Modellpflege für den Mercedes EQV
Wie schlägt sich der Elektro-Van?

Mercedes überarbeitet seinen Elektro-Van EQV und macht Reisen im Auto noch komfortabler. Dennoch kann der EQV sein etwas in die Jahre gekommenes Konzept nicht ganz kaschieren. Erst 2026 folgt die komplett neue Generation auf der rein elektrischen Plattform.
Publiziert: 10.03.2024 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2024 um 18:03 Uhr
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Bitte einsteigen und Platz nehmen. Mercedes hat den Elektro-Van EQV sanft geliftet, ehe er frühestens in zwei Jahren komplett neu, auf reinelektrischer Basis startet.
Foto: Mercedes-Benz AG - Global Commun
Wolfgang Gomoll

Raum ist der neue Luxus! Das weiss jeder, der sich schon mal in den Fond eines Kleinwagens zwängen musste und sich mit schmerzenden Gliedmassen nach der Fahrt wieder aus dem Vehikel schälte. Folglich nehmen wir bei unserem Test im aufgefrischten, reinelektrischen Mercedes EQV (ab 87'129 Franken) zunächst hinten rechts Platz. 

Natürlich in klimatisierten Luxussitzen, die optional auch den Rücken massieren können. Wir wählen das kräftigste Massage-Niveau und lassen uns von der Mechanik so richtig durchkneten. Herrlich. Der Kopf ruht dabei auf einem flauschig weichen Kopfkissen. Neben uns eine Armlehne mit Klapptisch, eine Ablage fürs Smartphone, ein magnetischer Abstelltisch, an dem spezielle Champagner-Gläser quasi festkleben und zwei USB-C-Ladebuchsen für jeden der zwei Einzelsitze.

Kombination aus Raum, Luxus und Ruhe

Während der Fahrt gehts im 5,14 Meter langen (optional auch 5,37 m extra lang erhältlich) und 1,93 Meter breiten Mercedes EQV angenehm leise zu. Elektromobilität mit all ihren Vorzügen halt. Dazu sorgt das grosse Glasschiebedach für angenehmes Licht im Interieur. Wir geniessen das Schöner-Wohnen-Ambiente – und mit jedem Kilometer wird uns bewusster: Vergesst die EQS-Limousine! Im Van EQV gibts den echten Elektro-Luxus – die Kombination aus Raum (bis 4630 l Laderaum), Luxus und Ruhe. Echte VIPs wissen das zu schätzen. Kein Wunder, wollte sich einst Robbie Williams bei seiner Deutschlandtour nicht in der S-Klasse-Limousine, sondern im Mercedes-Kleinbus chauffieren lassen.

Damit die vollelektrische rollende Lounge auch aussen wieder moderner wirkt (die neue Transporter-Generation auf der rein elektrischen Plattform Van.EA folgt frühestens 2026) haben die Formgeber dem EQV eine neue Front verpasst. «Der Grill war unsere Spielwiese», erklärt Designer Denis Di Pardo und zeigt auf den beleuchteten Rahmen der grossen Kühlerverkleidung mit dem zentralen Stern und den schmalen Belüftungsschlitzen. Die Schönheits-OP für den EQV scheint uns gelungen.

Leicht in die Jahre gekommenes Konzept

Dass die technische Basis doch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, merken wir an folgendem Detail: Unter der Motorhaube gibts keinen Trunk, also kein zusätzliches Ablagefach (z.B. fürs Ladekabel), sondern nur den unverkleideten Elektromotor. Dieser treibt mit 204 PS (150 kW) und 365 Nm per Vorderradantrieb den rund 2,7 Tonnen schweren Luxus-Personen-Transporter an. Damit unterscheidet sich der Stromer von den Dieselversionen, die es als Heckantrieb oder optional auch als 4x4 gibt.

Inzwischen haben wir hinters Steuer gewechselt – und da fällt uns als Erstes auf, dass es kein Head-up-Display gibt. Das war vom Bauraum her nicht zu realisieren, lassen wir uns sagen. Weil dieser unter anderem für die Klimaanlage und andere Bauteile gebraucht werde und ein Umbau zu viel Geld gekostet hätte. Auch da merkt man halt die inzwischen etwas angejahrte Basis. Immerhin spendierte Mercedes dem überarbeiteten EQV eine zweite Schiebetüre hinten links. Gut so.

Luftfahrwerk mit adaptiven Dämpfern

Beim selber Fahren fühlen wir uns schnell ebenso wohl, wie zuvor auf dem Sitz hinten rechts. Auch die vorderen Sitze sind bequem. Und die neueste Version des Mercedes MBUX-Systems versorgt uns mit allen nötigen Infos. Als Projektionsfläche dienen jetzt zwei je 12,3 Zoll grosse Monitore. Das Infotainmentsystem stellt uns vor keine grossen Herausforderungen – nur an die Handhabung der Berührungsfelder der Lenkradfernbedienung müssen wir uns etwas gewöhnen. Aber lieber nutzen wir sowieso die prima funktionierende Sprachbedienung.

Das Fahrwerk unseres EQV besteht aus Luftfedern und frequenzselektiven Dämpfern. Es ist straff abgestimmt, kommt jedoch vor allem mit schnell aufeinanderfolgenden Querfugen nicht so gut klar. Es wippt bei gröberen Bodenunebenheiten nach. Zumindest dann, wenn man nur zu zweit unterwegs ist. Sind alle vier Plätze belegt, funktioniert das Ausgleichen der schlechten Strassen harmonischer.

Kein ausgewiesenes Langstreckenfahrzeug

Und wie siehts mit Verbrauch und Reichweite des in 12,1 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigenden Van-Stromers aus? Wir sind meist mit leichtem Gasfuss und ohne schnelle Autobahnetappen unterwegs. Haben die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h (optional: 160 km/h) nie ausgereizt und waren selten schneller als 100 km/h unterwegs – zudem nutzten wir die intelligente Rekuperation. Dennoch weist der Bordcomputer einen Verbrauch von 28,7 kWh/100 km – also fast die 28,8 kWh, die auch Mercedes angibt. 

Dass der EQV kein ausgewiesenes Langstreckenfahrzeug ist, liegt auf der Hand. Wenn man aber selbst die Version mit dem grösseren 90-kWh-Akku wählt, liegen gemäss Mercedes nur 365 Kilometer Reichweite drin. Ein Taxiunternehmen bräuchte daher wohl zwei EQVs, um Fahrgäste rund um die Uhr befördern zu können. Zumal die maximale DC-Ladeleistung von 110 kW bei der 90-kWh-Batterie (80 kW beim 60-kWh-Akku) nicht gerade herausragend ist. Nominell sind so die grossen Akkus innerhalb von nicht gerade rekordverdächtigen 40 Minuten von zehn auf 80 Prozent gefüllt. 

Aber: Hinten auf den Luxussitzen, und mit einem Glas Champagner in der Hand, lässt sich diese Ladezeit entspannt überbrücken. Zudem gibts die überarbeitete V-Klasse auch mit Dieselantrieb ab 69'833 Franken und im Laufe des Jahres wird noch ein Benziner (Mildhybrid) die Antriebspalette ergänzen.

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