Jährlich staut es rund 1700 Stunden vor den Portalen des Gotthard-Strassentunnels. Besonders lang sind die stehenden Blechlawinen am Auffahrtswochenende. An solchen Tagen drohen Ärger und Übermüdung – und die Unfallgefahr im 16,9 Kilometer langen, nicht richtungsgetrennten Strassentunnel steigt. Kommt es tatsächlich zum Crash, tritt die Schadenwehr Gotthard (SWG) in Aktion. Doch wer ist diese Truppe und was macht sie genau? Wir haben sie im Werkhof Göschenen UR besucht.
Seit über 15 Jahren im Einsatz
Die SWG gilt als Berufsfeuerwehr und ist bei der Logistikbasis der Schweizer Armee angegliedert. Sie verfügt über zwei Standorte – am Nordportal in Göschenen UR und am Südportal in Airolo TI. «Wir sind während 365 Tagen im Jahr 24 Stunden im Einsatz. Bei der Gründung waren wir 36 Mitarbeiter – heute sind es fast doppelt so viele», erzählt uns Beat Walther (59), stellvertretender Kommandant der SWG, auf dem Areal des Werkhofs in Göschenen.
Aus dem Grossbrand im Gotthard-Strassentunnel am 24. Oktober 2001, als elf Menschen ums Leben kamen, wurden bei der Aufarbeitung mehrere Erkenntnisse gewonnen. «Wir lernen aus einem Ereignis», meint Walther. Nach diesem schweren Unglück setzte das Bundesamt für Strassen (Astra) technische, bauliche und organisatorische Anpassungen beim Gotthardtunnel durch – eine davon war 2008 die Gründung der SWG.
Breites Tätigkeitsfeld
Seither rückt die Berufsfeuerwehr in diversen Situationen aus: Brand, Unfall, aber auch bei gewöhnlichen Fahrzeugpannen. Im Jahr bewältigt die Schadenwehr zwischen 100 und 150 Einsätze. Eigentlich nicht viele, wenn man bedenkt, dass täglich 19'000 und jährlich mehr als 6,8 Millionen Fahrzeuge den Strassentunnel durchqueren. Die den Verkehrsfluss dosierenden Ampeln vor der knapp 17 Kilometer langen Röhre empfinden die meisten Autofahrenden zwar als mühsam, doch diese Sicherheitsmassnahme soll den sogenannten Orgeleffekt im Tunnel verhindern. «Früher kams deshalb zu enorm vielen Unfällen», weiss Walther.
Zum Einsatzgebiet der SWG zählt nicht nur der Tunnel, sondern auch die jeweiligen Autobahn-Zubringerabschnitte von Amsteg bis Göschenen auf der Nordseite und Airolo bis Faido auf der Südseite. Zudem rückt die Schadenwehr im Sommer auch auf der Südseite der Gotthard-Passstrasse aus. Die Nordseite jedoch wird von der Feuerwehr Andermatt betreut. Des Weiteren bewilligt eine Abteilung der SWG die Sonder- und Ausnahmetransporte auf Schweizer Strassen. Jedes Fahrzeug, das die normalen und gesetzlichen Masse bei Länge, Breite oder Höhe überschreitet, benötigt eine solche Bewilligung. «Von den 69 SWG-Angestellten arbeiten 13 für unsere Abteilung», erklärt Pascal Tresch, Leiter Sonderbewilligungen. Seine Abteilung stellt für die Nationalstrassen jährlich zwischen 25'000 und 30'000 Bewilligungen aus.
Action im Tunnel
Beat Walther erklärt: «Damit sich bei einem Tunnelbrand das Feuer und vor allem der Rauch nicht zu weit ausbreiten kann, müssen wir innert zwei Minuten ab Alarm ausrücken und in maximal zwölf Minuten am Einsatzort im Tunnel sein.» Je nach Ereignisort und Verkehrsaufkommen kann das schon mal eng werden. Denn es gibt keinen Pannenstreifen, auf dem die Rettungsfahrzeuge am stehenden Verkehr vorbeirauschen können. «Deshalb rücken wir immer gleichzeitig von der Nord- und Südseite aus.» Erst, wenn 2032 die zweite Röhre fertiggestellt und die aktuelle saniert ist, wird es auch einen Pannenstreifen geben. Der Verkehr soll dann weiterhin einspurig verlaufen, aber in zwei verschiedenen Röhren. «Viele Unfälle entstehen im heute nicht richtungsgetrennten Gotthardtunnel durch Streifkollisionen sich kreuzender Fahrzeuge», so Walther. Nach der Fertigstellung der zweiten Röhre und der Sanierung der alten sollte dieses Problem gelöst sein.
Weitere Sicherheitsmassnahmen sind die Thermoportale rund 800 Meter vor den Tunneleinfahrten. Diese scannen jedes Fahrzeug und lösen Alarm aus, falls ein überhitzendes Fahrzeug festgestellt wird. Und wie wird reagiert, wenn ein Elektroauto im Tunnel Feuer fängt? Beat Walther: «Bei Stromern bringen wir Brände generell nur schwer unter Kontrolle. Bisher gabs glücklicherweise noch kein brennendes E-Auto im Gotthardtunnel, nur hie und da mal eine defekte Batterie.» Sollte dieser Fall aber eintreten, würde der Brand möglichst klein gehalten und das zerstörte Fahrzeug danach mithilfe einer Mulde abgeschleppt.
Was können Autofahrende tun?
«Beim Durchqueren des Tunnels sollten die Autofahrenden Radio hören. So sind sie bei einem Unfall oder Brand stets informiert», rät Walther. Der Tunnel sei nämlich nicht nur mit Kameras, sondern auch mit diversen Sensoren überwacht. «Sobald ein Fahrzeug in einer Pannennische steht, sehen wir das auf unseren Überwachungsbildschirmen.» Der SWG-Vizekommandant appelliert zudem an die Automobilisten, stets genug Abstand zum Vordermann einzuhalten. «Mindestens 100 Meter», so Beat Walther.
Und wichtig: «Wenn es im Tunnel brennt, müssen die Insassen ihr Fahrzeug sofort abstellen, das Auto verlassen, den Schlüssel im Fahrzeug zurücklassen und umgehend einen der 64 Schutzräume aufsuchen.» Dort gibts einen SOS-Knopf, über den man mit der Notrufzentrale verbunden wird, einen Feuerlöscher und ein Erste-Hilfe-Kit. «Das Problem ist, dass die meisten Personen in solchen Fällen ihr Auto nicht verlassen wollen und sich so selbst in Gefahr bringen.»