85 Franken für ein Mal vollladen?! Ich muss mich verlesen haben und schaue ein zweites Mal die Abrechnung in meiner Swisscharge-App an. Nein, es stimmt. 85.04 Franken wurden mir für 82,197 kWh Strom verrechnet. Das ist teurer als ein Diesel- oder Benzinauto vollzutanken, mit denen ich erst noch deutlich weiter fahren kann. Wie ich mich als Elektro-Autofahrer fühle? Ganz einfach: Abgezockt!
Was ist passiert? Als BLICK-Autoredaktion haben wir immer mehr Elektroautos im Test, vor allem, seit das Stromer-Angebot geradezu explodiert. Deshalb haben wir im Büro eine Wallbox installiert, um die Fahrzeuge während der Arbeit laden zu können. Zu Hause ist das – wenn überhaupt – an den normalen Haushaltssteckdosen möglich. Allerdings: Das ist unpraktisch und dauert ewig.
Auf öffentliche Ladestationen ausweichen
Und so stellte sich mit Ausbruch der Pandemie und dem Dienst im Homeoffice plötzlich die Frage: Wo laden wir die Akkus unserer Elektrotestwagen wie Peugeot e-2008, Opel Corsa-e oder Mercedes EQC und Porsche Taycan? Ich suchte nach öffentlichen Ladestationen in der Nähe meines Wohnorts und wurde beim Schloss Laufen ZH am Rheinfall fündig. Also stöpselte ich dort den Porsche Taycan an einer Gofast-Schnellladestation über Nacht ein.
Am nächsten Morgen dann der oben erwähnte Preisschock. Ich schaute mir die Abrechnung genauer an: Der Strom hat zwar nur knapp 24 Franken gekostet, jede Stunde an der Gofast-Ladestation aber zusätzlich sechs Franken. Macht bei zehn Stunden über Nacht: 60 Franken! Ich hatte mich sogar extra für die langsamere Lademöglichkeit entschieden, weil ich wusste, dass das Auto die ganze Nacht dort stehen würde.
Nur kurze Stehzeiten
Das soll es aber nicht, erklärt Gofast-Geschäftsführer Domenic Lanz: «Wir zocken die E-Auto-Fahrer nicht ab. Aber wir haben bewusst dieses Zeitelement. Gofast konzentriert sich aufs typische Schnellladen, das 20 bis 40 Minuten dauert.» Auch an einem Touristen-Hotspot wie dem Rheinfall? «Da der Standort nahe der Autobahn ist, sind das vor allem Kunden auf der Durchreise, die 20 bis 30 Minuten laden. Die Rheinfall-Besucher, die zwei bis drei Stunden bleiben, laden nicht bei uns, sondern bei den langsameren AC-Ladestationen gleich nebenan.» Bei diesen kostet die Stunde noch zwei Franken.
Habe ich die Ladesäule also falsch genutzt? Ich sei jedenfalls nicht der einzige, räumt Lanz ein. «Vor allem neue E-Autofahrer kennen die Feinheiten der verschiedenen Ladegeschwindigkeiten nicht und werden von den Kosten überrascht.» Für uns wenig erstaunlich: Die Blockiergebühr von sechs Franken pro Stunde ist extrem gut versteckt. Ich finde sie (und den Stromtarif) nur in der App des Ladeanbieters, in meinem Fall Swisscharge. Dort muss ich entsprechende Ladesäule auswählen und dann noch auf den richtigen Stecker klicken, um die Preise zu sehen.
Preise besser kommunizieren
«Die Transparenz ist ein Problem, vor allem beim Preismodell in Laufen», gibt Lanz zu. «Wir nutzen es auch praktisch nicht mehr, weil für den Kunden vor Ladebeginn schwer abschätzbar ist, wie hoch die effektiven Kosten des Ladevorgangs sein werden.» Gibts also auch bei Ladesäulen bald grosse Tafeln mit transparenten Preisen wie bei Benzintankstellen? «Eher weniger, wir müssen ja nicht alles kopieren. Aber wir überlegen uns beispielsweise, mit einem Parkschild die maximale Parkzeit anzugeben. Bei den Schnellladern wäre das wahrscheinlich eine Stunde.»
Lanz kann sich auch vorstellen, dass erst nach Ablauf dieser Frist ein Zeitelement wie die sechs Franken pro Stunde als Blockiergebühr verrechnet wird. «Es ist ein Prozess. Wir und auch unsere Kunden lernen. Wir versuchen uns ständig zu verbessern, um so gut wie möglich auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen zu können.»
Eines ist allerdings klar: An öffentlichen Ladestationen laden wird nie so günstig sein wie zu Hause an der Wallbox. Es sollte aber auch nicht teurer sein als ein voller Tank Benzin – sonst ist es definitiv Abzocke.