Zu kleine Akkus, keine Ladeinfrastruktur
Deshalb haben es Elektro-Töffs schwer

Bei Neuwagen sind Elektro-Antriebe längst nicht mehr wegzudenken und der Verbrenner wird mittelfristig zum Auslaufmodell. Doch wann beginnt endlich auch bei den Motorrädern das Elektro-Zeitalter?
Publiziert: 26.02.2023 um 16:03 Uhr
|
Aktualisiert: 26.02.2023 um 16:04 Uhr
1/13
Mit 2835 Exemplaren waren 15,7 Prozent des gesamten Roller-Marktes 2022 elektrisch angetriebene Roller.
Foto: UweRattay
Kim Hüppin

Die Schweiz hat prozentual zur Bevölkerung die höchste Pro-Kopf-Dichte an Motorrädern in ganz Europa. Mehr als eine halbe Million Motorräder war im Jahr 2022 gemäss der Schweizerischen Fachstelle für Motorrad und Roller (SFMR) eingelöst. Dazu kommt noch eine Viertelmillion Roller und Motorfahrräder. Der Löwenanteil wird dabei noch ganz klassisch mit Verbrennungsmotoren angetrieben.

Denn: Während auf dem PW-Markt der Elektroantrieb massiv Aufwind hat, macht er im Töffmarkt nur einen winzigen Bruchteil bei den Neueinlösungen aus. Unter den 229'403 im Jahr 2022 eingelösten Neuwagen verfügten 17,7 Prozent über reinen Elektroantrieb – ein Zuwachs von rund 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch im Gegensatz dazu waren nur 1,6 Prozent der neu zugelassenen Motorräder solche mit Elektro-Antrieb.

Das städtische Zweirad wird elektrisch

Während der Elektroantrieb schon seit rund fünfzehn Jahren Schritt für Schritt in PWs Fuss fasst, steckt sie im Zweiradbereich noch in den Kinderschuhen. In urbanen Gegenden mit kurzen Strecken und niedrigen Geschwindigkeiten sind Stromscooter schon vertreten. Reichweite und Leistung spielen hier eine kleine Rolle. Die Produktpalette von Anbietern aus Japan, China und Europa ist bereits breit. Auch Zustellfahrzeuge von Herstellern wie Kyburz und Vengo gehören in der Agglomeration längst zum Strassenbild. Mit kleinen austauschbaren und an externen Ladestationen aufladbaren Akkus benötigen sie auch keine langen Ladepausen.

Mit 2835 Exemplaren waren 15,7 Prozent des Schweizer Scooter-Marktes 2022 bereits elektrisch angetrieben. Im Verhältnis zum Vorjahr eine Zunahme von deutlichen 61 Prozent. Und obwohl E-Roller bis 45 km/h teurer sind und weniger Reichweite bieten als ihre Benzin-Pendants. Durchschnittlich schaffen sie zwischen 70 und 100 Kilometer in städtischer Umgebung mit einer Batterieladung.

Motorrad ist nicht gleich Auto

Doch bei den Motorrädern sind elektrische Antriebe noch dünn gesät. Das mag einerseits an persönlichen Vorlieben liegen: So wie mancher Autofahrer bis heute noch mit dem lautlosen E-Antrieb fremdelt und Reichweitenangst gegen ihn ins Feld führt, dürften auch viele Töfffahrer Sound und Fahrgefühl eines Verbrenner-Töffs an E-Motorrädern vermissen. Viel entscheidender ist aber ein technisches Problem: Konstruktionsbedingt bietet ein Motorrad deutlich weniger Platz für einen Akku als ein PW. Hinzu kommt das Gewicht der Batterie als weitere Herausforderung.

Und schliesslich stellen sich für Töfffahrer Probleme mit der Ladeinfrastruktur, die aber anders gelagert sind als für die Autofraktion. Denn: Ein Töff ist in erster Linie Hobby statt Fortbewegungsmittel im Alltag. Doch während an Autobahnen längst zahlreiche Schnelllader zur Verfügung stehen, fehlt bei Überlandtouren in einsamen Berggegenden und auf dem Land oft selbst eine simple Lade-Steckdose. Für Weekend-Ausflüge und Pässetouren zählt also die Reichweite. Bei Top-Modellen unter den E-Töffs wie der Harley Davidson LiveWire oder der Verge TS stehen zwischen 150 und 300 Kilometer rein elektrische Reichweite im Datenblatt. Doch sie reduzieren sich über Land schnell einmal auf 100 oder weniger Kilometer.

Kleine Akkus, grosser Speicher

Deshalb fehlen derzeit noch attraktive E-Motorräder für einen breiteren Kundenkreis. Das überschaubare Angebot an Elektro-Motorrädern können ob der vergleichsweise hohen Preise nur zahlungskräftige Kundinnen nutzen. Diese Elektro-Töffs taugen fürs tägliche Pendeln zur Arbeit – aber noch nicht für die Ganztagestour in die Schweizer Berge. Eine Lösung könnte ein Akku-Wechselsystem sein – doch dazu müssten sich die Hersteller auf einen gemeinsamen Stecker-Standard einigen.

Unternehmen wie E.Battery Systems im österreichischen Wolfurt arbeiten bereits an kleinen und leichten Batterien mit optimierten Fähigkeiten zur Rekuperation. Lässt sich viel Energie beim Bremsen zurückgewinnen, lässt sich im Stadtverkehr mit ständigem Stop-and-Go die Reichweite im Alltag auf gut 150 Kilometer strecken. Doch das hilft wenig beim kontinuierlichen Fahren über Land. Erst wenn effizientere, raum- und gewichtssparende Batterien zur Verfügung stehen, werden Töfffahrer in grösserem Masse zum Umsteigen bereit sein.

Nach derzeitigem Stand bleibt den Töff-Herstellern dafür immerhin noch mehr Zeit als der Autoindustrie. Denn der Gesetzestext zum gerade beschlossenen Verbrennerverbot der Europäischen Union ab 2035 erwähnt Motorräder mit keinem Wort.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?