Empa-Experte Christian Bach zum Verbrenner-Verbot
«Es gibt Risiken und Nebenwirkungen»

Wir fragen Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa, zum Verbrenner-Verbots-Entscheid des EU-Parlaments.
Publiziert: 09.06.2022 um 13:11 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2022 um 14:28 Uhr
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Das EU-Parlament in Strassburg hat beschlossen, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten.
Foto: Photothek via Getty Images
Interview: Raoul Schwinnen

Blick: Herr Bach, wie beurteilen Sie den Entscheid des EU-Parlaments?
Christian Bach: Das kann gut kommen – muss aber nicht. Denn es gibt einige Risiken und Nebenwirkungen: Elektroautos machen punkto CO₂-Emissionen nur im Betrieb mit erneuerbarer Energie Sinn. Woher die erneuerbare Elektrizität kommen soll, ist aber sehr offen. Die EU hat 3000 mit fossiler Energie betriebene Kraftwerke – schon nur um den stationären Elektrizitätsverbrauch zu decken, sind enorme Anstrengungen erforderlich. Zudem sind die Stromnetze in vielen EU-Ländern nicht für eine derart schnelle Elektrifizierung ausgelegt – zumal man ja überall auch gleichzeitig den Wärmebereich elektrifizieren will. Eine weitere Frage ist, ob die Rohstoffversorgung für die Herstellung der Batterien (diese kommen primär aus China/Asien) in diesem Tempo hochgefahren werden kann. Insgesamt wäre es dann nicht das erste Mal, dass sich die Realität nicht an einen Plan hält …

Ist ein Verbrenner-Verbot nötig? Die Branche reagiert ja selbst – und erst noch schneller.
Im möchte präzisieren: Es handelt sich nicht um ein Verbrenner-Verbot, sondern es ist geplant, den CO₂-Zielwert auf 0 g/km zu setzen. Wasserstoff-Verbrenner sind dann beispielsweise immer noch möglich. Aus CO₂-Sicht wäre es aber wichtiger, die fossile Energie zu verbieten, die Antriebe aber offen zulassen. Denn mit erneuerbarer Energie betriebene Verbrenner sind gleich sauber, wie mit erneuerbarer Energie betriebene Elektroautos. Mit dem Entscheid ist die Auto-Industrie bei Umwelt- und Klimathemen jedoch 'aus dem Schneider', den sogar Behördenvertreter sprechen teilweise vom 'klimaneutralen Auto', wenn es batterieelektrisch angetrieben ist. Die Autoindustrie wird aber in nächster Zeit mit grosser Sicherheit sehr lautstark nach einem stark beschleunigten und subventionierten Ausbau des Stromnetzes und der Lade-Infrastrukturen schreien. Ob das wirklich klappt, wird sich zeigen.

Dann bedeutet diese EU-Entscheidung nicht auch das Aus für synthetischen Treibstoffe?
Nein, im PW-Bereich werden synthetische Treibstoffe sowieso nur eine Nebenrolle spielen (zum Beispiel für Oldtimer, Bestandsfahrzeuge, Anhängerfahrzeuge). Bei Langstrecken- und Lastanwendungen im Strassen-, Schiffs- und Luftbereich, bei Baumaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen und Spezialfahrzeugen und für Hochtemperaturprozesse im Industriebereich bleiben synthetische Treibstoffe unverzichtbar. Aber auch Elektrofahrzeuge kommen nicht ohne synthetische Energieträger aus – wie sonst wollen wir im Winter grünen Strom bereitstellen?

Denken Sie, dass noch Ausnahmen zum EU-Entscheid beschlossen werden?
Ich gehe davon aus, dass der Entscheid in dieser Form nicht vollständig umsetzbar sein wird. In der Schweiz vielleicht schon, aber in vielen EU-Ländern nicht. Wir sehen aber die CO₂-Reduktion in einem ganzheitlichen Kontext beziehungsweise steht die Erreichung des Netto-Null-CO₂-Ziels im Vordergrund, nicht ein Sektor- oder Länderziel (können auch einfach durch Verschiebung von CO₂-Emissionen erreicht werden), oder technologische/ideologische Ziele.


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