Der Tchentlo Lake, der sich vor der kanadischen Lodge von Chantal (48) und Roger Achermann (56) erstreckt, ist 45 Kilometer lang. Und es gibt neben ihrem nur noch ein einziges anderes Haus an diesem See. Der «Nachbar» des Ehepaars Achermann, ist nur übers Wasser in rund 45 minütiger Fahrt erreichbar – und wohnt nur im Sommer dort. Am wilden, unberührten Ufer des Sees gibt es sonst nur Bäume, Bären, Wölfe und Elche – aber keine Zivilisation.
Um von der Rogers Paradise Lodge ins nächste Dorf namens Fort St. James zu gelangen, müssen die beiden mehr als zwei Stunden fahren – und dies über Kiesstrassen durch den Wald, ohne je einer Menschenseele zu begegnen. «Wir sind sehr auf uns alleine gestellt», sagt Chantal Achermann. «Das Schweizer Sicherheitsdenken mussten wir hier ablegen.»
Lang gehegter Traum
Den Traum von der kanadischen Abgeschiedenheit erfüllten sich die beiden ehemaligen Zürcher Stadtpolizisten vor drei Jahren. In ihrer Lodge beherbergen sie Feriengäste, Fischer und Waldarbeiter. «Wir sind in unserem Leben viel gereist und hatten schon lange die Idee einer Lodge, weil wir vor unserer Zeit bei der Polizei beide im Gastgewerbe tätig waren», erzählt Chantal Achermann.
In Kanada habe es ihnen immer besonders gefallen. Jahrelang sahen sie sich nach geeigneten Liegenschaften um. «Als wir diese Lodge an ‹unserem› See sahen, wussten wir: Das ist es.» 2013 kauften sie das Haus und verbrachten die Sommer bis zur definitiven Auswanderung im 2017 dort, um das Haus und die Nebengebäude zu renovieren und auszubauen. «Als wir die Lodge kauften, war alles um uns herum reinste Wildnis und Busch. Als erstes bauten wir eine Strasse zu unserem Grundstück. Denn vorher war das Haus nur über den See erreichbar.»
Infrastruktur muss selber unterhalten werden
Die Gebäude haben Strom von einem Solarsystem. Wasser wird vom Grundwasser hochgepumpt. Um die Infrastruktur kümmert sich Roger Achermann. Auch den Unterhalt der sieben Kilometer langen Kiesstrasse bis zur nächsten grösseren Strasse bewerkstelligt er selber. Im Winter muss er zum Beispiel den Schnee räumen. Seine Frau ist für die Gäste zuständig und kocht und backt für alle.
Chantal Achermann: «Es ist ein einfaches Leben, das uns viel Arbeit beschert, aber glücklich macht. Wir sind stolz darauf, was wir geschaffen haben. Und die Schönheit der Natur oder die Tier-Begegnungen mit Wölfen, Bären und Elchen entschädigen für alles.» Trotz ihrer wohlüberlegten Auswanderung sagt sie: «Ferien im Traumland sind etwas ganz anderes, als dort zu leben.»
«Bereitet euch vor, bevor ihr geht»
Das erfuhr das Ehepaar vor allem im ersten Winter. «Wir hatten vier Meter Schnee und waren sieben Wochen eingeschneit. Das ist zwar kein Problem, denn wir kommen ein paar Monate mit unseren Lebensmitteln aus, haben auch mehrere Tiefkühler. Aber es gab andere Schwierigkeiten.» Die Temperatur im Haus zu halten, war zum Beispiel aufwändig. Sie übernachteten vor dem Ofen, um alle eineinhalb Stunden Holz nachlegen zu können. Draussen waren es minus 30 Grad, drinnen kamen sie knapp auf 19. Die Leitungen froren ein und sie mussten Schnee schmelzen, um Wasser zu haben. «Im ersten Winter hatten wir noch keine Gäste. Es hätte noch viel zu wenig geklappt», erzählt Chantal Achermann.
Sie will Auswanderungswilligen dringend raten: «Bereitet euch vor, bevor ihr geht. Erkundigt euch gut über das Leben in eurem Traumland.» Sie selber hätten sich sehr intensiv vorbereitet – und wurden dann doch von vielem überrascht. «Zum Beispiel von der Mentalität. Zwei Stunden zu spät ist für die Kanadier immer noch pünktlich.»
Zurück in die Schweiz wollen Achermanns nicht mehr. «Wir wollen in Kanada unseren Lebensabend verbringen. Wir haben hier unser Glück gefunden. Aber klar, für die Arbeit in der Lodge müssen wir beide gesund bleiben. Keiner von uns würde das alles alleine schaffen.»
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