart zu holen.
Programm: zeughausteufen.ch