Neuer Lamborghini
So fährt sich der schnellste Huracan

Mit dem STO (Super Trofeo Omologata) krönt Lamborghini seine Huracan-Baureihe. Wir sind den Supersportler mit Heckantrieb auf der Rennstrecke gefahren – und sind beeindruckt.
Publiziert: 31.07.2021 um 11:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2021 um 11:15 Uhr
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STO bedeutet Super Trofeo Omologata – und STO heisst auch der neue Lamborghini Huracan.
Foto: ZVG
Wolfgang Gomoll

Denken Sie bei der italienischen Bezeichnung Cofango auch eher an eine gemeinsame Massage mit Schlammpackungen als an ein Teil aus dem Automobilbau? Tatsächlich setzt sich Cofango aus den Worten Parafango (Kotflügel) und Cofano (Motorhaube) zusammen. Und bezeichnet im Lamborghini-Duktus das Element des Vorderwagens, das gegenläufig nach vorn hochklappt und aus Motorhaube und den Kotflügeln besteht. «Beim Huracan STO wollten wir möglichst viel Gewicht sparen», erklärt Lamborghini-Technikchef Maurizio Reggiani, der angeblich Urheber dieser Namensschöpfung ist.

Mission gelungen. Der Huracan wiegt mit 1339 Kilogramm noch mal 43 Kilo weniger als der Huracan Performante 4x4, der auch schon alles andere als ein Schwergewicht ist. Zur Diät des Supersportlers tragen diverse Massnahmen bei. So besteht unter anderem die Karosserie zu über 75 Prozent aus Karbon, dazu kommen Magnesiumfelgen und eine um 20 Prozent leichtere Windschutzscheibe. «Die Rennsportabteilung war bei der Entwicklung des neuen STO eingebunden», erklärt Reggiani und fügt martialisch an: «Der Huracan STO ist gemacht, um die Strasse zu dominieren.»

Monströser Heckflügel

Markige Worte. Doch 640 PS (470 kW) und ein Leistungsgewicht von 2,09 kg pro PS lassen erahnen, dass Reggiani nicht zu viel verspricht. Damit die Kraft optimal auf die Strasse gelangt, gibts eine hecklastige Gewichtsverteilung von 41 zu 59 Prozent sowie einen monströsen Heckflügel, der in drei Stufen eingestellt werden kann. Auf Maximaleinstellung erzeugt er bei 280 km/h einen Abtrieb von 420 Kilogramm. Dazu dienen weitere clevere Details an der Karosserie für bessere Aerodynamik und Kühlung. «Beim Huracan STO trifft das Konzept Form follows function zu», erklärt Designer Mitja Borkert.

Es verschlägt uns kurz den Atem

Heute muss der Rennsportler mit Strassenzulassung auf der Rennstrecke beweisen, was er kann. Wir zwängen uns in die Sportsitze, ziehen den Gurt stramm und starten den Huracan mit dem üblichen Prozedere: Rauf auf die Bremse, Bügel hochklappen und den darunterliegenden Knopf drücken. Dumpf grollend erwacht der mächtige 5,2-Liter-Zehnzylinder zum Leben. Das Lamborghini-typische Flugzeugcockpit mit den digitalen Anzeigen stellt uns vor keinerlei Probleme.

Wir rollen im STO-Modus, dem zahmsten der drei Fahrprogramme, auf die Rennstrecke. Und stellen schon nach den ersten Runden fest, dass die Automatik des Siebengang-Doppelkupplungs-Getriebes für entspanntes Mitschwimmen im Verkehr gemacht ist. Aber nicht fürs Sprinten auf einem Rundkurs oder einer kurvigen Landstrasse. Dafür wählt die Automatik in Kurven stets einen zu hohen Gang. Manuell geschaltet gehts aus Kurven aber so vehement ab, dass es uns kurz den Atem verschlägt – besonders im brutalsten Trofeo-Modus.

Perfekt zum Kurvenwedeln

Wir lassen jetzt den in 3,0 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigenden Huracan STO fliegen. Aufgrund des höheren Anpressdrucks schafft er maximal 310 km/h. Doch dieses Tempo erreichen wir nicht mal auf der Start-Ziel-Geraden. Egal, die wirkliche Stärke des Huracan ist ohnehin das Wedeln. Beeindruckend, wie flink der Hecktriebler in enge Kurven einlenkt und selbst bei sehr hohen Kurventempi kaum zum Untersteuern neigt. Ein Resultat des verbesserten Fahrwerks mit variablen Dämpfern, der veränderten Vorspur und des angepassten Sturzes.

Die eigens von Bridgestone für dieses Auto entwickelten Potenza-Reifen, die man als Semi-Slicks (haben wir aufgezogen) oder Sportreifen bei der Bestellung ordern kann, helfen bei der Traktion. «Wenn sich der Reifen verformt, vergrössern wir die Kontaktfläche», erklärt Bridgestone-Techniker Lorenzo Mariti einen Kniff der japanischen Gummiköche. Und Lamborghini-Ingenieur Victor Underberg unterstreicht die Bedeutung der Pneus: «Wenn der Reifen nicht gut genug ist, taugt das beste Auto nichts.»

Spezielle Keramikbremsen

Auch beim Bremsen zeigt der Sportbolide keine Schwäche und steht aus 100 km/h bereits nach 30 Metern. Für diese beeindruckende Verzögerung sorgen Brembo-Keramikbremsen, die dank F1-Technik um 60 Prozent stressresistenter sind als herkömmliche Keramikbremsen. Zur Sicherheit wird der Zustand der Bremsen zudem auch im Display angezeigt.

Dass ein derart auf Leistung getrimmtes Sportfahrzeug keine Sänfte ist, dürfte klar sein. Aber der Lamborghini Huracan STO ist auch nicht für lange Reisen, sondern fürs Spassfahren gemacht. Entsprechend knapp ist mit 38 Liter auch der Kofferraum unter der Fronthaube. «Aber ein Helm passt rein», sagt Designer Mitja Borkert schmunzelnd. Und wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, ist ab 339’000 Franken dabei.

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