China gilt als Land, das die Elektromobilität pusht wie kaum ein zweites. Umso erstaunlicher, dass das erste Modell der neuen Edeltochter Arcfox des Auto-Riesen BAIC mit einem Elektroantrieb «Made in Austria» unterwegs ist. Wie bitte? Ja, federführend für die Entwicklung des Antriebs des Sport-SUVs Alpha T ist Magna Steyr aus Graz.
Wahlweise gibts mehrere Versionen des Mittelklasse-SUV mit Front- oder Allradantrieb sowie verschiedene Leistungsstufen und Akkugrössen. Das Topmodell ist ein Elektro-Allradler, der 435 PS (320 kW) und ein maximales Drehmoment von 720 Nm leistet. Kein Wunder, dass es auf der Teststrecke von Magna nach dem Einsteigen losgeht wie bei der Feuerwehr. Aus dem Stand spurtet der Elektro-Crossover in 4,6 Sekunden auf Tempo 100. Die Spitze wird aus Energiespargründen bei 180 km/h abgeriegelt.
Kraft ist nicht alles
Beim Antrieb ist das Gesamtpaket trotz der knapp 2,3 Tonnen Leergewicht und spürbarer Nick- und Wankbewegungen im Grenzbereich allemal überzeugend, denn angesichts der beiden starken E-Motoren von jeweils 160 kW an Vorder- und Hinterachse hat der Arcfox Kraft im Überfluss, die aufgrund der ausgewogenen Kraft- und Gewichtsverteilung sowie der 20-Zöller auch bei ambitioniertem Tempo nicht verpufft.
Dennoch macht der Arcfox während der Testfahrt keinen Hehl daraus, dass er vornehmlich für den Heimmarkt China entwickelt wurde. Das Fahrwerk ist betont komfortabel ausgelegt, und die Dämpfer lassen sich nicht wie bei seinen europäischen Konkurrenten je nach Fahrsituation anpassen – besonders bei sportlicher Fahrweise müssten sie deutlich straffer sein. Gleiches gilt für die Lenkung, die wenig Rückmeldung von der Fahrbahn vermittelt und sich gerade bei höheren Tempi zu leichtgängig anfühlt.
Ausgehend vom Normverbrauch von 17,4 kWh/100 km sollte der Alpha T mit dem grossen 99,2-kWh-Akku rund 600 Kilometer ohne Nachladen schaffen. Ist der Akku leer, kann am Schnelllader mit maximal 100 kW in 36 Minuten von null auf 80 Prozent gefüllt werden – kein Topwert für ein neues E-Auto, aber noch im ordentlichen Bereich.
Premium-Cockpit mit kleinen Makeln
Von aussen macht der Alpha T einiges her, doch auch im Innenraum kann der SUV überzeugen. Das Platzangebot für bis zu fünf Personen ist durch den 2,90 Meter langen Radstand top und die verarbeiteten Materialien sind allemal auf dem Niveau der europäischen Konkurrenz: Leder, Alcantara und wertige Kunststoffe überall – mit zwei Ausnahmen. Die Unterseite der Armaturentafel und ein schmales Element in den Türtafeln bestehen aus wenig ansehnlichem Hartplastik. Bleibt abzuwarten, ob Arcfox hier zum europäischen Serienstart noch nachlegt und diese kleinen Makel beseitigt.
Doch abgesehen davon ist der Eindruck: Premiumniveau. Das gilt auch für die drei grossen Displays, von denen das mittige Infotainment-Display bis weit hinüber zum Beifahrer reicht. Hier lassen sich viele Funktionen per Touch oder Geste bedienen, Elemente zum Beifahrer herüberschicken oder Ansichten wechseln. In der Chinavariante kann zum Beispiel der Bereich vor und hinter dem Fahrzeug wie mit einer Dashcam während der Fahrt aufgenommen werden. Ein solches Display würde aktuell in der Klasse Bestmarken setzen. Die Klimatisierung geschieht über das grosse Display darunter, das an den Audi E-Tron erinnert. Der Laderaum hat ein Volumen von 464 Litern, der sich durch Umklappen der Rückbank vergrössern lässt.
Preis wird entscheidend sein
Zum Schluss bleibt die Frage: Hat der Arcfox Alpha T eine Chance, gegen die europäische Konkurrenz wie Audi E-Tron Sportback, BMW iX3, Mercedes EQC, Jaguar I-Pace oder Porsche Macan (ab 2023 neu elektrisch) anzukommen? Design und technischen Rahmenbedingungen passen, doch zunächst gilt es, die namenlose Marke zu positionieren. Niemand kennt Arcfox, und das muss sich ändern, will man hier Erfolg haben.
Sonst dürfte es BAIC mit seinem Premium-SUV nicht besser als den anderen China-Marken, die bisher keine Marktchance haben, ergehen. Zudem wird einmal mehr der Preis die Musik machen. Ein voll ausgestattetes Topmodell wie der Arcfox Alpha T dürfte wohl ab rund 65'000 Franken kosten – damit wäre er gegen die internationale Konkurrenz ein echtes Schnäppchen.