Als Elon Musk 2003 den Elektroautobauer Tesla gründete, waren sich Experten einig: Die E-Mobilität wird sich niemals durchsetzen, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Ausgelacht haben sie den heute 50-Jährigen in den Chefetagen in Wolfsburg, Stuttgart oder Detroit. Doch inzwischen hat Musk Amazon-Boss Jeff Bezos als reichsten Mensch der Welt abgelöst. Und als das erste massentaugliche Tesla Model S aus dem Silicon Valley tatsächlich auf die Strassen rollte, verstummte das Lachen schlagartig.
Das war 2013, und das Elektroauto hatte von heute auf morgen sein Reformhaus-Image abgelegt und galt plötzlich als trendy und cool. Entsprechend machten sich auch die grossen Autokonzerne schleunigst daran, selber in die Entwicklung von Stromern zu investieren. Heute hat jeder grosse Hersteller mindestens ein Elektro-Fahrzeug im Angebot, und im Monatstakt kommen Neue dazu. Der Wandel zur E-Mobilität ist kaum noch zu stoppen – das zeigt auch der Blick auf den Schweizer Automarkt: Mittlerweile ist schon jeder vierte Neuwagen ein reiner Stromer oder ein aufladbarer Plug-in-Hybride.
Tesla ist über 1 Billion Dollar wert
Bei der Qualität sind die Autos von Newcomer Tesla derjenigen der Big Player – allen voran der deutschen Hersteller BMW, Mercedes und Volkswagen – nach wie vor unterlegen. Dennoch kommt es nicht von ungefähr, dass der Marktwert des US-Elektroautobauers vergangene Woche erstmals die magische Marke von einer Billion Dollar überschritten hat, womit Tesla nun um ein mehrfaches über dem Wert der grossen drei deutschen Autokonzerne liegt – und zwar zusammen! Denn wie kein anderer Konzern zuvor hat Tesla verstanden, worum es in Zukunft wirklich geht: die Software hinter dem Auto.
Schon heute werden viele aktuelle Modelle – und das nicht nur von Tesla – alle paar Monate upgedatet, ähnlich wie wir das von unseren Smartphones kennen. Sie erhalten neue Funktionen und auch Sicherheitsfeatures – ganz einfach «Over the Air» via Cloud über einen verbauten Mobilfunk-Chip. Das heisst: Während heute ein Auto von dem Moment an, in dem es das Band im Werk verlässt, stetig veraltet, werden künftige Fahrzeuge mit langlebigen Elektroantrieben mit jedem Update besser.
Software ist gigantischer Kostentreiber
Das stellt nicht nur Garagenbetriebe zukünftig vor riesige Herausforderungen, weil die Fahrzeuge viel seltener als heute eine Werkstatt aufsuchen müssen. Sondern auch die Autobauer: Die Entwicklungskosten für die Software neuer Modellreihen sind schon heute enorm und werden sich in den nächsten zehn Jahren laut Experten gar verdoppeln. Besonders die in Zukunft immer wichtiger werdenden autonomen Fahrfunktionen sind dabei mit fast 50 Prozent ein gigantischer Kostentreiber. Für die Autohersteller bedeutet das nichts weniger als eine grundlegende Neuausrichtung der Unternehmenskultur: vom reinen Automobil- zum Softwareunternehmen.
Autonome Autos, die sich über Lernalgorithmen immer weiter verbessern und den Menschen sicher und jederzeit von A nach B bringen: Diese Vision vom selbstfahrenden Auto ist schon Jahrzehnte alt und schien Anfang der 2010er-Jahre zum Greifen nah. Damals hiess es, die Technologie stehe kurz vor dem Durchbruch – bereits in zehn Jahren werde es möglich sein, zumindest auf Autobahnen das Lenkrad aus der Hand zu geben.
In der Tat wäre die Technik längst bereit: Moderne Autos sind für gewisse Teilstrecken, etwa gut signalisierte Autobahnen ohne Baustellen, schon auf autonomes Fahren ausgelegt – das Auto fährt, lenkt und bremst selbst, der Fahrer übernimmt erst nach Vorwarnung wieder das Steuer. Doch dann häuften sich Probleme, vermeintliche Details erwiesen sich als hohe Hürden. Hinzu kommt die Rechtslage: In der Schweiz muss der Lenker die Hände nach wie vor ständig am Lenkrad haben.
