Nicht nur E-Autos sind schuld
Die wahren Probleme der Autoindustrie

Es sieht aktuell nicht gut aus für die Autoindustrie – besonders die europäischen Hersteller stehen unter enormem Druck. Doch die Gründe für sinkende Erträge sind nicht allein der Umstieg in die Elektromobilität.
Publiziert: 13.11.2024 um 06:03 Uhr
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Wer meint, dass allein der Umstieg in die Elektromobilität der Grund für die Probleme der aktuellen Krise in der Autoindustrie ist, irrt.
Foto: Porsche AG / Marco Prosch

Auf einen Blick

  • Autobranche kämpft mit tiefgreifenden Problemen
  • Hohe Produktionskosten und Lohnniveau belasten europäische Hersteller
  • Neue Fahrzeugentwicklungen kosten bis zu vier Milliarden Euro
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Stefan Grundhoff

Harte Zeiten für die Autobranche – wohl die schwierigsten seit der Finanzkrise 2008/2009. Seinerzeit gingen nicht nur Grosskonzerne wie Chrysler oder General Motors in den USA pleite und konnten nur durch Unterstützung der Politik gerettet werden. So hatte sich etwa auch der amtierende US-Präsident Joe Biden (81) für die beiden Grosskonzerne starkgemacht. Auch für die europäischen Hersteller sah es zu jener Zeit düster aus. Doch die aktuellen Probleme könnten noch schwerwiegender sein und einige Marken in ihren Grundfesten erschüttern. Dabei ist aber nicht allein der Umstieg in die Elektromobilität Schuld für die Misere.

Die Gründe sind vielfältiger, liegen tiefer. Denn der Industriestandort Europa hat seit vielen Jahren mit grossen Herausforderungen zu kämpfen. Jedoch liessen insbesondere die üppigen Gewinne im Megamarkt China nicht nur bei den besonders beliebten Premiummarken offensichtliche Bruchstellen überdecken. Nachdem es in China für viele der europäischen Hersteller nachhaltig hakt und lokale Anbieter immer stärker aufspielen, kommen die Klüfte ans Licht.

Hohe Produktionskosten

Ein grosses Problem sind teure Produktionen und zu grosse Belegschaften mit einem hohen Lohnniveau. Die Fahrzeugfertigung oder die Herstellung entsprechender Komponenten bei Zulieferbetrieben ist speziell in Deutschland teurer als irgendwo anders auf der Welt. Üppige Lohnkosten, hohe Pensionen und entsprechende Sozialleistungen lassen sich jedoch nur erwirtschaften, wenn die Werke exzellent ausgelastet sind – bestenfalls über 80 oder gar 90 Prozent. Doch das ist in immer weniger Fertigungen der Fall. Zudem verdienen die Mitarbeiter in der Automobilindustrie im Vergleich zu anderen Branchen besser denn je. Selbst bei schlechter Werksauslastung oder Produktionsunterbrechungen haben die Gewerkschaften über die Jahrzehnte zum Beispiel Kurzarbeitergelder von oftmals über 80 Prozent ausgehandelt – obwohl die Leute nicht zur Arbeit kommen.

Da die Entwicklung vieler Module gerade bei deutschen Herstellern besonders aufwendig und personalintensiv ist, schlägt sich das hohe Lohnniveau nennenswert in den Fahrzeugkosten nieder. Beispiel: Ein vergleichbares Fahrzeug – egal, ob Verbrenner oder Elektroauto – ist in einem Land wie China 25 bis 40 Prozent günstiger zu fertigen, ohne dass das Qualitätsniveau markant tiefer wäre.

Wenn ein Autohersteller ein komplett neues Fahrzeug, mit unter Umständen sogar einer neuen Plattform, entwickelt, kosten die Planungen inklusive Werksauslastung, Design, Einbindung der Zulieferer, Entwicklung und dem Marktstart nebst Händlerschulungen schnell zwei bis vier Milliarden Euro. Kommt das Fahrzeug auf die verschiedenen internationalen Märkte, hat mehrere weltweite Fertigungen und verkauft sich mit einer entsprechend hohen Marge für Hersteller und Händler, dauert es drei bis fünf Jahre, ehe mit dem neuen Modell überhaupt Geld verdient werden kann. Unter Umständen muss auch in Zulieferer oder neue Fertigungen investiert werden, was etwa bei einigen neuen Elektromodellen geschah.

E macht Produktion teurer

Sind die Investitionen in neue Produktionsanlagen, Technologien oder Antriebe besonders hoch und hakt es gleichzeitig bei den Verkaufsvolumina, dann stimmen die Deckungsbeiträge nicht. Das ist eines der Probleme, die der Umstieg auf die elektrifizierten Modelle mit sich bringt. Bei Plug-in-Hybriden oder Elektroautos ist das Batteriepaket ein derart teurer Kostenanteil am Fahrzeug, dass deutlich weniger beim Hersteller hängenbleibt oder dieser unter Umständen bei verschiedenen Fahrzeugen gar kein Geld verdienen kann. Hakt es dann bei den Verkäufen, schlägt sich dies in doppelter Hinsicht nieder. Der Absatz stimmt nicht, die Deckungsbeiträge sind zu klein – manche Fahrzeuge müssen dann mit entsprechenden Subventionen in die Märkte gedrückt werden. So verdienen Händler und speziell die Autohersteller aber kein Geld.

Darüber hinaus sorgen immer strenger werdende Sicherheits- und Umweltvorschriften dafür, dass die Fahrzeuge schwerer, teurer und grösser werden. Nicht alle Kosten lassen sich auf die Kunden abwälzen, da sich einige Veränderungen – zum Beispiel bei Abgas- und Sicherheitssystemen – zumindest offensichtlich für den Kunden nicht bemerkbar machen und er daher auch kein zusätzliches Geld ausgeben würde.

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