Diese Woche gab der Zürcher Stadtrat die flächendeckende Einführung von Tempo 30 in Zürich bekannt. Gilt diese tiefe Höchstgeschwindigkeit derzeit auf rund 37 Kilometern, sollen nun mit der dritten Etappe 150 weitere Strassenkilometer hinzukommen. Die Umsetzung des neuen Verkehrskonzepts wird voraussichtlich bis zum Jahr 2030 dauern (Lesen Sie hier: Europas Städte verbannen die Autos).
Hauptgrund für die Temporeduktion: Heute leben rund ein Drittel der Stadtzürcher Bevölkerung, also rund 100'000 Personen, an einem Ort, an dem der Strassenlärm zu laut ist. Werde das Maximaltempo von 50 auf 30 km/h reduziert, nehme der Verkehrslärm um drei Dezibel ab. Dies entspreche in der Wahrnehmung einer Halbierung der Verkehrsmenge.
Doch was bedeutet die flächendeckende Einführung von Tempo 30 für Autos, Velos, E-Bikes und Fussgänger? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen:
Welche Bussen drohen in Tempo-30-Zonen?
An der Höhe der Busse wird sich auch mit der Ausweitung von Tempo 30 auf Stadtgebiet nichts ändern. Die Busse steigt bei einer Überschreitung etappenweise: Bei 1–5 km/h sind 40 Franken fällig, bei 6–10 km/h 120 Franken und bei 11–15 km/h 250 Franken. Ab 16 km/h zu schnell gibt es eine Verwarnung, ab 21 km/h eine Verzeigung und ab 40 km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit kommt das Rasergesetz zum Zug. Dann drohen je nach Schwere ein bis vier Jahre Gefängnis.
Müssen sich auch Velos ans Tempolimit halten?
Grundsätzlich ja. Doch im Gegensatz zu Autofahrern gibt es bei Velos keinen konkreten Bussenkatalog mit abgestuften Tarifen. Velofahrerinnen und -fahrer können nur aufgrund unangepasster Geschwindigkeit sanktioniert werden. Ob eine solche Situation vorliegt, muss im Einzelfall vom Richter beurteilt werden. Zwar gelten für Velos gewisse Freiheiten im Strassenverkehr – man darf beispielsweise rechts an einer Autokolonne vorbeifahren. Ein Freibrief für rüpelhaften Fahrstil ist das aber nicht: Werden andere Verkehrsteilnehmer wie Fussgänger gefährdet, kann man zivilstrafrechtlich belangt werden (Lesen Sie hier: So gefährlich sind E-Bikes wirklich).
Können Velos in der 30er-Zone geblitzt werden?
Ja, Radargeräte blitzen auch Velos. Im Gegensatz zu Automobilisten müssen die Bikerinnen aber nicht mit Post von der Polizei rechnen. Fahrräder und 25er-E-Bikes müssen keine Nummer tragen und können durch die Polizei so auch nicht zugeordnet werden. Und selbst Fahrer von schnellen E-Bikes (45 km/h), die hinten gut sichtbar eine gelbe Nummer tragen und beim Strassenverkehrsamt registriert sind, müssen nicht mit Busse rechnen. Denn laut Gesetz brauchen Velos und E-Bikes keinen Tacho, weshalb Fahrer nicht wissen können, wie schnell sie genau unterwegs sind.
Welchen Einfluss hat die Tempoanpassung auf den ÖV?
Dort, wo Tempo 30 nicht nur nachts verhängt wird, ist auch der öffentliche Verkehr vom strengeren Temporegime tangiert. Konkret heisst das: Können Trams und Busse nicht auf eigenen Fahrbahnen verkehren, müssen wegen der tieferen Geschwindigkeit mehr Fahrzeuge eingesetzt werden – die Kosten steigen. Der Stadtrat hat bis zur Klärung der Frage, ob der ZVV für die Mehrkosten aufkommen muss, für die Fahrplanperiode 2022/2023 die erforderliche Überbrückungsfinanzierung sichergestellt.
Haben Fussgänger in Tempo-30-Zonen immer Vortritt?
Klare Antwort: Nein. Fussgänger dürfen in einer Tempo-30-Zone zwar die Fahrbahn überqueren, wo sie wollen, da es dort keine Fussgängerstreifen gibt. Sie haben aber keinen Vortritt. Anders verhält es sich in sogenannten Begegnungszonen, wo die Höchstgeschwindigkeit 20 km/h beträgt. Hier haben Fussgänger immer Vortritt. Sie dürfen die Fahrzeuge aber nicht unnötig behindern.
Gibt es andere Schweizer Städte mit ähnlichen Plänen?
Neben Zürich will auch Winterthur ZH fast die ganze Stadt zur 30er-Zone machen. In Bern sind heute bereits knapp zwei Drittel des Strassennetzes, ausgenommen die Autobahn, verkehrsberuhigt. Auch in Luzern sind es laut Angaben der Stadt etwa 60, in Basel 56 Prozent. Lausanne VD führt als erste Stadt der Schweiz nach erfolgreichen Pilotversuchen ab September schrittweise auf fast dem gesamten Stadtgebiet während der Nacht eine 30-km/h-Begrenzung ein. Auch Genf, Freiburg und St. Gallen haben ähnliche Ziele.