Männer, die in Kitas arbeiten, werden oft argwöhnisch angeschaut. Kein Wunder, sind es doch Fälle wie jener von René W., der sich an Kindern vergangen haben soll, oder dem FCZ-Hooligan Husam M., die Schlagzeilen machen.
Obwohl man weiss, dass der Generalverdacht nicht angebracht ist, scheint er dennoch zu existieren. Wir wollen deshalb wissen, wie Erzieher in Kitas, Spielgruppen oder Kindergärten mit dieser Haltung im Alltag umgehen. Wir haben nachgefragt, die Community hat geantwortet. Zwei Fachmänner Betreuung Kinder, so die offizielle Berufsbezeichnung, haben sich auf den Aufruf von BLICK gemeldet.
Robert und Harry. Sie befinden sich in unterschiedlichen Abschnitten in ihrem Leben, ihrer Karriere, aber in einem Punkt sind sich einig: Die Arbeit mit Kindern ist nicht nur Frauensache.
«Man ist Lehrer, Pfleger, Geschichtenerzähler und Haushälter gleichzeitig»
Harry Meier (58) arbeitet seit dreissig Jahren als Sozialpädagoge mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Zuerst in einer Kita, dann in einem kantonalen Schulheim, in einer Mädchen-Gruppe und in den letzten Jahren als Elternberater. Dass er dabei oft der einzige Mann im Team war, störte ihn nicht wirklich. Aber wirklich einfach war es auch nicht. «Erziehung gehört traditionell zur Arbeit der Frauen, Männer hatten damals mit diesen ‹Frauenangelegenheiten› nichts zu tun», erzählt er. Dies brachte ihm aber auch einiges an Bewunderung ein. Er galt als Exot.
Robert Petrillo (21) arbeitet seit fünf Jahren als Fachmann Kinderbetreuung. Seit einem halben Jahr ist er nun der einzige Mann in seinem Betrieb. Es sei schon etwas anderes, nur mit Frauen zusammenzuarbeiten. «Männer und Frauen haben unterschiedliche Herangehensweisen, auch die Ansichten unterscheiden sich. So was spürt man im Alltag», schreibt er BLICK.
Petrillo wollte eigentlich Lehrer werden. Dieser Weg stand ihm mit einem Realschulabschluss aber nicht offen. Ein Praktikum in einer Kita bestätigte dann seine alternative Berufswahl. «Ich bin mit meinem Job als Fachbetreuer Kinder sehr zufrieden. Das Einzige was mir fehlt, ist der Lohn eines Lehrers», sagt er. Verdient hätte er ihn allemal. «Als Fachbetreuer Kinder ist man Lehrer, Pfleger, Geschichtenerzähler und Haushälter gleichzeitig», führt er aus.
«Missbrauch ist einfach nur traurig»
Auf die Vorurteile gegenüber männlichen Kita-Mitarbeitern angesprochen, reagieren beide mit Bedauern. Petrillo gehen solche Fälle extrem nahe: «Es ist einfach nur traurig, so etwas zu lesen.». Aber auch mühselig, denn sobald ein weiterer solcher Fall durch die Medien gehe, müsse das Thema immer wieder durchgekaut werden. Unter einem Generalverdacht hätte er aber bis anhin nie gestanden. Auf blöde Sprüche von seinen Freunden reagiert er gelassen. «So was nehme ich einfach nicht ernst.»
Harry Meier sieht besonders die Veränderungen in den letzten Jahren sehr deutlich. Das Misstrauen der Eltern gegenüber Betreuungspersonen sei extrem angestiegen. Er betont aber auch, dass dies absolut verständlich sei. «All diese unschönen und absolut nicht tolerierbaren Verbrechen, die an unschuldigen Kindern begangen wurden, sind traurige Einzelfälle.» Unter dem generellen Verdacht der Pädophilie hätte er aber nie gestanden. «Es gibt viele Erzieher, Lehrer und Vertrauenspersonen, die allermeisten arbeiten verantwortungsbewusst.»
«Was vor dreissig Jahren normal war, gilt heute nicht mehr»
Aber nicht nur die Anforderungen an die Betreuer haben sich verändert. «Vor dreissig Jahren war es noch ganz normal, ein weinendes Kind auf den Schoss zu nehmen und zu trösten.» So was ginge heute nicht mehr, erzählt Meier. Das ginge sogar so weit, dass Praktikanten Pflaster nur noch im Beisein von Zeugen anbrächten. «Etwas ganz Normales, ein Pflästerchen für ein Bobo, bekommt so offiziellen Charakter. Nur damit keine Gerüchte oder Vermutungen aufkommen können, jemand hätte das Kind unangemessen angefasst.»
«Der Kontakt zwischen den Eltern und den Erziehern wird immer kleiner»
Dieses Misstrauen, so Meier, entstehe aber nicht nur durch einige Einzelfälle. «Der direkte Kontakt zwischen den Eltern und der Betreuungsperson wird immer kleiner.» Zeit sei ein kostbares Gut geworden. «Ein Klima des Vertrauens und der Akzeptanz zwischen der Betreuungsperson und den Eltern kann nur mit Zeit und Nähe aufgebaut werden.» Eine Distanzierung zwischen beiden Parteien vertiefen den Graben und die Folgen seien für alle gravierend.
Meier kritisiert aber auch mangelnde Kommunikation zwischen den beiden Erziehungsparteien. «Transparente Kommunikation und Klarheit bezüglich geltender Normen und Regeln in der Institution sind extrem wichtig. Besonders auch im Angesicht von Migration und Sprachbarrieren.
«Es ist leicht zu sagen, Erziehung ist Frauensache»
Harry Meier und Robert Petrillo wünschen sich beide eine höhere Männerquote im Beruf. Meier beteuert gegenüber BLICK, wie wichtig eine männliche Bezugsperson für Kinder sei. «Es ist leicht zu sagen, Erziehung ist Frauensache. Das stimmt so aber nicht.»
Auch Petrillo ist überzeugt, dass männliche Erzieher gut für die Kinder aber auch für die Gesellschaft sind. Es würde die Rolle des Mannes in der Gesellschaft stärken. «Alle denken beim Wort Kinderbetreuung an Mütter oder an Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen. Dabei können wir Männer das genauso gut.»
«Wie ist es eigentlich…?» ist ein neues Format von Blick.ch. Darin zeigen wir Menschen und ihre Berufe. Uns interessiert dabei ihr Alltag und nicht die Ausnahmen, wenn etwas Schlagzeilen macht. Aber wir wollen die Antwort nicht von Experten oder Politikern hören, sondern von den Leserinnen und Lesern. Manchmal sind die Fragen etwas spezifischer, manchmal sehr generell. Einige Fragen sollte man nicht stellen, andere darf man nicht stellen. Wir tun es trotzdem.
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