«Eine Firma ist wie ein Mensch. Treibt sie Sport, ist sie durchtrainiert, begeisterungsfähig und leistungsfähig.» Dies sagte 1972 der legendäre Schweizer Automanager und damalige BMW-Vorstand Bob Lutz (90) als Taufspruch zur Gründung der BMW Motorsport GmbH. Heute heisst sie BMW M GmbH, ist aber immer noch genauso durchtrainiert, begeisterungsfähig und leistungsfähig wie vor 50 Jahren. Zum exklusiven Jubiläums-Interview trafen wir Franciscus «Frank» van Meel (56), der 2015 seine BMW-Karriere als Geschäftsführer der Sporttochter M GmbH startete und seit Ende 2021 als Vorsitzender der Geschäftsführung wieder ihr oberster Chef ist.
Herr van Meel, wie viele Punkte haben Sie in Flensburg?
Franciscus van Meel: Null.
Wie machen Sie das? Sie fahren täglich die schönsten und stärksten Autos …
Es ist wie im Motorsport: Man muss einen guten Blick für seine Umgebung haben.
Sitzen Sie viel am Steuer?
Ja, pro Jahr fahre ich zwischen 25'000 und 30'000 Kilometer.
Und immer M-Fahrzeuge?
Nein. Privat nutzen wir auch einen VW-Bus – wegen unserer sechs Kinder. Momentan fahre ich aber oft den BMW iX – und viele Fremdfabrikate. Ich erlebe gerne auch die Konkurrenz.
Der Niederländer Franciscus «Frank» van Meel (56) kam von Audi und begann 2015 seine BMW-Karriere als Geschäftsführer bei der BMW-Sporttochter M GmbH, war ab 2018 verantwortlich für die Entwicklung Gesamtfahrzeuge bei BMW, leitete ab 2019 die Produktlinie Luxusklasse BMW und kehrte Ende 2021 als Vorsitzender der Geschäftsführung wieder zur M GmbH zurück. Van Meel ist verheiratet und hat sechs Kinder.
Der Niederländer Franciscus «Frank» van Meel (56) kam von Audi und begann 2015 seine BMW-Karriere als Geschäftsführer bei der BMW-Sporttochter M GmbH, war ab 2018 verantwortlich für die Entwicklung Gesamtfahrzeuge bei BMW, leitete ab 2019 die Produktlinie Luxusklasse BMW und kehrte Ende 2021 als Vorsitzender der Geschäftsführung wieder zur M GmbH zurück. Van Meel ist verheiratet und hat sechs Kinder.
Der M GmbH gehts zu ihrem 50. Jubiläum ausgezeichnet. Wie kommt das?
M ist eine sehr starke Marke. Der Kunde muss heute nicht mehr entscheiden, ob er eine Serienlimousine oder einen Sportwagen will – bei uns erhält er beides in einem. Zudem ist M sich seit 1972 absolut treu geblieben: Motorsport und M gehörten immer zusammen, weshalb die M-Fahrzeuge über die Motorsportgene «Agilität», «Präzision» und «Dynamik» verfügen. Nur mit so einer Historie und absoluter Kontinuität schafft man es, eine starke Marke wie M aufzubauen und auf hohem Niveau zu halten.
Und die Einführung der «M Performance»-Fahrzeuge ...
... brachte uns gerade in den letzten Jahren starkes Wachstum. Wir hatten festgestellt, dass zwischen dem stärksten Serienfahrzeug und einem M noch viel Luft war – beim Preis und bei der Performance. Es gibt viele Kunden, die wollen ein bisschen mehr Leistung und Fahrdynamik, als es das Serienauto mitbringt – aber nicht so extrem in Richtung Motorsport gehen, wie es die puren M-Fahrzeuge tun.
Welche M-Modelle bieten Sie zurzeit an?
In Sachen High Performance sind wir sehr strikt – man kann nicht aus jedem BMW ein High-Performance-Fahrzeug machen. Das macht auch keinen Sinn. Also bieten wir zurzeit M2, M3, M4, M5, M8, dazu X3 M, X4 M, X5 M, X6 M und demnächst den XM an. Bei den «M Performance»-Modellen haben wir ein breiteres Portfolio, da sind die Bedürfnisse auch anders.
