Die automobile Welt von morgen wird nicht nur durch Elektromotoren definiert. Die oft beschworene digitale Transformation fängt mit der Software an. Und da drohen die grossen Autobauer den Anschluss zu verlieren. Die Software-Probleme bei VW Golf 8 und ID.3 sind ein untrügliches Zeichen, dass man auch in der neuen digitalen Welt seine Hausaufgaben machen muss, ehe man ein neues Auto auf den Markt bringt.
Mittlerweile hat man in Wolfsburg die Fehler ausgemerzt und drahtlose Updates für den VW ID.3 aufgespielt. Dazu nimmt der VW-Konzern mit der hauseigenen Softwareschmiede Cariad das digitale Schicksal nun in die eigene Hand. Doch die Konkurrenz in Amerika und mittlerweile auch China schläft nicht. Der Kampf an den Rechnern wird wohl bald unerbittlicher als jener am Fliessband.
Digitale Transformation bringt Erfolg
«Software öffnet uns die Tür zu neuen Business-Modellen», sagt VW-Vertriebsvorstand Klaus Zellmer. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Capgemini werden Autohersteller künftig mit neuen softwarebasierten Funktionen und Diensten einen um neun Prozent höheren Marktanteil erzielen als ihre Wettbewerber. Die softwaregetriebene Transformation werde dazu führen, dass sie in den nächsten fünf Jahren Produktivitätssteigerungen um bis zu 40 Prozent, Kostensenkungen um 37 Prozent und eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit um 23 Prozent realisieren könnten. «Software definiert die Mobilität neu und verändert die gesamte automobile Wertschöpfungskette», unterstreicht Ralf Blessmann, Leiter Automotive Sektor bei Capgemini in Deutschland.
Skeptische Autohersteller
Zu den Funktionen und Diensten, die durch Bits, Bytes und Algorithmen realisiert werden, gehören weiterentwickelte Fahrassistenten, autonome Fahrfunktionen und natürlich die Konnektivität. Damit liessen sich Milliarden verdienen. Doch die weltweit von Capgemini befragten 572 Führungskräfte von Automobilherstellern sind skeptisch. Noch fehle die Reife bei der Software. Rund 71 Prozent der globalen und 53 Prozent der deutschen Unternehmen stecken in der Anfangsphase, wenn es um eigene Software-Plattformen geht.
Um in der digitalen Welt neue Geschäftsmodelle zu generieren, müssen die Autobauer alte Zöpfe abschneiden. Neue Software gibts alle paar Wochen, ein komplett neues Automodell alle acht Jahre. Das lässt sich kaum unter einen Hut bringen. Und genau da hapert es. Gemäss Studie nutzen derzeit 93 Prozent der grossen Hersteller eine traditionelle Fahrzeugarchitektur. Und nur 13 Prozent planen, die Hard- von der Softwarearchitektur zu entkoppeln.
Digitale Transformation birgt Gefahren
Doch wo Software installiert ist, besteht die Möglichkeit, dass sich kriminelle Hacker unerlaubten Zutritt verschaffen. Im Fall eines Autos natürlich besonders heikel, weil eine dysfunktionale Software verheerende Auswirkungen haben kann. Dateneigentum und Cyber-Sicherheit sind äusserst kritische Punkte. Daher erstaunt es, dass gemäss der Capgemini-Studie weniger als zehn Prozent der Autobauer glauben, dass sie gut vorbereitet sind, Cyber-Sicherheitsmassnahmen umzusetzen. Bedenklich: Sogar 60 Prozent haben Schwierigkeiten, sicherzustellen, dass die Produkte von Zulieferern den Sicherheits- und Cyber-Sicherheitsvorschriften entsprechen.
Es ist daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis die grossen Autohersteller aufrüsten und endlich Massnahmen ergreifen, um ihre Autos besser vor kriminellen Hackerangriffen zu schützen. Allerdings enthüllt die Capgemini-Untersuchung auch, dass rund die Hälfte der Autohersteller damit zu kämpfen hat, Daten zu sammeln, um daraus verwertbare Erkenntnisse abzuleiten. Es bleibt noch viel zu tun, bis die Digitalisierung tatsächlich neue Profite bringt.