Lamborghinis Kultboliden Countach und Diablo im Test
Fantastische Teufelskerle

SonntagsBlick besucht das vor zehn Jahren gegründete Polo Storico von Lamborghini in Norditalien. Dabei tauchen wir bei zwei Fahrten in den Kultmodellen Countach und Diablo in die Welt der italienischen Sportwagen-Klassiker ein.
Publiziert: 15.12.2024 um 10:20 Uhr
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Einst standen alte Lamborghini wie dieser Miura bei irgendwelchen Autohändlern achtlos in der Ecke und moderten vor sich hin.
Foto: SVV Henri Adam

Auf einen Blick

  • Lamborghini zertifiziert Oldtimer im Polo Storico. Klassiker erhalten Kultstatus
  • Countach und Diablo: Testfahrt mit ikonischen Lamborghini-Modellen
  • Diablo VT 6.0 SE: 549 PS, 620 Nm Drehmoment, 320 km/h Höchstgeschwindigkeit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lorenzo FulviRedaktor Auto&Mobilität

Klassische Lamborghinis haben heute Kultstatus: In unzähligen Musikvideos wie Jamiroquais «Cosmic Girl» oder Filmen wie «The Wolf of Wall Street» rasen die italienischen Sport-Oldies über die Leinwand. Das war nicht immer so. Früher verstaubten selbst mittlerweile so gesuchte Modelle wie der legendäre Miura bei Hinterhofhändlern achtlos in einer Ecke. Für viele Händler galten alte Lambos einst als Verlustgeschäft.

Deshalb wurde nicht selten wahllos und ohne grosse Kenntnisse an ihnen herumgebastelt. Mit dem Ergebnis, dass viele alte Lamborghini umlackiert wurden oder – schlimmer – nicht mehr über ihre Originalkomponenten verfügen. Dem schob der in Sant'Agata Bolognese (I) beheimatete Hersteller vor zehn Jahren einen Riegel, in dem er 2015 das «Polo Storico» (deutsch: historisches Zentrum) schuf, um dort Lambo-Klassiker offiziell zu zertifizieren.

Abgleichen der Nummern

Rund zehn Mitarbeitende kümmern sich im Polo Storico um die Restaurierung und Zertifizierung von Old- und Youngtimern aus dem Hause Lamborghini. Vom ersten Modell 350 GT bis zum letzten Diablo – und ab 2025 auch um die Murciélago-Baureihe. Alessandro Farmeschi, globaler Aftersales-Director bei Lamborghini, erklärt bei unserem Besuch im italienischen Hauptsitz, wie eine solche Zertifizierung abläuft: «Wenn wir ein Auto erhalten, überprüfen wir zuerst die eingestanzten Nummern.» Dazu zählen die Typen-, die Motoren- und die Chassisnummer (VIN). Diese werden mit einer auf der Karosserie befestigten Plakette und den Originaldokumenten abgeglichen. Die Spezialisten erkennen, ob es sich dabei um originale Einstanzungen handelt oder ob diese nachträglich gefälscht wurden.

«Stimmen all diese Nummern überein, suchen wir erst in unserem Archiv nach weiteren noch vorhandenen Dokumenten des Autos», erklärt Farmeschi weiter. Werden die Storico-Mitarbeiter im eigenen Archiv nicht fündig, wird die Suche ausgedehnt. «Einige unserer Mitarbeitenden kümmern sich weltweit nur ums Beschaffen von passenden Originaldokumenten.» Kein Wunder, kostet eine solche Zertifizierung durch das Polo Storico mindestens 10'000 Euro. Immerhin gibts dann die Garantie, dass beim entsprechenden Fahrzeug alles korrekt ist. Und dies wiederum kann bei Verkaufsverhandlungen den Preis um ein Vielfaches in die Höhe treiben.

Spritztour mit Bedacht

Damit wir die Lamborghini-Klassiker bei unserem Besuch nicht nur optisch anschauen, sondern auch erleben können, dürfen wir zwei der Ikonen fahren. Erst den allerletzten vom Band gerollten Countach (sprich Kuntasch, deutsch: fantastisch), ein 25th Anniversary von 1990, der nur 657 Mal gebaut wurde.

