Es ist das Horrorszenario eines jeden Autofahrers: Nach dem Einkauf im Supermarkt schleppen wir die Taschen Richtung Auto. Doch wo eben noch das Vehikel stand, ist nur noch ein leerer Parkplatz vorzufinden. Ungläubig suchen wir die Reihen ab – doch weit und breit fehlt jede Spur. Haben Autodiebe zugeschlagen?
Heute ist es für Langfinger besonders einfach, ein Auto zu stehlen, wenn es über ein sogenanntes Keyless-Go-System verfügt: Dabei muss der Schlüssel nur im Hosensack mitgeführt werden, um Türen und Kofferraum zu öffnen oder zu schliessen – auf dieses Komfort-Extra verzichten heute die wenigsten Kundinnen.
Kaum Vorwissen nötig
Für Diebe ideal: Denn sie brauchen kein fundiertes Wissen zum Hacken oder Entschlüsseln von Daten, sondern nur einen frei und legal erhältlichen Reichweiten-Verlängerer, mit dem sie die Autos blitzschnell öffnen und danach wegfahren können, ohne Spuren zu hinterlassen. Solche Geräte sind für rund 100 Franken im Elektronikhandel erhältlich.
Für dieses fast perfekte Verbrechen kann sich ein Dieb mit seinem Gerät mehrere Meter neben dem Autoschlüssel befinden. Sein Komplize steht mit dem zweiten Gerät in der Nähe der Autotür – die Funksignale können dabei laut deutschem Automobilclub ADAC über Hunderte von Metern verlängert werden. Das funktioniere sogar dann, «wenn der Schlüssel im Haus liegt oder der Besitzer im Biergarten sitzt mit dem Schlüssel in der Hosentasche», erklärt der ADAC gegenüber dem Fachmagazin Auto Motor & Sport.
Keine Einbruchspuren
Ist der Motor des überbrückten Fahrzeugs erst einmal gestartet, läuft er so lange weiter, bis der Tank oder bei E-Autos der Akku leer ist. Besonders fies: Weil keine Einbruchspuren hinterlassen werden, können die Bestohlenen sogar in den Verdacht des Versicherungsbetrugs geraten, wenn das geklaute Auto später mit leerem Tank aufgefunden wird.
Schutz gegen den Trick bieten Etuis, welche die Funkwellen der Schlüssel blockieren. Allerdings muss der Fahrer den Schlüssel dann immer aus der Tasche fummeln und anschliessend wieder wegstecken, was das Keyless-System quasi sinnlos macht. Bei vielen Fahrzeugen lässt sich die Keyless-Funktion komplett deaktivieren – auch das ist für die meisten Kunden wohl eine unbefriedigende Lösung.
Nur wenige Autos diebstahlsicher
Deutlich besser: ein Keyless-Go-System mit Ultra-Wide-Band-Technik (UWB). UWB-Chips messen die Entfernung von Schlüssel zu Auto. Kommt ein Reichweiten-Verlängerer eines Autodiebs zum Einsatz, merkt das System, dass die Entfernung nicht mehr stimmt und hält das Auto geschlossen. Aber: Von den vom ADAC über die letzten Jahre über 500 untersuchten Fahrzeugen verfügen lediglich 24 über Keyless mit UWB-Technik!
Als erster Grossserien-Hersteller verbaut Jaguar Land Rover bei all seinen Modellen seit 2018 den sicheren Anti-Diebstahl-Schutz. Auch einige Modelle aus dem Volkswagen-Konzern – etwa Audi A3 und A5 G-Tron, Cupra Formentor, Seat Leon, Skoda Octavia und einige VW-Modelle – sind mit UWB-Technik ausgestattet. Bei allen anderen Herstellern kommt das System, wenn überhaupt, nur bei einzelnen Modellen zum Einsatz. In der kompletten Liste des ADAC können Sie überprüfen, ob ihr Auto vor dem Keyless-Diebstahl geschützt ist.
ADAC-Test: Diese 24 untersuchten Modelle verfügen über UWB-Technik
Automarke | Modell | Erstzulassung |
Audi | A3 | 07/2020 |
BMW | iX xDrive | 09/2021 |
Cupra | Formentor | 02/2021 |
Jaguar | E-Pace D180S AWD | 09/2018 |
Jaguar | i-Pace | 04/2018 |
Land Rover | Defender | 09/2021 |
Land Rover | Discovery | 03/2018 |
Land Rover | Range Rover | 02/2018 |
Land Rover | Range Rover | 05/2019 |
Mercedes | S500 | 11/2020 |
Seat | Leon | 02/2020 |
Seat | Leon | 04/2021 |
Skoda | Enyaq | 03/2021 |
Skoda | Octavia | 08/2020 |
Skoda | Octavia | 09/2020 |
VW | Caddy | 12/2020 |
VW | Golf 8 | 11/2019 |
VW | Golf 8 | 07/2020 |
VW | Golf 8 Variant | 10/2020 |
VW | Golf 8 | 02/2021 |
VW | ID.3 | 07/2020 |
VW | ID.4 GTX | 07/2021 |
VW | Polo | 09/2021 |
Kunden sind die Dummen
Fazit: Den Forderungen von Automobilclubs wie ADAC oder auch TCS, die Elektronik der Automodelle systematisch abzusichern, wie dies in vielen IT-Bereichen bereits Standard ist, sind die meisten Hersteller bis heute nicht nachgekommen. Wenn es tatsächlich zum Diebstahl kommt, sind die Kundinnen und Kunden die Dummen.