Welches ist der Bestseller?
Klar der M3. Der Shootingstar ist aber der i4 M50, unser erstes rein elektrisches «BMW M Performance»-Modell. Es scheint viele Neukunden zu geben, die genau auf dieses Auto gewartet haben.
Auch M wird eines Tages nur noch elektrische Autos anbieten. Können Sie damit Ihre Kunden halten?
Wir haben bereits vor einigen Jahren unsere Kunden gefragt, was sie davon halten, wenn wir nur noch rein elektrische Autos bauen würden. Die Antwort von fast allen: Egal, was für einen Antrieb ihr einbaut – Hauptsache, es fährt sich wie ein M. Klar gibts V8-Freunde, die wir verlieren, wenn es so was bei uns nicht mehr gibt. Aber die meisten wissen, dass wir uns treu bleiben. Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung beim M3. Den gabs erst als Vierzylinder, dann mit Sechszylinder-Sauger und schliesslich als Hochdrehzahl-V8-Sauger. Also jeweils mehr Kraft, aber auch mehr Gewicht.
Dann kam der Turbo ...
... und eine Riesenentrüstung der Fans, weil angeblich kein Sound mehr da war. Aber letztlich haben wir vom M3 und M4 damit mehr verkauft als je zuvor. Jetzt kommt 4x4 obendrauf – und schon bei der Ankündigung sagten Kritiker, das Auto werde nicht mehr um die Ecken wieseln können. Wir entgegneten: Der M xDrive wird ein Hecktriebler mit mehr Traktion – und so kam es auch. Trotz unterschiedlicher Konzepte hat der M3 die Kunden also jedes Mal überzeugt. So wird es auch beim Elektroantrieb sein. Wir sind da unser eigener grösster Feind, denn ein rein elektrischer M3 muss besser werden als der gerade auf den Markt gekommene Wagen. Das wird für uns eine harte Nuss.
Wie wollen Sie fehlenden Verbrennersound ersetzen?
Sound ist auch künftig ein Teil des Emotionalisierungspakets. Beim E-Auto sitzen die Emotionen allerdings zuerst im Fahrpedal – Stichwort «Throttle Response», also die Spontanität des Antriebs auf den Gasbefehl. Beim E-Antrieb ist das der Wahnsinn, perfekt für eine ultimative Drift-Machine. Tatsächlich ist Sound bei Verbrennermotoren ein wichtiger Faktor, der in den letzten Jahren aber durch Geräuschemissionsgesetzgebung und andere Regularien stets weiter zurückgedrängt wurde.
Also künstlicher Sound, der nach innen abstrahlt?
Das ist ein Thema. Wenn ich sportlich oder sogar Rennstrecke fahre, erwarte ich Feedback über Akustik und Drehzahl, was ein E-Auto ohne Hilfe nicht bieten kann. Da weiss ich nie, wie schnell ich bin – es gibt ja kaum Zeit, mal auf den Tacho zu schauen. Für diese akustische Rückmeldung müssen wir eine Lösung finden.
Welche?
Kann ich noch nicht sagen. Aber Sie wissen ja, dass wir mit dem berühmten Filmmusikkomponisten Hans Zimmer zusammenarbeiten, der hat immer coole Ideen.
Aktuell werden Ihre Fahrzeuge mit fast jedem Update stärker. Machen immer mehr PS noch Sinn?
Ich habe mich bei einer Antwort auf die gleiche Frage schon mal vertan. Da habe ich nicht geglaubt, dass man noch mehr PS braucht – und das ist eine Weile her. Es gibt aber den Wettbewerbsdruck, wo bestimmte «Magic Numbers» erreicht werden müssen. Und dem können auch wir uns nicht ganz entziehen. Das Wichtigste aber ist das Gesamtfahrzeugkonzept, das muss optimal sein. Wenn noch mehr Leistung zu noch mehr Gewicht führt, werde ich langsamer statt schneller. Das macht keinen Sinn. Bei E-Autos kommt jetzt zum Beispiel das Thema Hochvoltspeicher hinzu – spannende Zeiten …
Ab wann wird die M GmbH im Designprozess eines neuen BMW-Modells involviert?
