Darum gehts
- Schweizer Tech boomt: Nutzer fliehen vor US-Datensammlern
- Neutralität der Schweiz zieht verunsicherte Amerikaner an
- Tech-Firmen warnen: Europa braucht digitale Souveränität
Während die öffentliche Aufmerksamkeit auf Donald Trumps (78) Handelskrieg und die mit Spannung erwarteten neuen Zölle des angekündigten «Liberation Day» gerichtet ist, gibt es im Hintergrund eine weitere Entwicklung. Die Sorge wuchs seit Jahren. Doch seit Trumps Rückkehr ins Weisse Haus und den Strategieänderungen bei US-Tech-Konzernen hat sich der Trend verstärkt: Nutzer und Unternehmen suchen nach Alternativen zu Google, Meta und Co. Besonders Schweizer Tech-Firmen verzeichnen zurzeit einen Ansturm – von europäischen, aber auch von Kunden aus Amerika.
Der Schweizer Cloud-Anbieter Infomaniak hat seit Trumps Amtseinführung ein Wachstum von über 30 Prozent bei europäischen Kunden verbucht. Bei US-Nutzern liegt die Steigerung bei 36,6 Prozent im Vergleich zu den Vormonaten. Auch bei anderen Unternehmen sieht man ähnliche Tendenzen. «Das Interesse an unserem Ökosystem hat massiv zugenommen», sagt Andreas Wiebe, CEO von Swisscows, einer Suchmaschine mit Sitz in Egnach TG. Der Dienst verzeichnet 20 Prozent mehr Suchanfragen als im Vorjahr. «Bei manchen Produkten wie dem Messenger Teleguard oder E-Mail sind es sogar noch mehr», so Wiebe.
Big Tech bezeichnet die marktbeherrschenden IT-Konzerne weltweit. Zu den «Big Five» zählen Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (ehemals Facebook) und Microsoft – alle aus den USA. Sie dominieren die digitale Welt durch Plattformen, Betriebssysteme und Onlinedienste. Kritiker bemängeln ihre Marktmacht, den Überwachungskapitalismus und die Gefahr für Demokratie. Die EU versucht, sie mit Gesetzen wie DSA und DMA zu regulieren. Als Alternative entstehen zunehmend Open-Source-Projekte, die digitale Souveränität fördern sollen.
Big Tech bezeichnet die marktbeherrschenden IT-Konzerne weltweit. Zu den «Big Five» zählen Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (ehemals Facebook) und Microsoft – alle aus den USA. Sie dominieren die digitale Welt durch Plattformen, Betriebssysteme und Onlinedienste. Kritiker bemängeln ihre Marktmacht, den Überwachungskapitalismus und die Gefahr für Demokratie. Die EU versucht, sie mit Gesetzen wie DSA und DMA zu regulieren. Als Alternative entstehen zunehmend Open-Source-Projekte, die digitale Souveränität fördern sollen.
Big Tech: Gründe für Abkehr
Andy Yen, CEO von Proton, einem Schweizer Anbieter für verschlüsselte E-Mail- und Cloud-Dienste, erklärt: «Wir sehen in den USA mehr Menschen, die besorgt sind über die zunehmende Menge an Nutzerdaten, die Unternehmen wie Google, Apple und Meta mit der Regierung teilen.» Ein Bericht, den die Firma in diesem Jahr veröffentlicht hat, zeigt, dass die genannten Tech-Firmen in den letzten Jahren Daten von Millionen Benutzerkonten übermittelt haben. «Seit 2014 ist diese Zahl um mehr als 600 Prozent gestiegen», so Yen.
Aus den Rückmeldungen der Schweizer Tech-Unternehmen kristallisieren sich zwei Hauptmotive für die zunehmende Abwanderung:
- Datenschutz und Privatsphäre: «Die Menschen haben Angst, nicht mehr Eigentümer ihrer Daten zu sein und keinen Zugriff mehr darauf zu haben», sagt Thomas Jacobsen von Infomaniak. Julia Weiss vom Schweizer Messenger-Dienst Threema ergänzt: «Aus unserer Erfahrung ist es einerseits die Befürchtung, dass US-Behörden Zugang zu Nutzerdaten erhalten, und andererseits der Wunsch, sich dem Geschäft der Datensammler zu entziehen.»
- Neutralität und Unabhängigkeit: Bei Swisscows stellt man fest, dass vor allem US-Nutzer nach neutralen Suchergebnissen suchen, «da ihnen die Unabhängigkeit und Objektivität der Suchergebnisse besonders wichtig ist». Weiss von Threema merkt an: «Wenn auf Social Media zur Abkehr von Big Tech und zur Nutzung von Diensten wie Threema aufgerufen wird, ist damit bestimmt auch ein politisches Statement verbunden.»
«Das ist erst der Anfang»
Die befragten Unternehmen sind sich einig: «Wir sind ziemlich sicher, dass sich der Trend weiter in diese Richtung entwickeln wird», sagt Wiebe von Swisscows. «Wir schätzen sogar, dass dieser Trend sich mindestens für die nächsten drei Jahre halten wird.» Ähnlich klingt es bei Proton: «Alles, was wir sehen, deutet darauf hin, dass dieser Trend anhalten wird», so Yen.
