Totgesagte leben länger. Eigentlich schien es, als wäre Maserati dem Dauerrivalen Ferrari unterlegen. Die beiden italienischen Sportwagenmarken liegen nur einen Steinwurf auseinander und bekriegten sich in den 1950er- und 1960er-Jahren auf der Rennstrecke und der Strasse. Doch während Ferraris schwarzes Pferd im Logo immer höher springt, wurde Maseratis Dreizack zuletzt matt und stumpf. Besonders bitter: Mit Ghibli, Quattroporte und Levante macht Maserati zwar gute Geschäfte, aber die Motoren für die drei Modelle kommen von Ferrari.
Doch damit ist jetzt Schluss! Mit dem MC20 hat Maserati nicht nur einen Supersportwagen vorgestellt, der diese Bezeichnung mehr als verdient, die Italiener haben auch den Motor dafür selbst entwickelt. Und um diesen Dreiliter-V6 auch selber bauen zu können, musste Maserati die nötige Infrastruktur im Stammwerk Modena komplett neu aufbauen. Das dürfte zu einem grossen Teil der Mutterkonzern Fiat Chrysler Automobiles (FCA) bezahlt haben.
Der erste seiner Art
Damit löst sich Maserati bei der Motorenproduktion nicht nur von Ferrari, sondern düpiert den Dauerrivalen gleich mit seinem Erstlingswerk. Denn der V6 hat etwas, das kein anderer Motor für Strassenfahrzeuge hat: eine sogenannte Vorkammereinspritzung. Das sorgt für mehr Leistung und Effizienz und wird nicht nur schon von schweren Diesel-LKW eingesetzt, sondern auch in der Formel 1. Und wer hat die Technik in der Königsklasse des Motorsports vorangetrieben? Genau, Ferrari! Aber auch Mercedes muss hier erwähnt werden.
Dass jetzt ausgerechnet Maserati dieses Verbrennungssystem bei Strassen-Sportwagen einführt, dürfte vor allem Ferrari wurmen. Immerhin ist es «nur» ein V6, so bleiben Ferrari noch die V8- und V12-Motoren. Ein schwacher Trost für die «Roten», wenn sie die Leistungsdaten des Maserati-Mittelmotorsportlers studieren: Mit Vorkammer- und Doppeleinspritzung, Doppelzündung und zwei Turboladern bringt es das Triebwerk auf 630 PS (463 kW). Das bedeutet: 210 PS pro Liter Hubraum – kein anderes Fahrzeug im Segment bietet mehr. Zudem bietet das Aggregat imposante 730 Nm Drehmoment.
Erst der Anfang
Kein Wunder, dass Maserati die Technologie bereits zum Patent angemeldet hat. Denn sie ist skalierbar und kann selbst bei einem Zweilitermotor zum Einsatz kommen. So dürfte Maserati die Vorkammereinspritzung mittelfristig in allen Motoren anbieten. Was den MC20 nicht nur zu Maseratis neuem Aushängeschild, sondern auch zum technischen Vorreiter macht. Bei einer Sprintzeit von weniger als 2,9 Sekunden auf Tempo 100 und einem Topspeed von über 326 km/h darf er gerne noch viele ähnlich rasante Nachkömmlinge haben.
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Aber auch die restliche Technik wird einem echten Supersportler gerecht. Voll-Karbon-Chassis, extrem ausgefeilte Aerodynamik mit hohem Abtrieb, 8-Gang-Doppelkupplungsautomatik, Sperrdifferential – auf Wunsch elektronisch geregelt – und ein Fahrwerk mit sogenannten virtuellen Lenkern. Dabei holte sich Maserati Unterstützung beim Rennwagenbauer Dallara. Das Resultat: Der MC20 bringt nur 1470 Kilogramm auf die Waage. Das ist weniger als ein Porsche 911 und etwa so viel wie der Ferrari 488 GTB.
Ein Hauch von Nichts
Ein weiterer Grund für dieses tolle Kampfgewicht ist der spartanische Innenraum. Statt feinen Edelhölzern gibt es Karbon, statt opulentem Leder rennsportliches Alcantara und statt einer Flut aus Schaltern einen 10,25 Zoll grossen Touchscreen. Dazu dem Zeitgeist entsprechend digitale Instrumente. Die bekannte Liebe zum Detail stellt Maserati mit dem aus Alu gefrästen Controller für die Sportmodi unter Beweis.
Die Produktion startet noch dieses Jahr, doch der MC20 kann schon jetzt bestellt werden. Die Preise starten bei 211'950 Franken. Ebenfalls schon klar ist, dass der MC20 auch als offener Spyder und als reine Elektroversion kommen wird.