Neues Internet-Gesetz gibt Usern mehr Macht
EU nimmt Tech-Giganten in die Mangel

Der Digital Services Act reguliert grosse Online-Plattformen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum umfassenden EU-Gesetz.
Publiziert: 26.08.2023 um 18:46 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2023 um 09:50 Uhr
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Teile eines neuen EU-Gesetzes werden am 25. August umgesetzt. Im Bild: Mining-Computer in Rumänien.
Foto: Bloomberg via Getty Images
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Tobias BolzernRedaktor Digital
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Was ist der Digital Service Act?

Es ist ein rund 300 Seiten starkes Regelwerk: Das Gesetz über digitale Dienste, der Digital Services Act (DSA), hat zum Ziel, die Grundrechte aller Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Raum besser zu schützen. Hassreden und Hetze sollen schneller aus dem Netz verschwinden. Die neuen Regeln haben weitreichende Konsequenzen für Tech-Firmen und die teils neuen Funktionen wirken sich direkt oder indirekt auf den Alltag von Millionen Menschen aus.

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Was heisst das konkret?

Die Nutzerinnen und Nutzer in der EU haben künftig mehr Mitspracherecht bei der Nutzung von sozialen Netzwerken. Sie sollen Beiträge anschauen können, ohne dass diese von künstlicher Intelligenz sortiert werden, erklärte Meta-Manager Nick Clegg diese Woche. Bei Tiktok gibt es die Option bereits. Im Feed muss man länger auf ein Video drücken, dann im Menü «Feeds verwalten» wählen, wo der personalisierte Feed deaktiviert werden kann. (Update vom 30. August: Die Funktion wurde offenbar für Nutzerinnen und Nutzer aus der Schweiz wieder deaktiviert). Weiter wird durch den DSA Werbung aufgrund sensibler Daten wie Sexualität, Religion, Herkunft oder Werbung für Kinder verboten. Die AGB müssen des Weiteren kurz und knapp verfasst sein. Dark Patterns, also Bedienelemente, die Nutzer in die Irre führen, werden verboten. Nutzer müssen zudem verbotene Inhalte einfacher melden können und wird das eigene Konto gesperrt, soll dies anfechtbar sein.

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Welche Dienste sind betroffen?

Die härtesten Regeln greifen für grosse Onlineplattformen. Dazu zählen Stand jetzt 19 Dienste mit einer Reichweite von mindestens 45 Millionen Usern pro Monat: Facebook, Tiktok, Twitter, Youtube, Instagram, Linkedin, Pinterest und Snapchat. Aber auch Amazon, Alibaba, Zalando und Booking.com. App-Stores von Google und Apple, Die Suchmaschinen Bing und Google, Google Maps und Wikipedia. Kritiker bemängeln, dass die Liste unvollständig ist. So würden etwa Ebay, Netflix oder Pornhub fehlen.

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Und welche Nutzerinnen und Nutzer?

Direkt betroffen sind rund 520 Millionen Nutzerinnen und Nutzer im EWR. Der DSA hat jedoch extraterritoriale Wirkung. Heisst: «Das Gesetz ist auch für Anbieter in der Schweiz relevant, die sich an Nutzer im EWR richten. Dabei gilt der DSA nutzerseitig nicht nur für Konsumenten (B2C-Dienste), sondern auch für Unternehmen (B2B-Dienste)», erklärt Martin Steiger, ein auf IT-Recht spezialisierter Anwalt, gegenüber Blick. Weiter dürfte das Gesetz globale Auswirkungen haben. Tiktok will auch in der Schweiz nicht-personalisierte Feeds anbieten, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärte. Wikipedia und Snapchat wollen gewisse Änderungen ebenfalls weltweit umsetzen, wie die Nachrichtenagentur AP schreibt.

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Und die Schweiz?

1:1 wird das Gesetz für die Schweiz nicht gelten. Der Bund arbeitet zurzeit jedoch selbst an der Regulierung «grosser Kommunikationsplattformen». Eine erste Vorlage soll bis März 2024 ausgearbeitet werden. Wo sinnvoll, solle sich diese am DSA orientieren. «Im Idealfall kann die Schweiz von der EU lernen und weniger weitgehend, aber dennoch wirksam regulieren», so Steiner. Beim Datenschutz etwa orientiert sich die Schweiz an der EU, hat aber deren Recht nicht kopiert. Das Schweizer Datenschutzgesetz DSG tritt am 1. September in Kraft.

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Gibt es Nachteile?

Europäische Nutzer profitieren bei jenen Angeboten, die ihnen zugänglich sind, von Verbesserungen, gerade auch bei den heutigen sehr grossen Online-Plattformen. «Gleichzeitig ist zu befürchten, dass immer mehr digitale Angebote in Europa nicht oder erst mit Verzögerung zugänglich sind», sagt Steiger. Für KMU sind der DSA und die sonstige europäische Regulierung ein erhebliches Hindernis, da der Aufwand für die Umsetzung riesig sei, so Steiger. So arbeiteten bei Meta und Tiktok Teams mit über 1000 Personen an der Umsetzung. Für KMU gelten jedoch weniger strikte DSA-Regeln als für grosse Dienste.

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Wann tritt das Gesetz in Kraft?

2020 lag der erste Entwurf vor, im Juli 2022 wurde der DSA verabschiedet, zusammen mit dem DMA, der wiederum die digitalen Märkte regelt. Teile des DSA müssen die Plattformen bis Ende August erfüllen. Bei den meisten ist dies der 25. August. Bei Tiktok ist die Deadline der 28. August – da die Post später kam. Ab 2024 ist das Gesetz für alle EU-Staaten bindend.

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Welche Strafen drohen?

Firmen, die gegen das Gesetz verstossen, drohen Bussen in der Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Für Konzerne wie Meta könnte dies bei einem Verstoss Kosten in Milliardenhöhe bedeuten. Der Binnenmarktkommissar Thierry Breton deutete sogar eine Abschaltung der entsprechenden Dienste an, falls die Plattformen die Regeln verletzen, etwa Inhalte zu wenig schnell löschen. «Es ist offensichtlich, dass der DSA erhebliche Auswirkungen auf die Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit haben kann», mahnt Steiger. Ob sich die EU getrauen würde, einen Dienst wie Instagram oder Tiktok zu verbieten, müsse sich zeigen.

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