Bei Infomaniak spricht man gar von einem «stark wachsenden Bewusstsein – und das ist erst der Anfang». Threema zeigt sich zwar zurückhaltender, räumt aber ein: «Wenn aufgrund der jüngsten Ereignisse Datenschutz und Privatsphäre mehr ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit geraten, ist es gut möglich, dass vermehrt das Geschäftsmodell von Big-Tech-Firmen hinterfragt wird und man Alternativen sucht.»
Donald Trump (78) gefährdet das Datenabkommen zwischen der EU und den USA. Im Januar entliess der Präsident drei von fünf Mitgliedern des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB). Eine weitere Person verliess das Board. Damit ist die Kontrollinstanz, die den Behördenzugriff auf europäische Daten überwachen soll, nicht mehr beschlussfähig.
Wenn das sogenannte Transatlantic Data Privacy Framework (DPF) scheitern sollte, hätte das für Unternehmen und Bürger in Europa «verheerende Folgen», warnt der BDI, der Bundesverband der deutschen Industrie im «Handelsblatt». «Wenn das passiert – und die Chance dafür ist hoch –, ist es in der EU illegal, Daten in eine US-Cloud zu geben», erklärt gar der österreichische Jurist und Datenschutzaktivist Max Schrems in der «Süddeutschen Zeitung». Denn: Cloud-Dienste wie Microsoft 365, Amazon Web Services oder Google dominieren mit 70 Prozent Marktanteil (eine Schätzung einer Analysefirma) die europäische IT-Infrastruktur.
Das Dilemma: US-Gesetze wie der Cloud-Act zwingen amerikanische Firmen, Daten an Behörden herauszugeben – unabhängig davon, wo Server stehen. «Die US-Regierung hat die Möglichkeit, auf viele Politikermails in Europa zuzugreifen», so IT- und Geheimdienstexperte Bert Hubert gegenüber dem Magazin republik.ch.
Mögliche Auswege zeigt Schleswig-Holstein: Das Bundesland setzt auf digitale Souveränität mit offener Software statt US-Diensten. Für echten Datenschutz braucht Europa aber eigene digitale Infrastruktur, so Hubert. «Die einfachen Internetnutzer wollen ein Möbel, nicht das Holz zum Selberbauen», sagt er.
Donald Trump (78) gefährdet das Datenabkommen zwischen der EU und den USA. Im Januar entliess der Präsident drei von fünf Mitgliedern des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB). Eine weitere Person verliess das Board. Damit ist die Kontrollinstanz, die den Behördenzugriff auf europäische Daten überwachen soll, nicht mehr beschlussfähig.
Wenn das sogenannte Transatlantic Data Privacy Framework (DPF) scheitern sollte, hätte das für Unternehmen und Bürger in Europa «verheerende Folgen», warnt der BDI, der Bundesverband der deutschen Industrie im «Handelsblatt». «Wenn das passiert – und die Chance dafür ist hoch –, ist es in der EU illegal, Daten in eine US-Cloud zu geben», erklärt gar der österreichische Jurist und Datenschutzaktivist Max Schrems in der «Süddeutschen Zeitung». Denn: Cloud-Dienste wie Microsoft 365, Amazon Web Services oder Google dominieren mit 70 Prozent Marktanteil (eine Schätzung einer Analysefirma) die europäische IT-Infrastruktur.
Das Dilemma: US-Gesetze wie der Cloud-Act zwingen amerikanische Firmen, Daten an Behörden herauszugeben – unabhängig davon, wo Server stehen. «Die US-Regierung hat die Möglichkeit, auf viele Politikermails in Europa zuzugreifen», so IT- und Geheimdienstexperte Bert Hubert gegenüber dem Magazin republik.ch.
Mögliche Auswege zeigt Schleswig-Holstein: Das Bundesland setzt auf digitale Souveränität mit offener Software statt US-Diensten. Für echten Datenschutz braucht Europa aber eigene digitale Infrastruktur, so Hubert. «Die einfachen Internetnutzer wollen ein Möbel, nicht das Holz zum Selberbauen», sagt er.
Aufforderung an die Politik
«Der Trend eröffnet eine Chance für Europa und die Schweiz», argumentiert Yen von Proton. «Zurzeit sind wir als Kontinent auf US-Technologie angewiesen, obwohl hier genug Talent und Expertise vorhanden wären, damit wir auf eigenen Beinen stehen können.» Ein düsteres Bild zeigt ein Bericht von Ende 2024. Im Draghi-Report fordert der italienische Ex-Premierminister dazu auf, Innovation zu fördern. Von den führenden 50 Tech-Unternehmen sind lediglich vier aus Europa.
Yen mahnt Regierungen in Europa, Massnahmen zur Stärkung des Tech-Ökosystems zu ergreifen. «Etwa durch Vorgaben für döffentliche Beschaffung, europäisch zu kaufen, dann hätte eine europäische Tech-Industrie die Chance, zu wachsen und effektiv mit den Amerikanern und Chinesen zu konkurrieren. Wenn nicht, werden wir auf Jahre hinaus digitale Kolonien der USA bleiben.» Auch Wiebe von Swisscows betont: «Wichtig ist, dass die lokale Wirtschaft und Europa eigene Tech-Firmen wertschätzen. Europa hat eigene Helden offen gesagt vergessen.»