Die Ferienplanung wird mit einem Elektroauto etwas schwieriger. Es braucht nicht nur Lademöglichkeiten vor Ort, sondern auch auf dem Weg zur Feriendestination. Ab sofort macht die norwegische Reederei Havila Kystruten die Planung noch schwerer. Sie verbietet Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos auf ihren Fähren.
Das Verbot ist auf der Homepage unter den Frequently Asked Questions FAQ zu finden. Zur Frage, ob Reisende ein Auto an Bord mitnehmen dürfen, antwortet die Reederei: «Wir nehmen Autos nur auf der gesamten Strecke Kirkenes-Bergen oder Bergen-Kirkenes mit, nicht in einzelnen Häfen. Das Auto darf maximal 5,2 Meter lang, 2,25 Meter breit und 2,1 Meter hoch sein. Wenn Sie ein Auto mitnehmen möchten, müssen Sie es im Voraus buchen. Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos sind an Bord verboten.» Den letzten Satz lesen die Manager in den Chefetagen der Autobauer nicht gerne, nachdem sie in den letzten Jahren Milliarden in die Elektromobilität investiert haben.
Grosses Feuer-Risiko
Noch unerfreulicher ist, dass die Nachricht aus dem Elektro-Vorzeigeland Norwegen kommt. Letztes Jahr waren 79 Prozent oder fast vier von fünf Neuwagen elektrisch. Havila Kystruten begründet den Entschluss mit einem zu hohen Feuer-Risiko, erklärt CEO Bent Martini gegenüber dem Schifffahrt-Newsportal Tradewinds: «Eine Risiko-Analyse zeigt, dass unsere Crew ein Feuer in einem Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffauto nicht alleine unter Kontrolle bringen könnte und zusätzliche Einsatzkräfte angefordert werden müssten.» Auf die Elektro-Spezialisten zu warten, sei wegen der Passagiere an Bord aber nicht zu verantworten, so Martini weiter. Havila würde daran arbeiten, das Risiko zu minimieren, um Stromer später wieder zulassen zu können.
Beim Löschen eines Elektroautos werden rund 11'000 Liter Wasser benötigt. Bei Benzin- und Dieselfahrzeugen sind es nur 1600 bis 2000 Liter Löschwasser. Diese Menge Wasser kann zu extrem grosser Schlagseite des Schiffes führen, wenn es nicht abfliessen oder abgepumpt werden kann. Gleichzeitig ist ein einzelnes brennendes Auto in einem vollen Autodeck kaum zugänglich, weshalb praktisch nur eine Sprinkleranlage den Brand bekämpfen kann.
Wie verheerend ein Feuer auf einem Autofrachter sein kann, zeigte letztes Jahr die Katastrophe auf der «Felicity Ace». Mitte Februar 2022 brach im Frachtraum ein Feuer aus, als der Frachter rund 4000 Fahrzeuge der Volkswagen-Gruppe von Deutschland in die USA brachte. Die Brandursache ist weiterhin unklar. Doch die zahlreichen Elektroautos an Bord erschwerten die Löscharbeiten, weil deren geladene Lithium-Ionen-Akkus das Feuer am Leben hielten. Der Brand konnte zwar gelöscht werden, doch bevor der Frachter geborgen wurde, versank er im Atlantik. Experten fordern deshalb, die Sicherheitsbestimmungen auf Autofrachtern und Fähren für E-Autos zu überarbeiten und anzupassen.
Finanzielle Gründe?
Während verschiedene Medien die Entscheidung von Havila Kystruten auf die Katastrophe der «Felicity Ace» zurückführen, könnte der Grund aber auch ein ganz anderer sein. Laut dem deutschen Manager Magazin hat die kleine norwegische Familienreederei finanzielle Probleme. Ende letzten Jahres musste sie eine Kapitalerhöhung durchführen, nachdem sie im ersten Halbjahr 2022 einen operativen Verlust von zehn Millionen Euro eingefahren hatte. E-Autos zu verbieten könnte auch ein finanzielles Ränkespiel sein, um die Versicherungsprämie für die vier Fähren zu drücken.
Vorerst ein Einzelfall
Es scheint jedenfalls, dass Havila Kystruten die erste und vorerst einzige Reederei ist, die Elektroautos an Bord ihrer Fähren verbietet. Eine Stichprobe bei anderen Reedereien im Mittelmeer sowie der Ost- und Nordsee zeigte keine weiteren Verbote. Nur der Hinweis, dass Elektroautos nicht an Bord aufgeladen werden dürfen. Einzige Ausnahme hierbei ist die Reederei TT-Line. Auf ihren sogenannten «Green Ships» zwischen Deutschland, Litauen, Polen und Schweden gibts 32 Ladestationen. Es stehen DC-Lader (Gleichstrom) mit 40 Kilowatt oder AC-Lader (Wechselstrom) mit 11 Kilowatt zur Auswahl.