Wer an Sportwagen denkt, stellt sich wummernde Benziner und röhrende Auspuffanlagen vor – zumindest bisher. Doch seit Tesla mit seinen leisen E-Modellen die Sportwagen-Konkurrenz bei Sprintduellen regelmässig an die Wand fährt, wissen wir: Schnell bedeutet nicht gleich laut.
Dazu passt, dass Audis erster Elektrosportler E-Tron GT vom selben Band rollt wie das bisherige Ingolstädter Spitzenmodell R8. Bereits Ende 2020 startet die Produktion im süddeutschen Neckarsulm. Und schon die nackten Zahlen zeigen, dass der GT anders als Audis Elektro-SUV E-Tron definitiv zum Tesla-Jäger avanciert.
Der Porsche von Audi
Die Sportlimousine, die auf der gemeinsam mit Porsche entwickelten PPE-Plattform aufbaut, soll dank zwei E-Motoren mit total 590 PS in 3,5 Sekunden auf Tempo 100 schiessen und nach 12 Sekunden bereits die 200-km/h-Marke knacken. Dank der speziellen Flachboden-Architektur passt nicht nur ein grosser 90-kWh-Akku in den Unterboden, der für Reichweiten von über 400 Kilometern sorgt. Auch ist der 4,96 Meter lange und 1,96 Meter breite E-Tron GT nur 1,38 Meter hoch – und damit vier Zentimeter flacher als die ähnlich dimensionierte Limousine A7.
SonntagsBlick durfte in Audis neuem E-Sportler bereits Platz nehmen. Dabei standen an der Seite von Stephan Gsell allerdings nicht die Fahrleistungen des E-Tron GT im Fokus, die ähnlich spektakulär sind wie beim Technikbruder Porsche Taycan. Gsell ist neben seinem Kollegen Rudolf Halbmeir für den Sound des E-Tron GT verantwortlich. Sound bei einem E-Auto? Ja! Jeder neue Stromer muss laut EU-Gesetz einen Warnton bei niedrigem Tempo bis 20 km/h erzeugen – weil die Fahrzeuge sonst schlicht überhört werden.
Ein Rohr als Klangbasis
Leicht war die Aufgabe für die Sounddesigner nicht. «Wir wollten weder einen Benziner imitieren, noch sollte der GT wie ein Raumschiff klingen», erklärt Gsell. «Vielmehr wollten wir einen Sound, der wirklich zum Fahrzeug passt.» Ein technischer Sound für einen technischen Gegenstand, lautete die Zielvorgabe. Und so begannen die Soundspezialisten zu tüfteln: Instrumente wie Geige, E-Gitarre oder Didgeridoo wurden ausprobiert. Synthesizer eingespielt. Technische Gerätschaften verwendet. «Letztlich haben wir im Garten ein langes Kunststoffrohr gefunden, das beim Draufklopfen ein dumpfes Dröhnen von sich gab», führt Stephan Gsell mit einem Schmunzeln aus: «Wir haben das Rohr im Studio vor einen Ventilator gehalten, was ein tiefes Wummern erzeugte. Da wussten wir: Das ist die Soundbasis für den E-Tron GT!»
Im Soundlabor und am Computer entsteht letztlich ein Sample aus 32 unterschiedlichen Klängen, das aber nicht einfach wie ein Musikstück in Endlosschleife abgespielt werden kann. Deshalb mussten die Sounddesigner auch gleich noch das Programm zum Zusammensetzen der Klänge selber schreiben. «Unser Sound entsteht immer wieder neu, indem der Algorithmus die Einzeltöne abmischt und gewichtet – je nach Drehzahl, Gaspedalkennlinie, Last oder Tempo», erklärt Gsell. Wiedergegeben wird der Sound über je einen Lautsprecher unter der Haube und im Heck sowie zwei Innenboxen.
Cooler als jeder Stromer
Während im Modus «Efficiency» einzig der gesetzlich vorgeschriebene Klang über den vorderen Lautsprecher ertönt, setzt auf «Comfort» auch der hintere Klangkörper ein und lässt den Sound so voluminöser erscheinen. Innen gibts das volle Klangerlebnis, wenn der «Dynamic»-Modus aktiviert wird: Nun verwandelt sich das sanfte Surren zu einem kraftvollen, sonoren Sound. Unser Urteil: Cooler klingt bisher kein Stromer!
Doch Audi wäre nicht Audi, müssten die Kunden für dieses spezielle Klangerlebnis nicht auch separat in die Tasche greifen. Wie teuer das optionale Soundpaket bei der Markteinführung Anfang 2021 sein wird? Unklar. Auch darüber, was der E-Tron GT an sich kostet, kann bisher nur spekuliert werden. Der günstigste Porsche Taycan 4S mit 530 PS startet bei 129'000 Franken. Beim E-Tron GT dürfte es also sicher noch etwas mehr sein.