Mehr Modelle mit Alternativantrieb als Selbstzünder verkauft
Ist der Diesel tot?

In der Schweiz wurden dieses Jahr bisher mehr Autos mit alternativen Antrieben als Diesel-Fahrzeuge verkauft. Was wird aus dem einstigen Hoffnungsträger Diesel?
Publiziert: 06.10.2020 um 16:57 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2020 um 09:44 Uhr
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Ist der Diesel tot? Bis vor wenigen Jahren galt der Diesel mit geringem Verbrauch und vertretbaren Anschaffungskosten als Wundermittel zur Senkung der CO2-Emissionen.
Foto: Werk
Martin A. Bartholdi und Stefan Grundhoff

Vom Held der Nation zum grossen Buhmann. Fast jede Sportlerin hat dieses Wechselbad der Gefühle schon durchlebt. So ist es in den letzten zehn Jahren auch dem Dieselmotor ergangen.

Zuerst galt der Diesel als grosser Heilsbringer, um die CO2-Ziele zu erfüllen. So sollte er den Klimawandel aufhalten, ohne unsere Mobilität einzuschränken. Mit dem 2015 bekannt geworden VW-Abgasskandal geriet er aber in Verruf. Diskussionen um Feinstaubwerte, Stickoxide und drohende Fahrverbote setzen den Diesel weiter unter Druck.

Rückläufige Verkaufszahlen

Diese Entwicklung lässt sich bei den Verkaufszahlen der letzten zehn Jahre gut nachvollziehen. In der Schweiz stieg der Diesel-Anteil von 32,9 Prozent im Jahr 2011 bis 2016 auf einen Höchstwert von 39,2 Prozent. Seither hat der einstige Heilsbringer massiv an Boden verloren und steht heute schlechter da als vor zehn Jahren. Im laufenden Jahr wurden nur 23 Prozent aller Neuwagen mit Dieselantrieb verkauft. Damit hat er beispielsweise weniger Marktanteil als alle alternativen Antriebe zusammen: Elektroautos, Voll- und Plug-in-Hybride sowie Erdgas- und Wasserstoff-Autos machen nach neun Verkaufsmonaten dieses Jahres 24,1 Prozent aller Neuwagen aus.

Ein Ende dieser Talfahrt ist nicht in Sicht. Einer der wichtigsten Verkaufstreiber für den Diesel waren bisher die boomenden SUV. Vor allem bei den grossen Modellen ist der Selbstzünder die effizienteste und ökonomischste Motorisierung, weil er den Verbrauch trotz des hohen Gewichts und des schlechten Luftwiderstandes in Grenzen hält. Aber obwohl die SUV weiterhin boomen und jedes Jahr massiv Marktanteile gewinnen, befindet sich der Dieselanteil in freiem Fall.

Diesel-Angebot wird kleiner

Einerseits wächst vor allem die Anzahl von City- und Kompakt-Crossovern, die auch mit einem Benziner sparsam unterwegs sind. Aber auch bei den grossen SUV findet ein Umdenken statt: BMW nimmt bei X5 und X7 den Top-Diesel aus dem Programm und Audi steigt bei SQ7 und SQ8 von Diesel auf Benzin um. Während aber immer noch Selbstzünder-Versionen im Angebot bleiben, gehen japanische Marken noch einen Schritt weiter. Toyota und Honda haben den Diesel bei den PW ganz aus dem Programm genommen. Einzige Diesel-Ausnahmen bei Toyota sind die Nutzfahrzeuge Land Cruiser und Hilux.

Auch bei Nissan und Volvo ist das Ende des Selbstzünders nur noch eine Frage der Zeit. Aktuelle Modelle wie der X-Trail oder der XC90 werden zwar noch mit Diesel verkauft, aber bei den Nachfolgern fliegt er zugunsten von Hybrid-Versionen mit Benzinern und E-Motoren aus dem Programm. Selbst die Diesel-Hausmarke Mercedes (erster Diesel-PW 1936 und erste Turbodiesel-PW 1978) denkt um. Daimler-CEO Ola Källenius (51): «Der Diesel ist noch immer eine sinnvolle Alternative, die wir noch lange haben werden und technologisch auf dem neuesten Stand halten. Aber richtig ist auch, dass es für ihn auf dem Weg der Elektrifizierung enger wird.»

Elektro statt Diesel

Mildhybride und vor allem Plug-in-Hybride dürften den Diesel in den nächsten Jahren vollständig verdrängen. Denn mit einem Plug-in-Hybrid (PHEV) lassen sich die CO2-Ziele leichter und günstiger erfüllen. Statt einer komplizierten Abgasreinigung mit Harnstofflösung verbauen die Hersteller einen kleinen E-Motor und einen einfachen Akku. Weil so ein Grossteil des Testzyklus rein elektrisch gefahren wird, kann der CO2-Ausstoss auf einen Bruchteil reduziert werden. Zumindest auf dem Prüfstand werden die so möglichen Fabelwerte erreicht. Aber: Wer konsequent an der heimischen Steckdose nachlädt, kann einen Grossteil seines Alltags rein elektrisch fahren – mit null Spritverbrauch. Denn inzwischen schaffen alle PHEVs rund 40 Kilometer nur mit Strom.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Hersteller nicht mehr in die Entwicklung des Diesels investieren wollen. Vor allem, weil Europa, abgesehen von Indien, der einzige Markt ist, wo der Diesel einen namhaften Marktanteil hat. Im Rest der Welt ist der Diesel unbedeutend. Deshalb halten sich US-Hersteller mit Diesel-Modellen zurück, mit wenigen Ausnahmen wie Cadillac, und steigen die asiatischen Hersteller wieder aus. Der steigende Kostendruck und die hohen Investitionen in die Elektromobilität dürften auch die europäischen Hersteller dazu zwingen, ihr Diesel-Engagement zu überdenken.

Bald auch der Benziner?

Aber auch beim Benzinmotor dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er ausgedient hat. Mercedes hat jetzt schon die Entwicklung neuer Motoren eingestellt. Die Stern-Marke wird die aktuelle Motoren-Generation nur noch auf dem neusten Stand halten, bis sich die Elektromobilität durchsetzt. Wann das so weit ist? In 15 bis 20 Jahren dürften die meisten elektrisch unterwegs sein. Zumindest will der US-Bundesstaat Kalifornien ab 2035 keine Benzin- und Dieselautos mehr zulassen. Und beim Volkswagen-Konzern startet 2026 die letzte Verbrennerplattform. Anhand von heutigen Modellzyklen dürften damit 2040 die letzten VW-Verbrenner vom Band laufen.

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