Fahrzeugprototypen stehen für Innovation, Technik und Kreativität. Sie sind die nächste Stufe, wenn die Planung eines Modells abgeschlossen ist. Erhalten diese von Hand gebauten Prototypen von den Herstellerbossen schliesslich grünes Licht, steht einer Serienproduktion nichts mehr im Wege. Dennoch schafft es längst nicht jeder Prototyp in die Gross-Serienproduktion und schliesslich auf unsere Strassen. Bei den folgenden Modellen blieb es leider beim Entwurf.
1990: BMW M8
Seiner Zeit voraus: genau das trifft auf den BMW M8 zu. Der Urvater des heutigen M8 basiert auf dem 8er, der in den 1990er-Jahren produziert wurde. Der V12-Motor mit sechs Liter Hubraum sorgte für ein maximales Drehmoment von 650 Nm und 640 PS (470 kW) und hätte nach Angaben locker über 300 km/h fahren können. Zum Vergleich: Ein nagelneuer BMW M8 Competition hat 625 PS (460 kW). Das sind 15 PS weniger als sein 35-jähriger Vorgänger! Doch zur Produktion kam es damals nicht, da sich das Basismodell nicht wie erhofft verkaufte und gegen Konkurrenten wie den Mercedes SL nicht ankam. Erst im Juli 2010 präsentierte BMW den Prototypen der Öffentlichkeit.
1997: VW W12 (Nardò)
Der schnellste VW aller Zeiten? Die Rede ist vom VW W12, auch bekannt als VW Nardò. Nicht ohne Grund wurde der Wolfsburger-Prototyp nach der süditalienischen kreisförmigen Teststrecke benannt, nachdem das Erprobungsfahrzeug dort gleich neun Streckenrekorde pulverisiert hatte. Der W12-Motor, der aus zwei Sechszylinder-Motoren bestand, leistete knapp 600 PS (441 kW) und schaffte so beeindruckende 350 km/h Spitze. Bei der Tokio Motor Show 2001 wurde der VW Nardò zum ersten Mal präsentiert. Gar von einem zusätzlichen Roadster war die Rede. Als Kaufpreis schwebte den Wolfsburger Managern damals rund 200’000 Deutsche Mark, umgerechnet 153’000 Franken vor. Doch der Super-VW fand schliesslich nie seinen Weg in die Produktion, dafür kam später der Veyron von Konzernschwester Bugatti.
2008: Audi R8 V12 TDI
Der Audi R8 prägte die Marke so stark wie kaum ein anderes Modell. Kein Wunder, spielten die Audi-Ingenieure 2008 mit dem Gedanken, dem Verbrenner noch eine Selbstzündervariante zur Seite zu stellen. Der R8 V12 TDI war geboren. Der mit Diesel angetriebene Zwölfzylinder-Motor leistete im Prototyp 500 PS (367 kW) und 1000 Nm Drehmoment. Als Inspiration galt der Audi R10 TDI, der als erster Dieselrennwagen der Geschichte einen Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans errang und mit dem man die Dieseltechnologie weiterbringen wollte. In die Serienproduktion schaffte es der Diesel-R8 dann aber doch nicht. Zu teuer wäre die Realisierung dieses Ingenieurtraums geworden.
2008: Lamborghini Estoque
Mit dem Lamborghini Urus kam nach langer Zeit wieder ein viertüriger Lambo auf den Markt. Doch beinahe hätte ein anderes Modell den Vorrang bekommen. Die Rede ist vom Lamborghini Estoque, der 2008 am Pariser Autosalon als Studie vorgestellt wurde. Geplant war, den Viertürer 2012 in Serie zu bauen. Doch Lamborghini Präsident Stephan Winkelmann entschied sich letztendlich dagegen und zog dem Projekt den Stecker. Warum, bleibt sein Geheimnis – aber vermutlich aus Kostengründen. Jedenfalls schade, beim Betrachten der Bilder können wir uns gut vorstellen, dass diese Sportlimousine viele Freunde gefunden hätte. Laut gut informierten Insidern hätte der Estoque einen V10-Motor mit 560 PS (412 kW) erhalten sollen.
2010: Jaguar C-X75
Der Pariser Autosalon 2010: Jaguar stiehlt allen Ausstellern mit dem atemberaubenden Prototyp C-X75 die Show. Zum damaligen 75. Firmenjubiläum entschied sich der britische Sportwagenhersteller, den damals technisch revolutionären Supersportler in Serie zu bauen. So begann die Entwicklung der Hybrid-Raubkatze in Zusammenarbeit mit dem britischen F1-Team Williams, das einen neu entwickelten Vierzylinder-Turbomotor beisteuerte. Zusammen mit einem Akku, der bis zu 60 Kilometer rein elektrische Fahrt versprach, leistete der C-X75-Prototyp rund 510 PS (375 kW) und war bis zu 354 km/h schnell. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denk: Aufgrund der wirtschaftlichen Lage musste das bereits weit fortgeschrittene Projekt schliesslich doch fallengelassen werden.
