Österreich und andere Länder wollen Tempolimit anheben
Europa tritt aufs Gas, die Schweiz bremst ab

In Österreich wird über eine Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnen diskutiert – in Tschechien und den Niederlanden ist sie auf gewissen Abschnitten schon bald Realität. In der Schweiz jedoch werden wir den Fuss eher vom Gas nehmen müssen – aus gutem Grund.
Publiziert: 08:58 Uhr
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Aktualisiert: 11:48 Uhr
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Die noch heute in der Schweiz gültigen Tempolimits wurden 1985 eingeführt. Vorübergehend, wie es hiess, um das Waldsterben zu verhindern.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Tempolimit-Erhöhung in verschiedenen Ländern Europas geplant
  • Tschechien und Niederlande testen höhere Geschwindigkeiten auf Autobahnen ab 2025
  • Schweiz plant Tempo 80 auf bis zu 2380 Autobahnkilometern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Freie Fahrt für freie Bürger! Der Slogan, mit dem der deutsche Automobil-Club ADAC nach Ende der Ölkrise 1974 gegen drohende Tempolimits auf Autobahnen warb, wird in Autofahrer-Kreisen bis heute gern als Ausdruck persönlicher Freiheiten ins Feld geführt – nicht nur in Deutschland. Denn während beim nördlichen Nachbarn auch im Jahr 2025 auf vielen Autobahnstrecken kein generelles Tempolimit gilt, sondern nur eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, wird dem Vorwärtsdrang der Autofahrer in fast allen Ländern Europas eine klare Grenze gesetzt: Meist gilt eine Maximalgeschwindigkeit von 120 oder 130 km/h (auch interessant: Warum die Schweiz Tempolimits hat).

Umso erstaunlicher wirken die Pläne, die im Rahmen der vorerst gescheiterten Regierungsverhandlungen zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen ÖVP in Österreich bekannt geworden sind. Als eine der ersten verkehrspolitischen Massnahmen stand eine Erhöhung des Tempolimits auf ausgewählten Teilabschnitten der Autobahnen im Raum. So hätte auf insgesamt 65 Kilometern die Höchstgeschwindigkeit von heute üblichen 130 zu Testzwecken auf 150 km/h angehoben werden sollen. Das Ziel: Daten sammeln, ob höhere Tempi die Verkehrsflüsse verbessern, ohne die Sicherheit oder Umweltstandards erheblich zu beeinträchtigen. Ähnliche Tests hatten bereits 2018 mit einem Tempolimit von 140 km/h stattgefunden, wurden 2020 aber beendet.

Tschechien und Niederlande preschen vor

Doch während die Pläne in Österreich aufgrund der politischen Krise erst mal auf Eis gelegt sein dürften, preschen zwei andere europäische Länder vor: In Tschechien und in den Niederlanden sollen ab Sommer 2025 die Höchstgeschwindigkeiten auf gewissen Autobahnabschnitten erhöht werden – ebenfalls vorerst zu Testzwecken. In Tschechien von aktuell 130 auf 150 km/h, in Holland von heute tagsüber geltenden 100 auf 130 km/h. Auf jedem Abschnitt soll dann analysiert werden, ob die Erhöhung keinen wesentlichen negativen Einfluss auf Umweltauflagen wie Luftqualität oder Lärmemissionen sowie die Verkehrssicherheit hat.

Dass die geplante Erhöhung auf breite Kritik von Umwelt- und Verkehrsorganisationen stösst, ist abzusehen. Laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ), dem Pendant des Schweizer VCS, hätte eine Erhöhung des Tempolimits einen Anstieg des klimaschädlichen CO2-Ausstosses um 19 Prozent und der gesundheitsschädigenden Stickoxide um 44 Prozent auf den betroffenen Abschnitten zur Folge. Verlängerte Bremswege würden zudem das Unfallrisiko erhöhen, der Verkehrslärm die Anwohner belasten und der steigende Spritverbrauch die Kosten für Autofahrer erhöhen. Die Einschätzungen des VCÖ werden auch vom renommierten Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien geteilt. Greenpeace kritisiert die Pläne als «rückwärtsgewandte Verkehrspolitik».

Tempo 80 wird das neue 120

Auch in der Schweiz wurde in jüngerer Vergangenheit über eine Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnen diskutiert. 2020 reichte SVP-Nationalrat Erich Hess die Motion «Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 km/h anheben» beim Bundesrat ein – wie zwei Jahre zuvor schon sein Fraktionskollege Jean-Luc Addor. Beide Motionen wurden abgelehnt: «Tempo 130 statt 120 auf Autobahnen führt zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit», urteilte der Bundesrat. «Dies, weil die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrzeugen auf der Normal- und Überholspur noch grösser werden und die Abstände zwischen den Fahrzeugen entsprechend zunehmen müssen. Zusätzlich führt die geforderte Tempoerhöhung zu einer Zunahme von Strassenlärm und CO2-Emissionen. Beides widerspricht der geltenden Umwelt- und Energiepolitik.»

Dass in der Schweiz legal je wieder schneller als Tempo 120 gefahren werden darf, ist kaum vorstellbar. Stattdessen könnte die Höchstgeschwindigkeit zu Stosszeiten bald dauerhaft heruntergesetzt werden. Laut Bundesamt für Strassen (Astra) hätte sich Tempo 80 in Tests als ideales Limit erwiesen, um den Verkehr möglichst gut zu verflüssigen. «In ein paar Jahren werden wir wahrscheinlich nicht umhinkommen, während der Stosszeiten im Mittelland flächendeckend Tempo 80 anzuordnen, um Dauerstaus zu verhindern», stellte Astra-Direktor Jürg Röthlisberger schon Ende 2023 gegenüber dem «Tages-Anzeiger» klar. Bis 2026 sollen bis zu 2380 Kilometer der Schweizer Autobahnen über die nötige Infrastruktur wie fixe Signalisationsanlagen verfügen – ab dann soll das neue Tempo-Regime flächendeckend gelten.

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