Ich war ein typisches Verdingkind. Die ganze Familie wurde auseinandergerissen, als ich drei Jahre alt war. Meine drei Geschwister brachte man bei Familien unter, und ich wurde in ein christliches Waisenheim geschickt. Bis zu meinem 19. Lebensjahr habe ich nur im Heim gelebt. Dann musste ich selber auf mich schauen und landete auf der Strasse in Zürich.
Die Treppe Riviera beim Bellevue war meine erste Anlaufstelle. Hier wurde mir die Drogenszene unmittelbar vor Augen geführt. Darauf habe ich mich mit ein paar Leuten zusammengetan und die erste Jugendberatungsstelle von Zürich gegründet. Später habe ich zehn Jahre bei der Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme gearbeitet und die erste Gassenküche der Schweiz eröffnet.
Nach jahrelangem Engagement in der Drogenpolitik erhielt ich mit 50 Jahren die Möglichkeit, eine Woche Ferien im Val de Travers zu verbringen. Dort lernte ich interessante und humorvolle Menschen kennen, und es war, als ob ein Schalter in mir umgelegt würde. Ich begann darüber nachzudenken, was ich in den nächsten 50 Jahren meines Lebens tun wollte, und beschloss schliesslich, dorthin zu ziehen.
Nach fünf Jahren als Restaurantbetreiber erhielt ich die Gelegenheit, als Minenführer im grössten Asphaltbergwerk der Welt zu arbeiten. Die Geschichte der Asphaltmine ist beeindruckend; New York war die erste Stadt mit asphaltierten Strassen, alle mit Naturasphalt aus dem Val de Travers. Seit 21 Jahren führe ich Besucher durch das Bergwerk und die umliegenden Schluchten und Berge. Bisher habe ich etwa 6500 Führungen gemacht. Mit 79 Jahren bin ich immer noch aktiv dabei. Das hält mich fit.
Die Leute hier sind meine Familie. Schliesslich lernte ich meine eigene nie kennen. Doch das änderte sich, als ich einst eine Gruppe durch das Bergwerk führte und ein paar Tage später ein Brief erhielt. Eine Frau, die auf der Führung dabei war, fragte mich, ob ich der Bruder ihrer Mutter sei. Tatsächlich hatte sie recht, und wir organisierten ein Treffen. So fand ich den Kontakt zu meiner Schwester über das Bergwerk. Durch das, was ich erlebt habe, ist meine Arbeit mein Lebenselixier.
In unserer Serie «Wir sind Blick» stellen wir dir jeden Samstag eine spannende Persönlichkeit aus der Blick-Community vor. Wir sind überzeugt, dass jede Leserin und jeder Leser eine interessante Geschichte zu erzählen hat.
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