Als Sascha T.* (24) mobilisiert wurde, um auf russischer Seite in der Ukraine zu kämpfen, zögerte sein Zwillingsbruder Juri T.* (24) nicht lange: Er meldete sich freiwillig und wurde als Wagner-Söldner rekrutiert. Sascha starb an der Front – doch was mit seinem Bruder geschah, ist unklar. Denn die Familie aus dem Ural hat keinen Kontakt mehr zu ihm, schreibt «E1», ein Nachrichtenportal aus Jekaterinburg. Verzweifelt suchen sie nach Juri – die russischen Behörden schweigen aber.
Vom Tod seines Bruders erfuhr die Familie lange nichts. Er meldete sich zuletzt im Oktober, etwa einen Monat, nachdem er den Marschbefehl erhalten hatte. Dann herrschte Funkstille. Erst nach mehreren Anfragen bei den Behörden bekamen sie die Nachricht: Sascha sei im Oktober an der Front gefallen, in der annektierten Region Luhansk.
Viel mehr Informationen bekamen die Angehörigen nicht. Erst im Dezember bekamen sie den Leichnam des verstorbenen Angehörigen – über einen Monat nach seinem Tod. Die Familie konnte ihren verstorbenen Sascha angemessen begraben. Viele andere russische Familien erfahren nicht einmal vom Tod ihrer Liebsten.
Vom anderen Bruder fehlt jede Spur
Die Familie bat die Chefs der Wagner-Söldner, Juri T. zu beurlauben, damit er seinen Zwillingsbruder beerdigen kann. Die Bitte wurde abgelehnt. «Wir können nichts über Juri erfahren», sagt seine Schwester verzweifelt zu «E1». Das letzte Mal habe sich ihr Bruder Anfang November gemeldet. «Wir können ihn nicht auch noch verlieren», so die Schwester.
Die Familie versucht nun, den Sohn aus der rekrutierten Wagner-Truppe herauszuholen und reichte einen Antrag an das Wagner-Zentrum in Moskau ein. Doch Wagner weigert sich, Juri T. zu seiner Familie zu schicken. Die Ausrede: Seine Einheit befinde sich auf einem Kampfgebiet, wo es keine Möglichkeit gibt, ihn zu kontaktieren. «Wir wissen nicht einmal, ob er noch lebt», klagt die Schwester.
Juri T. sass zum Zeitpunkt seiner Rekrutierung gerade seine Haftstrafe ab. 2018 hatte der vorbestrafte junge Mann betrunken ein Motorrad geklaut, um damit eine Spritztour zu machen. Dafür wurde er zu mehr als zwei Jahren verurteilt. Eigentlich käme er im Dezember wieder auf freien Fuss. «Da mein Bruder dort ist, gehe ich auch hin», sagte er im September, drei Monate, bevor er entlassen würde, zu seiner Familie. Doch jetzt fehlt jegliches Lebenszeichen. (jwg)
* Namen geändert