Rund 1,3 Millionen Menschen weltweit verlieren jedes Jahr im Strassenverkehr ihr Leben – 20’600 waren es im vergangenen Jahr allein in Europa. Wie sicher ein Auto bei einem Unfall ist, zeigt der europaweite Sicherheitsindex Euro NCAP.
Mercedes legt aber noch eine Schippe drauf: Die Crashtests im hauseigenen Technologiezentrum für Fahrzeugsicherheit in Sindelfingen (D) gehen weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Mit einem erstmals öffentlich inszenierten Crashtest mit zwei Elektroautos beweist der deutsche Hersteller, dass Insassen-Sicherheit nicht vom Antriebsstrang abhängig ist. Blick war beim inszenierten Crash live dabei.
Reale Unfälle werden simuliert
Mercedes verfolgt ein ambitioniertes Ziel: «Die Vision Zero ist eine Strategie, bei der wir unsere Autos so sicher machen wollen, dass es nach 2050 keine tödlichen Unfälle mit Mercedes-Fahrzeugen mehr geben wird», erklärt Paul Dick, Leiter Fahrzeugsicherheit bei Mercedes-Benz.
Dazu führt der deutsche Autohersteller jährlich rund 900 Crashtests mit Fahrzeugen und 1700 sogenannte Schlittenversuche durch, bei denen nur eine Rohkarosserie mit den zu prüfenden Komponenten gecrasht wird. Dazu kommen noch Tausende Computersimulationen. Ausgangspunkte bilden dabei reale Unfallszenarien.
Prävention und Schadensbegrenzung
Bei Mercedes habe jedoch nicht nur die Sicherheit während eines Unfalls Priorität, betont Dick: «Ebenso wichtig wie der Schutz während eines Unfalls ist dessen Prävention. Also mit unseren Sicherheitssystemen möglichst einen Crash zu verhindern. Geht das nicht, gilt es wenigstens, sich auf den Aufprall vorzubereiten.»
Um die Auswirkungen einer Kollision zu mildern, helfen beispielsweise Assistenzsysteme, die selbständig notbremsen. Oder auch Sitze, die sich vor einem Seitenaufprall mehr zum Fahrzeuginnern neigen, damit die Karosserie mehr Spielraum zur Verformung hat.
Überdies analysiert das «Sicherheitsgehirn», ein kleines gelbes Steuergerät, bei dem alle Sensoren und Systeme zusammenlaufen, aus welcher Richtung der Aufprall erfolgt, und löst dann nur die nötigen Airbags aus. Wieso nicht alle? Weil sonst bei einer Folgekollision keine weiteren auslösbaren Airbags mehr zur Verfügung stünden.
Mehr zu Sicherheit im Strassenverkehr
Elektroauto und Verbrenner sind gleich sicher
Alles bis jetzt Beschriebene gilt für alle Autos – egal ob Verbrenner- oder E-Fahrzeug. Doch immer wieder ist zu hören, E-Autos seien aufgrund ihrer brennbaren Antriebsakkus gefährlicher als Benziner oder Diesel. Stimmt das? «Nein. Sicherheit ist keine Frage des Antriebs», erklärt Julia Hinners, Ingenieurin für passive Sicherheit bei Mercedes-Benz. «Ein Elektroauto ist bei uns genauso sicher wie ein Verbrenner. Es muss nur so gebaut werden, dass die Batterie und das Hochspannungsstromnetz geschützt sind.»
Das riesige Akkupaket im Unterboden darf also keinesfalls deformiert werden, sonst könnte es wortwörtlich brenzlig werden. Dazu wird bei E-Autos der gesamte untere Rahmen verstärkt und die Aufprallenergie so von der Batterie weggeleitet. Ausserdem kappt das Auto bei einer Kollision automatisch die Hochspannungsleitungen, um diese stromlos zu machen.
Zudem bieten laut Hinners Stromer bei Frontalkollisionen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Durch das Fehlen des Verbrennungsmotors vor der Fahrgastzelle gibt es dort genügend Platz, um eine optimale und sichere Knautschzone zu konstruieren, die bei Frontalcrashs viel Energie aufnehmen kann.
SUV mit 56 km/h gegen SUV
Die Sicherheit eines Mercedes-Elektroautos demonstriert uns der Hersteller dann bei einem Frontalcrash mit 50-prozentiger seitlicher Überlappung. Dabei lässt Mercedes einen drei Tonnen schweren SUV EQE mit einem rund 2,2 Tonnen kompakten EQA bei einer Geschwindigkeit von 56 km/h aufeinanderprallen. Ein Szenario, wie es sich häufig auf Landstrassen zum Beispiel nach einem missglückten Überholmanöver abspielt.
Millisekunden später: Nach einem heftigen und sehr lauten Knall ist alles vorbei. Ein Bild der Verwüstung. «Die heftige Verformung der beiden SUV nach der Kollision mag auf Laien erschreckend wirken. Uns zeigt sie jedoch, dass die Energie des Aufpralls über die Deformation der Autos wirksam abgebaut werden konnte», so Paul Dick. Selbst die Türen lassen sich noch problemlos öffnen.
Als die Feuerwehr den Test-Unfallort freigibt, dürfen wir Journalisten uns die Folgen dieses Crashs näher ansehen. Ein Blick in die Fahrgastzelle lässt uns staunen: Von der äusserlichen Verwüstung ist im Innenraum beider SUV kaum etwas zu sehen. Selbst das riesige Touchdisplay im EQE ist noch voll funktionstüchtig – und auch die Frontscheibe weist nur kleine Kratzer auf. Beim kleineren EQA ist die Frontscheibe zwar zersplittert und ein Rad komplett abgerissen. Aber: Alle Insassen hätten diesen Crash – mit Verletzungen – überlebt. Und gebrannt hat, wie oft von Laien kolportiert, bei diesem Crashtest gar nichts.