Komplett autonom erst in 20 Jahren
Roland Siegwart (61), Professor für autonome mobile Roboter an der ETH Zürich und eine weltweite Koryphäe im Bereich Robotik, schätzt dennoch, dass schon in rund fünf bis zehn Jahren die autonome Technik abseits der Autobahnen zuverlässig einsetzbar ist. «Ein Fahrzeug kaufen zu können, dem Sie ‘Ich möchte jetzt schlafen!’ sagen, und das Auto fährt Sie autonom an die Destination, sollte etwa 2030 möglich sein», so Siegwart. Komplex werde es allerdings in Umgebungen mit vielen anderen Verkehrsteilnehmern, wie Innenstädten. Die Geschwindigkeit sei dort zwar relativ tief, aber das Risiko, dass plötzlich etwa ein Mensch einfach auf die Strasse läuft, auch erheblich grösser. «Für den nächsten Schritt – komplett autonom überall – braucht es aus meiner Sicht nochmals mindestens zehn Jahre länger», so Roland Siegwarts Prognose.
Autonome Autos, die sich über Lernalgorithmen immer weiter verbessern und den Menschen sicher und jederzeit von A nach B bringen: Diese Vision vom selbstfahrenden Auto ist schon Jahrzehnte alt und schien Anfang der 2010er-Jahre zum Greifen nah. Damals hiess es, die Technologie stehe kurz vor dem Durchbruch – bereits in zehn Jahren werde es möglich sein, zumindest auf Autobahnen das Lenkrad aus der Hand zu geben.
In der Tat wäre die Technik längst bereit: Moderne Autos sind für gewisse Teilstrecken, etwa gut signalisierte Autobahnen ohne Baustellen, schon auf autonomes Fahren ausgelegt – das Auto fährt, lenkt und bremst selbst, der Fahrer übernimmt erst nach Vorwarnung wieder das Steuer. Doch dann häuften sich Probleme, vermeintliche Details erwiesen sich als hohe Hürden. Hinzu kommt die Rechtslage: In der Schweiz muss der Lenker die Hände nach wie vor ständig am Lenkrad haben.
Komplett autonom erst in 20 Jahren
Roland Siegwart (61), Professor für autonome mobile Roboter an der ETH Zürich und eine weltweite Koryphäe im Bereich Robotik, schätzt dennoch, dass schon in rund fünf bis zehn Jahren die autonome Technik abseits der Autobahnen zuverlässig einsetzbar ist. «Ein Fahrzeug kaufen zu können, dem Sie ‘Ich möchte jetzt schlafen!’ sagen, und das Auto fährt Sie autonom an die Destination, sollte etwa 2030 möglich sein», so Siegwart. Komplex werde es allerdings in Umgebungen mit vielen anderen Verkehrsteilnehmern, wie Innenstädten. Die Geschwindigkeit sei dort zwar relativ tief, aber das Risiko, dass plötzlich etwa ein Mensch einfach auf die Strasse läuft, auch erheblich grösser. «Für den nächsten Schritt – komplett autonom überall – braucht es aus meiner Sicht nochmals mindestens zehn Jahre länger», so Roland Siegwarts Prognose.
Laut Claus Gruber, Experte für Automotive Software der Unternehmensberatung Strategy&, werden sich letztlich zwei bis drei neu entwickelte Betriebssysteme, sogenannte Operating Systems (OS), für die automobile Software durchsetzen. «Wir kennen das von unseren Rechnern, auf denen hauptsächlich eines der drei gängigen Betriebssysteme läuft», erklärte Gruber kürzlich im Gespräch mit dem deutschen Medienunternehmen DW: «Oder von unseren Smartphones, wo wir im wesentlichen die Auswahl zwischen zwei Betriebssystemen haben.» Wer eines dieser Betriebssysteme entwickelt, dem winkt in Zukunft das grosse Geld – genauso wie den Software-Schmieden.
Techgiganten drängen in Autobranche
Und genau das erklärt, warum Tesla heute als so viel mehr höher eingeschätzt wird als die etablierten Hersteller: Weil die Kalifornier bei der Software allen anderen um Jahre voraus sind. Kein Wunder hat Konzern-Boss Elon Musk bereits angekündigt, die selbst entwickelte Software für die autonomen Fahrfunktionen bald auch anderen Herstellern zur Verfügung zu stellen – gegen entsprechende Lizenzgebühren natürlich. Und nicht nur Tesla, auch die ebenfalls aus dem Silicon Valley stammenden Tech-Giganten Apple, Google und Microsoft arbeiten längst an entsprechenden Software-Lösungen, um ebenfalls ein Stück des Riesenkuchens zu erhalten.
Der US-Computer-Riese Microsoft ist überzeugt, dass sich Verkehrsfluss, Mobilität und damit auch die Lebensqualität in Städten mit mehr Daten und vor allem offenem Zugang zu diesen Daten verbessern lässt – mit Cloud-Lösungen und neuen Software-Plattformen. Microsoft geht deshalb Partnerschaften mit Autobauern wie VW, Zulieferern wie Bosch und ÖV-Anbietern wie der Londoner Transport-Behörde ein. Letztere erzielte nur dank Datenanalyse und digitaler Signalsteuerung eine Kapazitätssteigerung auf der Victoria Line von fast 40 Prozent. Der Bau einer zweiten Linie hätte den gleichen Effekt gehabt – aber zum x-fachen Preis!