2012: Mercedes Ener G Force
Was mit einem Designwettbewerb angefangen hatte, endete 2012 tatsächlich mit dem Bau eines Fahrzeugs. Mercedes-Designer Gorden Wagener entwarf für die Design Challenge in Los Angeles (USA) das Konzept einer vollelektrischen und optisch neuen G-Klasse. Weg von den klassischen Ecken und Kanten, die den Mercedes-Panzer berühmt gemacht haben. Über eine Produktion des damals futuristischen SUVs wurde freilich nie ernsthaft nachgedacht. Aber es sollte als Richtungsweiser für die Zukunft dienen. Und siehe da: Mehr als zehn Jahre später ging Wageners Vision doch noch in Erfüllung. Denn seit letztem Jahr ist die erste elektrische G-Klasse auf dem Markt. Allerdings formal ganz anders, im Stil der bekannten G-Klasse.
2013: Toyota FT-86 Open Concept
Der Toyota GT86 ist eines der Gute-Laune-Autos schlechthin. Das kleine sportliche Coupé hat trotz «nur» 200 PS (147 kW) und einem Vierzylinder-Boxermotor, aber mit nur 1,2 Tonnen Gewicht und Hinterradantrieb, ausreichend Potenzial für Fahrspass. Zwei Jahre nach der Serienproduktion des GT86 präsentierte der japanische Konzern am Genfer Autosalon 2013 den Toyota FT-86 Open Concept. Die Cabrioversion des GT86 stiess als hübscher Sommer-Roadster beim Publikum auf Begeisterung. Dennoch entschied sich Toyota aufgrund zu hoher Produktionskosten gegen eine Serienfertigung. Toyota-Chef Akio Toyoda entschied erst vier Jahre später: «Wir bauen no more boring Cars».
2015: Aston Martin Rapide E
Der Aston Martin Rapide ist eines der wenigen viertürigen Autos mit V12-Motor. Doch 2019 verkündete der britische Hersteller an der Shanghai Motor Show, dass man den allerersten vollelektrischen Aston Martin produzieren wolle. Der auf 155 Exemplare limitierte Aston Martin Rapide E hätte umgerechnet rund 260’000 Franken kosten sollen. Eine flüssigkeitsgekühlte 800-Volt-Batterie mit 65 kWh Kapazität hätte einen E-Motor mit knapp 610 PS (450 kW) gespeist. Die Spitze wurde mit 248 km/h angegeben. Doch weil Aston Martin während der Entwicklungsphase wieder mal in finanzielle Schieflage geriet, musste das Projekt erst gestoppt und schliesslich ganz beerdigt werden.
2015: Mazda RX Vision
Mit einer Pressemitteilung 2015 kündigte Mazda ein ganz besonderes Konzeptfahrzeug an: Im Oktober entüllt Mazda auf der Tokio Motor Show die «ultimative Sportwagenstudie» – den Mazda RX Vision. Optisch war er ein echter Hingucker, weil der 1,1 Meter flache Mazda wie ein Supersportler aussah, dennoch aber die Mazda-DNA beibehielt. Ausgerüstet war der RX Vision mit Mazdas berühmten Wankelmotor, zu dessen Leistung es jedoch nie Informationen gab. Doch nach diesem Aufschlag 2015 in Tokio wurde es ruhig um den «ultimativen Sportler» – und drei Jahre später erklärte der damalige Mazda-CEO Akira Harumoto, dass der RX Visioin eine reine Vision bleiben wird.
2016: Porsche Vision Turismo
Erst vier Jahre nach der Fertigung, im Jahr 2020, verriet Porsche die Entwicklung eines Prototyps, den es so in der Firmengeschichte noch nie gab. Die Vision Turismo basierte auf der Grundidee eines viertürigen Supersportwagens mit Heckmotor. Doch bei der Planung stellten die Porsche-Verantwortlichen fest, dass sich ein elektrischer Antrieb besser anbieten würde. Und so wurde der Grundstein für den Porsche Taycan gelegt. Die Entwicklungsarbeiten am Vision Turismo wurden dagegen eingestellt. Auch, weil man den Taycan nicht unnötig konkurrenzieren wollte.
2020: Sony Vision-S
Sony ist weltbekannt für seine Elektronikprodukte wie Konsolen, Kameras und mehr. Bald aber auch für Autos. 2020 wurde an der US-Technikmesse CES in Las Vegas der vollelektrische Sony Vision-S präsentiert. Eine Oberklasselimousine, mit der sich der japanische Technikgigant am Automarkt versuchen wollte. Später folgte auch noch eine SUV-Version. Beide Vision-Prototypen verfügten über zwei Elektromotoren mit total 544 PS (400 kW) Leistung. Doch 2022 kam der Richtungswechsel und Sony gab bekannt, künftig gemeinsam mit Honda unter der Marke Afeela Elektroautos zu bauen. Nächstes Jahr soll der Afeela 1 auf den Markt kommen.