Reaktionen aufs EU-Verbrennerverbot
«Die Schweiz muss jetzt Farbe bekennen»

Die Reaktionen auf den EU-Parlamentsbeschluss, Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten, fallen unterschiedlich aus. Blick hat sich bei Autobranche und Verbänden umgehört.
Publiziert: 09.06.2022 um 17:34 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2022 um 16:29 Uhr
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Das EU-Parlament sorgt mit seiner Entscheidung, ab 2035 Verbrennermotoren bei Neuwagen zu verbieten, für grosse Aufregung in der Autobranche und bei Verbänden.
Foto: Timothy Pfannkuchen
Raoul Schwinnen

Der EU-Parlamentsbeschluss, alle Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten zu wollen, sorgt für heftige Reaktionen ganz unterschiedlicher Art. Blick hat sich in der Autobranche und bei verschiedenen Verbänden umgehört.

So zeigt sich Andreas Burgener, Geschäftsführer der Auto-Importeursvereinigung Auto-Schweiz, vom Entscheid des EU-Parlaments in Strassburg wenig überrascht. Er wundert sich aber: «Viele Autohersteller bieten bereits vor 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr an. Ein Verbot wäre also gar nicht nötig. Das Verbot ist zudem ein Innovations-Killer. Jetzt wird nicht mehr in die Emissionsabsenkung und Effizienzsteigerung von Verbrennern investiert. Aber Benzin- und Dieselautos, die heute verkauft werden, sind noch in 15 Jahren auf unseren Strassen.»

Mit Blick auf die Elektromobilität fordert Burgener: «Wir brauchen eine Erhöhung der CO₂-armen Stromproduktion. Wir müssen Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge von Mietern und Stockwerkeigentümern schaffen. Und wir brauchen eine öffentliche Ladeinfrastruktur, die diesen Namen auch verdient.» Laden eines E-Autos auf dem Stellplatz müsse so selbstverständlich werden wie Warmwasser in der Mietwohnung.

Dino Graf, Sprecher des grössten Schweizer Importeurs Amag mit den Marken Audi, Cupra, Seat, Skoda und VW, gibt zu bedenken, dass der Entscheid noch kein finaler Beschluss sei. Die einzelnen Staaten müssten diesen erst noch individuell treffen. Graf bedauert, dass es keine Technologieoffenheit gebe, und fordert einen viel schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. «Dazu eine beschleunigte Energiewende und genügend Energie aus erneuerbaren Quellen – auch im Winter.»

Bedauern und Forderungen

Ein Technologieverbot bedauert Thomas Hurter, Zentralpräsident des Automobil Clubs Schweiz ACS und des Schweizer Garagistenverbandes AGVS. Dies sei der falsche Weg. «Es hemmt die Innovation», so Hurter. «Mit diesem Entscheid vergibt man die Möglichkeit, Fahrzeuge in Zukunft mit aus umweltverträglichen, erneuerbaren Energien hergestelltem, synthetischem Treibstoff zu betreiben.» Man vergesse immer wieder, dass für alle anderen Technologien erst neue Infrastrukturen aufgebaut werden müssten (Ladestationen, Wasserstoff-Tankstellen). «Mit synthetischem Treibstoff kann man aber die bestehende Infrastruktur und die bestehenden Fahrzeuge nutzen», sagt Hurter.

Anders Gautschi, Geschäftsführer des Verkehrs-Club Schweiz VCS, zeigt sich erfreut über den Entscheid des EU-Parlaments. Er fordert nun gar, dass unser Land eine Vorreiterrolle übernehmen solle. «Die Schweiz muss jetzt Farbe bekennen und zügig vorangehen. Um die Klimaziele zu erreichen, sollten bereits ab 2030 keine Autos und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und bis 2035 keine schweren Nutzfahrzeuge mehr in Verkehr gebracht werden.» Nur so lasse sich sicherstellen, dass der Fahrzeugbestand bis 2050 weitgehend aus E-Fahrzeugen bestehe, die mit erneuerbarem Strom betrieben würden.

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