Arbeitsalltag als Baumpflegespezialist
«Ich versuche, die Angst zu überwinden»

Ivo Schori (39) ist Baumpflegespezialist – kein Beruf für schwache Nerven. Hier erzählt er, wieso Risikomanagement das A und O seines Jobs ist.
Publiziert: 12.07.2023 um 17:07 Uhr
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Ivo Schori (39) ist Baumpflegespezialist mit Leidenschaft.
Foto: zVg

Ich habe die höhere Fachbildung zum Baumpflegespezialist gemacht und arbeite seit 2007 auf dem Beruf. Vor zweieinhalb Jahren habe ich mich selbstständig gemacht. Obwohl meine Arbeit mit dem Forstwart verwandt ist, der statistisch gesehen der gefährlichste Beruf der Schweiz ist, möchte ich so lange wie möglich in diesem Bereich arbeiten.

«Es ist eine Art Spitzensport»

Als Baumpflegespezialist betreut man Bäume von der Pflanzung bis zur Fällung. Man gewährleistet die Sicherheit eines Baumes – gerade in Siedlungsräumen, Schulhäusern und auf Strassen. Man fällt auch Bäume mit Seilunterstützung und entlastet Kronenteile mit Schnittmassnahmen.

Es ist eine Art Spitzensport. Besonders für ältere Leute ist der Beruf eine Herausforderung. Ich bin inzwischen 39 Jahre alt – irgendwann merkt man schon, dass man nicht mehr so viel leisten kann. Viele haben körperliche Beschwerden. Zum Glück bin ich nicht gross davon betroffen.

«Ich versuche, die Angst zu überwinden»

Die Arbeit in der Höhe führen wir grundsätzlich gesichert mit einem Seil aus. Gerade bei Kletterarbeiten ist der Absturz das grösste Risiko. Mit Materialkenntnissen und Ausbildung versuchen wir, dem vorzubeugen.

Abgesehen vom Absturz der Baumkrone gibt es noch andere Gefahren. Es ist allgemein ein raues Umfeld. Das Arbeitsgebiet ist meistens schwer zugänglich. Gefährliche Bereiche sind vor allem grosse Maschinen beim Fällen, wie zum Beispiel Kräne, Hacker oder Motorsägen. Zudem gibt es keine genormten Ankerpunkte. Die Ankerpunkte im Baum müssen immer individuell angesprochen werden.

Angst kommt schon mal vor – bei mir persönlich vor allem, wenn ich auf schlanke Waldbäume klettern muss und Wind in die Krone fährt. Auch bei nassen Bäumen kann es mal rutschig werden. Ich versuche dann einfach, die Angst zu überwinden. In solchen Fällen hilft es mir, technisch zu denken.

«Wirklich schlimme Unfälle gab es weniger»

Unfälle hat es bei mir schon einige gegeben. Beim Abbauen eines Seiles habe ich mal einen Fehler gemacht, das Seil hat nachgelassen. Dadurch habe ich das Bein schwer gebrochen. Wirklich schlimme Unfälle gab es aber weniger. Häufig waren es kleinere Sachen wie Prellungen oder Schnittverletzungen.

Meine Kunden erwähnen manchmal, dass sie meine Arbeit so gefährlich finden. Das relativiere ich gerne. Ich finde, dass der Mensch sich häufig schlimmeren Gefahren aussetzt – er ist sich aber daran gewohnt. Im Strassenverkehr herrscht zum Beispiel eine viel grössere Verletzungsgefahr. Trotzdem nehmen das fast alle Menschen ziemlich locker.

«Cool, der Papi klettert auf Bäumen!»

Klar, mein Beruf ist gefährlich, aber eine gute Ausbildung und Fachkenntnisse mindern das Risiko. Inzwischen ist viel gegangen rund um die Arbeitssicherheit. Die Gefahr ist also eine Frage des Risikomanagements. Kontrollen und das Einhalten der Sicherheitsmassnahmen sind das A und O.

Der Bund der Schweizer Baumpflege organisiert sogar immer wieder eine Berufsklettermeisterschaft, für Erfahrungsaustausch und zur Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten. Da haben mir meine drei Kinder immer wieder beim Klettern zugeschaut. Dadurch machen sie sich auch nicht wirklich Sorgen, sondern denken sich eher: «Cool, der Papi klettert auf Bäume!»


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