Sind neue Fahrzeuge in Planung und wir wissen, das soll auch ein M werden, begleiten unsere Designer das Projekt gleich mit. Natürlich etwas zeitversetzt, weil der Grundkörper erst mal existieren muss.
Ihr jüngstes und gleichzeitig erst das zweite komplett von M entwickelte Fahrzeug, der XM, erntete viel Kritik für sein «aggressives» Design. Wie reagieren Sie darauf?
Die Kritik kam nur aus Deutschland, die anderen Märkte waren total begeistert. Die Heimat ist mit diesem Produkt aber nicht unser Ziel, sondern die USA. Ich würde das Design nicht aggressiv, sondern expressiv nennen. Wir wollen mit dem Auto etwas schaffen, was es so noch nie gegeben hat. Wofür es aber eine deutliche Nachfrage gibt, die in Richtung Mercedes G-Klasse und Lamborghini Urus zielt. Das Ganze aber elektrifiziert mit bis zu 80 Kilometern elektrischer Reichweite. Also: ein Plug-in-Hybrid mit starkem E-Anteil. Und es wird kein Verzichts-Elektroantrieb unter der Karosserie stecken, das verspreche ich.
Wie gross ist das Thema Individualisierung?
Der Kunde kann so ziemlich alles bekommen, nur keine Karosserieänderungen. Am häufigsten werden Individualfarben nachgefragt, wenn jemand das Auto passend zur Krawatte, zur Yacht, zum Nagellack oder zur Handtasche haben will. Innen gehts um Leder, Nähte und Prägungen. Jemand bestellte mal einen Dach-Sternenhimmel und Türblätter mit Diamanten. Die Produktion war kein Problem, die Auslieferung dagegen schon: Das Interieur war weit mehr wert als das Auto, deshalb musste es extra versendet werden und konnte aus Sicherheitsgründen erst am Zielort komplettiert werden.
Ein halbes Jahrhundert BMW M muss gefeiert werden. Zum 50. Geburtstag erscheint ein neues Standardwerk über die Sportler aus München. Akribisch recherchiert und mit umfassendem Bildmaterial unterfüttert, zeichnen Experte Roland Löwisch und Sylvain Reisser die aussergewöhnliche Firmengeschichte der sportlichen BMW-Tochtergesellschaft nach.
Heel Verlag, 69 Euro (ISBN 978-3-96664-367-2)
Ein halbes Jahrhundert BMW M muss gefeiert werden. Zum 50. Geburtstag erscheint ein neues Standardwerk über die Sportler aus München. Akribisch recherchiert und mit umfassendem Bildmaterial unterfüttert, zeichnen Experte Roland Löwisch und Sylvain Reisser die aussergewöhnliche Firmengeschichte der sportlichen BMW-Tochtergesellschaft nach.
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Wo sehen Sie die M GmbH in zehn und fünfzig Jahren?
In zehn Jahren werden höchstwahrscheinlich alle M-Fahrzeuge elektrisch fahren. Sie werden typisch M sein, und es wird eine ähnliche Anzahl an Modellen geben wie jetzt. In fünfzig Jahren steht M immer noch für Motorsport, ebenso wie die Fahrzeuge, die auch dann noch für das typische M-Smile im Gesicht sorgen, wenn man aussteigt. Ich habe aber keinen Schimmer, was wir dann alles in den Autos zum Beispiel als Antrieb verbaut haben – Wasserstoff? Brennstoffzelle? Flux-Kompensator? Sicher ist, die Emotionalität im Automobil bleibt bestehen, die Magie des Buchstabens M und Freude am Fahren wird eher noch zunehmen.
Trotz der schwierigen Zeiten, die das Automobil zurzeit durchmacht?
Nicht trotz, sondern wegen.