Ruedi Steck organisiert FIM-World-Record-Event
Schweizer bringt Töff-Highspeed-Rennen nach Europa

Erstmals in Europa veranstaltet der Schweizer Rekord-Jäger Ruedi Steck von 22. bis 24. September 2023 in Deutschland einen FIM-World-Record-Event für Motorräder. Dabei soll die 400 km/h-Grenze fallen.
Publiziert: 07.05.2023 um 11:05 Uhr
1/19
Ruedi Steck ist achtfacher Weltrekordhalter und einer der schnellsten Schweizer Töfffahrer der Welt.
Foto: zvg.
RMS_Portrait_948.JPG
Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Sie sind ein verrücktes Volk. An World Speed Trials gehen Highspeed-Rekordpilotinnen und -piloten mit über 400 km/h schnellen Zweirädern in unterschiedlichen Kategorien auf die Jagd nach Temporekorden. Vermutlich noch eine Spur verrückter als alle anderen ist der achtfache Weltrekordhalter Ruedi Steck aus dem Zürcher Unterland. Noch mit inzwischen 61 Jahren fährt er aktiv um Töff-Temporekorde mit. Und er will die vor allem in den USA populäre Sportart jetzt bei uns in Europa bekannt machen.

Seit 1912 tummelt sich die Zweirad-Speedszene vor allem auf den ausgetrockneten Salzseen von Bonneville im US-Staat Utah, etwa 190 Kilometer westlich von Salt Lake City an der Grenze zu Nevada. Auf der rund 20 Kilometer langen, topfebenen Unterlage auf 1250 Meter über Meer fanden furchtlose Töffpiloten bislang ideales Gelände für ihre atemberaubenden Tempo-Rekordfahrten über eine gemessene Meile (1,61 km). Doch der Klimawandel geht auch an Bonneville nicht spurlos vorbei. Der jahrzehntelange Salzabbau und zuletzt wiederholt auftretende El-Nino-Wetterkapriolen zerstören die Unterlage zusehends.

Kilometerlange Beschleunigung

Aber alternative Austragungsorte sind rar. Denn Land Speed Races über eine Meile benötigen Platz – konkret eine gut 20 Kilometer lange, schnurgerade und ebene Piste. «Man muss sich vorstellen», erklärt Experte Steck, «dass alleine die Beschleunigungsphase fünf bis acht Kilometer dauert – also einmal den ganzen Hallwilersee entlang». Erst danach wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine Messstrecke von einer Meile (rund 1,61 km) gemessen. Und danach brauchts wieder eine genügend lange Brems- und Auslaufzone.

Vor fünf Jahren organisierte Steck in Australien schon mal erfolgreich einen von der obersten Motorradbehörde FIM abgesegneten Land-Speed- Racing-Anlass. Und auch in Bolivien auf dem grössten Salzsee Salar de Uyuni fanden schon Highspeed-Events statt. «Doch Australien ist für die Teilnehmer logistisch kompliziert und sehr teuer. Und in Bolivien ist der geringere Sauerstoffanteil auf einer Höhe von 3600 Meter über Meer für Rennfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ohne Turbo- oder Kompressoraufladung und Lachgas-Injektion ungünstig», weiss Steck.

Asphalt- statt Salzunterlage

Und so bastelte der Zürcher Tausendsassa weiter an seinem Traum, die Szene nach Europa zu bringen. Nach intensiver Suche fand er im Osten Deutschlands mit dem Lausitz-Ring in Brandenburg, rund 115 Kilometer südöstlich von Berlin, eine ideale Motorsport-Anlage. «Die vor 23 Jahren auf einem zugeschütteten ehemaligen Braunkohle-Abbaugebiet angelegte Asphaltpiste ist für unsere Bedürfnisse ideal. Sie erlaubt uns, auf der von der Motorsportbehörde FIM reglementarisch vorgeschriebenen maximal zwei Meilen, also 3219 Meter langen Strecke, ein Short-Distance-World-Records-Rennen mit fliegendem Start über eine Viertelmeile auszutragen.»

Vorletzte Woche absolvierte Steck auf seiner 180 PS starken KTM Super Duke 1290 Evo gemeinsam mit der deutschen Highspeed-Pilotin Nina Prinz (40) auf einer voll verschalten, getunten Suzuki GSXR 1000 erste Tests auf der Strecke am Lausitz-Ring. Und beide waren begeistert. «Asphalt statt einer ausgetrockneten Salzseepiste bietet nicht nur mehr Grip, sondern ist auch fürs Material schonender. Zudem liegt die Piste nur 120 Meter über Meer, leicht versenkt und von Bäumen geschützt. Daher ist sie deutlich weniger windanfällig als es die offenen Gelände in Bonneville, Bolivien oder Australien sind. Und die Logistikkosten mit dem Materialtransport zur Strecke sind für uns Europäer massiv günstiger,» rührt Steck für seine Veranstaltung in Europa die Werbetrommel.

400-km/h-Marke soll fallen

Ideale Verhältnisse schüren natürlich die Erwartungen. «Klar möchte ich im September in der Lausitz die 300-km/h-Grenze knacken», sagt Steck und grinst. In Australien sei ihm das vor fünf Jahren mit 293 km/h und technischen Problemen knapp nicht gelungen. Steck hofft, dass bei idealen Witterungsbedingungen Teilnehmer mit voll verschalten Bikes oder Drag-Bikes vielleicht sogar die 400-km/h-Marke knacken könnten. Was muss ein World-Speed-Trials-Pilot für Voraussetzungen mitbringen? «Körperliche Fitness ist für Temporekorde sicher entscheidend. Aber fast noch wichtiger ist mentale Stärke», antwortet der drahtig wirkende Steck bescheiden. Und ergänzt lächelnd: «Wenn sich der bei 300 km/h stark pendelnde Töff allein durch den Tempounterschied zwischen dem Vorder- und dem durchdrehenden Hinterrad wie auf Eiern fährt, sind vor allem starke Nerven gefragt.»

Traum vom Streamliner

Die sogenannten Streamliner, Königsklasse der World Speed Trials, die in Bonneville auf der 20 Kilometer langen Piste über die Meile schon mal Tempi gegen 600 km/h erreichen, dürften beim Anlass in der Lausitz nicht dabei sein. «Dafür ist unsere Piste viel zu kurz.» Doch beim Thema Streamliner gerät Steck ins Träumen. «Meine Fahrten mit der KTM Super Duke sollen eigentlich nur aufzeigen, wozu der Motor fähig ist.» Aber er plant schon den Bau eines Streamliners mit einem getunten Super-Duke-Antrieb. Stolz zeigt er uns ein erstes Modell seiner Idee. Ob Ruedi Steck diesen gemeinsam mit einem Partner entwickelten Streamliner tatsächlich noch selbst fährt, lässt er offen. «Ich bin nicht mehr der Jüngste.», sagt der 61-Jährige augenzwinkernd. Doch sein jüngster Sohn Robin (20) scheint die Faszination und die Highspeed-Gene geerbt zu haben und möchte vielleicht dereinst in die Fussstapfen seines Vaters treten.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?