Der Einstieg durch die nach oben öffnende Scherentüren wird zur Turnübung. Viel Platz gibts nicht, und als Grossgewachsener brauchts eine gute Rumpfmuskulatur. Beim Starten des 5,2-Liter-Zwölfzylinders und beim anschliessenden Losrollen stellen sich vor Aufregung die Nackenhaare auf. Doch auch die Angst fährt mit. Die Übersicht im Fahrzeug ist extrem eingeschränkt: Eine Kante auf Augenhöhe verdeckt uns die Rundumsicht – die Fahrzeugecken können so nur erahnt werden. Unser routinierter Beifahrer aus dem Polo Storico achtet an Kreuzungen mit auf den Verkehr, damit die Fahrt trotz des strömenden Regens zum Genuss wird. An den Schleifpunkt der harten Kupplung haben wir uns schnell gewöhnt. Das Fünfgang-Schaltgetriebe verfügt über erstaunlich lange Schaltwege, wobei sich der erste Gang etwas gewöhnungsbedürftig unten links befindet.

Lamborghini Countach 25th Anniversary im Schnellcheck

Antrieb: 5,2-l-V12-Benziner, 455 PS (335 kW)@7000/min, 500 Nm@5200/min, Fünfgang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,9 s, Spitze 298 km/h
Masse: L/B/H 4,20/2,00/1,07 m, Leergewicht 1590 kg

Lamborghini

Antrieb: 5,2-l-V12-Benziner, 455 PS (335 kW)@7000/min, 500 Nm@5200/min, Fünfgang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,9 s, Spitze 298 km/h
Masse: L/B/H 4,20/2,00/1,07 m, Leergewicht 1590 kg

Auf der Geraden trauen wir uns, etwas kräftiger aufs Gas zu drücken. Mit seinen 455 PS (335 kW) und 500 Nm Drehmoment auf den hinteren Rädern beschleunigt der 1,6-Tonnen-Lambo theoretisch in 4,9 Sekunden auf Tempo 100 – notabene Fahrleistungen eines 34-jährigen Autos! Spürbar am mässigen Geradeauslauf, an der harten Lenkung und den schlecht zu dosierenden Bremsen. Der Top-Speed läge bei 295 km/h, was wir auf unserer Fahrt natürlich nicht ausreizen – wir wollen das Juwel schliesslich an einem Stück zurückgeben.

Der Teufel fährt Lambo

Raus aus dem einen Traumwagen, rein in den nächsten: Als Zweites fahren wir den Nachfolger des Countach, den Diablo VT 6.0 SE. 44 Stück wurden davon gebaut – nicht mehr mit Klapplichtern, sondern mit fixen Scheinwerfern des Nissan 300 ZX. Die Platzverhältnisse sind auch hier eng, aber vor allem im Kopfbereich nicht mehr ganz so erdrückend wie im Vorgänger. Auch die Sicht aus dem Auto ist hier deutlich besser.

Irritierend wirken allerdings die selbst von Auge erkennbaren, variierenden Spaltmasse und die aus billigen Fiat-Modellen stammenden Lüftungsdüsen. Doch der Diablo musste damals auch nur zwei Aufgaben erfüllen: Sportlich aussehen und die 320-km/h-Marke knacken. Für Letzteres sorgt der hinter uns arbeitende, mächtige Sechsliter-V12-Saugmotor, der 549 PS (404 kW) und 620 Nm Drehmoment auf alle vier Räder abgibt. Fast schon teuflisch (Diablo heisst zu Deutsch Teufel) wirkt die Beschleunigung in Zusammenspiel mit der höllisch lauten Klangkulisse bei höheren Drehzahlen.

Lamborghini Diablo VT 6.0 SE im Schnellcheck

Antrieb: Sechsliter-V12-Benziner, 549 PS (404 kW)@7100/min, 620 Nm@5500/min, Fünfgang-Schaltgetriebe, Allradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,0 s, Spitze 330 km/h
Masse: L/B/H 4,47/2,04/1,11 m, Leergewicht 1625 kg

Lamborghini

Antrieb: Sechsliter-V12-Benziner, 549 PS (404 kW)@7100/min, 620 Nm@5500/min, Fünfgang-Schaltgetriebe, Allradantrieb
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,0 s, Spitze 330 km/h
Masse: L/B/H 4,47/2,04/1,11 m, Leergewicht 1625 kg

Obwohl uns der Diablo etwas komfortabler als sein Vorgänger erscheint, ist auch hier alles kompromisslos hart: das Fahrwerk, die Sitze, die Lenkung und die Kupplung. Immerhin lassen sich die Bremsen deutlich präziser dosieren. Aber auch den Diablo zu bewegen, erfordert Arbeit und Muskelkraft – etwas, was wir uns von heutigen Autos gar nicht mehr gewohnt sind. Zudem fährt der Lambo – nach heutigen Massstäben – erstaunlich behäbig, was auf der kurvenreichen Strecke unsere höchste Konzentration erfordert, um jeweils den optimalen Brems- und Schaltpunkt zu finden. Die Fahrt in Lambos fantastischen Teufelskerlen verkommt zur echten Zeitreise – und diese ist bestens im Polo Storico dokumentiert.

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