Im Moment dienen Cloud-Lösungen vor allem dazu, Betriebskosten zu senken. Doch durch Analyse des Kundenverhaltens und Abgleich mit anderen Daten sollen Trends vorhergesagt und die Laufwege zu den Autos verkürzt werden. Damit will die VW-Tochter WeShare auf lange Sicht genau das erreichen, was ein Autobauer eigentlich nicht will: Die Anzahl Fahrzeuge in den Städten reduzieren und dafür die wenigen Fahrzeuge besser nutzen. Das Auto verliert aber nicht an Bedeutung, sondern wird als Service genutzt, dessen Preis sich aus zurückgelegter Distanz und Nutzungsdauer zusammensetzt. Dabei sollen intelligente Städte durch offenen Zugang zu allen Daten jeglichen Verkehr von Fussgänger bis ÖV so lenken, dass es immer genug Kapazitäten und keine Wartezeiten gibt – sei es an Ampeln oder Haltestellen.
Der US-Computer-Riese Microsoft ist überzeugt, dass sich Verkehrsfluss, Mobilität und damit auch die Lebensqualität in Städten mit mehr Daten und vor allem offenem Zugang zu diesen Daten verbessern lässt – mit Cloud-Lösungen und neuen Software-Plattformen. Microsoft geht deshalb Partnerschaften mit Autobauern wie VW, Zulieferern wie Bosch und ÖV-Anbietern wie der Londoner Transport-Behörde ein. Letztere erzielte nur dank Datenanalyse und digitaler Signalsteuerung eine Kapazitätssteigerung auf der Victoria Line von fast 40 Prozent. Der Bau einer zweiten Linie hätte den gleichen Effekt gehabt – aber zum x-fachen Preis!
Im Moment dienen Cloud-Lösungen vor allem dazu, Betriebskosten zu senken. Doch durch Analyse des Kundenverhaltens und Abgleich mit anderen Daten sollen Trends vorhergesagt und die Laufwege zu den Autos verkürzt werden. Damit will die VW-Tochter WeShare auf lange Sicht genau das erreichen, was ein Autobauer eigentlich nicht will: Die Anzahl Fahrzeuge in den Städten reduzieren und dafür die wenigen Fahrzeuge besser nutzen. Das Auto verliert aber nicht an Bedeutung, sondern wird als Service genutzt, dessen Preis sich aus zurückgelegter Distanz und Nutzungsdauer zusammensetzt. Dabei sollen intelligente Städte durch offenen Zugang zu allen Daten jeglichen Verkehr von Fussgänger bis ÖV so lenken, dass es immer genug Kapazitäten und keine Wartezeiten gibt – sei es an Ampeln oder Haltestellen.
Natürlich schlafen auch die deutschen Autobauer nicht: BMW bietet in seinen Neuwagen bereits seit drei Jahren das hauseigene Betriebssystem BMW OS 7 an und rüstet die neuesten Elektromodelle mit Version acht aus. Mercedes arbeitet mit Hochdruck an der Plattform MB.OS, die ab 2024 in allen neuen Modellen zum Einsatz kommen soll. Und Volkswagen hat neben den Milliardeninvestitionen in neue Elektro-Modelle in den vergangenen Jahren seine IT-Abteilung auf weit mehr als 10'000 Mitarbeitende aufgestockt, um mit dem selbst entwickelten Betriebssystem VW.OS bald alle Neuwagen ausrüsten zu können. Das Ziel gab Konzern-Chef Herbert Diess schon 2020 vor: Die eigens geschaffene Abteilung Cariad solle nach SAP das zweitgrösste Softwareunternehmen Europas werden. Trotzdem scheut man sich in Wolfsburg nicht davor, auch Kooperationen mit den Big Playern der IT-Branche einzugehen: So arbeitet Volkswagen bereits seit längerem mit Microsoft an einer Automotiven Cloud.
Autobauer müssen Kooperationen wagen
Die Frage stellt sich trotzdem, ob die deutschen Autobauer nicht zusammenspannen sollten, um früher oder später nicht als blosse Hardware-Zulieferer für die dominierenden Tech-Konzerne zu verkommen. Denn ohne Kooperationen werde es in Zukunft sowieso nicht gehen, sagt auch Experte Claus Gruber: «Wir müssen die Ressourcen, die wir haben, und das digitale Talent bündeln. Meine Empfehlung an die Automobilindustrie ist, zukünftig noch mehr zusammenzuarbeiten, mehr das Gemeinsame zu wagen.» Denn sollten sie den Wandel verschlafen, könnte es nicht nur den deutschen Autobauern wie schon vielen anderen Grosskonzernen gehen, die den technischen Wandel verschlafen haben: Sie existieren früher oder später schlicht nicht mehr.