Das Interview mit dem Zukunftsforscher Tristan Horx muss an einem Samstag stattfinden. Der 28-Jährige ist in diesen Tagen viel beschäftigt, ist doch erst kürzlich sein Erstlingswerk «Unsere Fucking Zukunft» erschienen. Die Telefonverbindung nach Wien ist zwar etwas holprig, Horx’ Aussagen deshalb aber nicht minder deutlich.
«Ich will nie werden wie meine Eltern», sei einer der meistgedachten Sätze eines Jugendlichen, schreiben Sie in Ihrem Buch. Sie selber sind jetzt wie Ihr Vater Zukunftsforscher. Was ist falsch gelaufen?
Tristan Horx: (Lacht) Natürlich gabs auch bei mir Phasen, vor allem in der Frühpubertät, wo ich auf Distanz gegangen bin zu meinen Eltern. Und nach der Schule bin ich für ein halbes Jahr nach Sri Lanka, man kann sagen geflüchtet, um Abstand zu gewinnen und zu reflektieren. Doch irgendwann kam ich – natürlich auch aufgrund meiner Sozialisation – zur Gewissheit, dass ich gerne als Zukunftsforscher tätig wäre.
Wie sehr haben Sie darunter gelitten, nicht wirklich rebellieren zu können?
Meine aus England stammende Mutter war früher ein Punk, mein Vater war ein 68er-Hippie – da war Rebellion tatsächlich ziemlich schwierig. Im Gegenteil: Alle meine Versuche, anders zu sein, nahmen meine Eltern eher erfreut, wenn nicht gar stolz zur Kenntnis. Aber auch bei mir gab es Phasen, in denen ich das Umfeld meiner Eltern als ätzend empfand. Aber am Ende ist es wie bei vielem, man passt sich den Eltern an.
Zukunftsforscher Tristan Horx (28) ist britisch-irischer Staatsbürger und lebt in Wien. Sein Vater ist der bekannte Zukunfts- und Trendforscher Matthias Horx (66). Tristan Horx arbeitet am Zukunftsinstitut, das sein Vater 1998 gegründet hat. Zudem ist er Dozent an der Hochschule Heidelberg und an der Fachhochschule Wieselburg und schreibt regelmässig Kolumnen für die «Kronen Zeitung» in Österreich. Jüngst ist sein Erstlingswerk «Unsere Fucking Zukunft» im Quadriga Verlag erschienen.
Zukunftsforscher Tristan Horx (28) ist britisch-irischer Staatsbürger und lebt in Wien. Sein Vater ist der bekannte Zukunfts- und Trendforscher Matthias Horx (66). Tristan Horx arbeitet am Zukunftsinstitut, das sein Vater 1998 gegründet hat. Zudem ist er Dozent an der Hochschule Heidelberg und an der Fachhochschule Wieselburg und schreibt regelmässig Kolumnen für die «Kronen Zeitung» in Österreich. Jüngst ist sein Erstlingswerk «Unsere Fucking Zukunft» im Quadriga Verlag erschienen.
Eine gesellschaftliche Rebellion habe sich zuletzt mit den Fridays-for Future-Demonstrationen von vor drei Jahren gezeigt. Der seit Jahren schwelende Generationenkonflikt sei an die Oberfläche gekommen. Doch statt der Entstehung eines Generationendialogs verhärteten sich die Fronten. Was lief schief?
Man deckte sich gegenseitig sehr schnell mit Klischees und Pauschalisierungen ein. Es wurde schlicht nicht konstruktiv gestritten. Die Boomer-Generationen fühlten sich angegriffen und nicht wertgeschätzt, und sie unterstellten den Jungen Naivität und Faulheit. Die Jungen umgekehrt warfen der älteren Generation mangelnde Selbstkritik und Kommunikationsverweigerung vor.
Bringen denn Sie Verständnis für die Reaktion der älteren Generation auf?
Ich war ehrlich gesagt schon etwas überrascht über das Schmollen der älteren Generation, weil ich dachte, mit der Altersweisheit stehe man eventuell über gewissen Vorwürfen. Letztlich appelliere ich aber an das gegenseitige historische Verständnis. Das heisst konkret, dass gerade auch die jüngere Generation verstehen sollte, aus welchem Scherbenhaufen die Nachkriegsgeneration die Gesellschaft und Wirtschaft wieder aufgebaut hat.
Sie schreiben, die Klimabewegung habe mit Corona eine unerwartete Verbündete erhalten. Wie meinen Sie das?
Es fanden, quasi zwangsverordnet, Entschleunigung, weniger Konsum, Rückbesinnung auf das Wesentliche und in der ersten Phase der Pandemie vor allem generationsübergreifende Solidarität statt. Ich glaube schon, dass gewisse Dinge in der Gesellschaft länger Bestand haben werden und letztlich auch der Klimabewegung zugutekommen. Denn wir Menschen haben gezeigt, wenn die Hütte richtig brennt, dann sind wir bereit zu handeln.
In Ihrem Buch beschreiben Sie auch die aus Ihrer Sicht positiven Auswirkungen auf die Arbeitswelt – dass man wegkommt von der Gleichung: Anwesenheit ist gleich Produktivität. Wie wird die Pandemie die Arbeitswelt verändern?
Für überholt erachte ich insbesondere den Acht-Stunden-Arbeitstag. Überhaupt glaube ich, dass es in Zukunft immer mehr zu einer Vermischung von Arbeit und Freizeit kommt.
Gerade am Beispiel Arbeit und Karriere entzündet sich oft der Generationenkonflikt. Wenn es nämlich von der Elterngeneration heisst, man muss nur wollen und hart arbeiten, dann klappt es schon mit der Karriere.
Genau, bei der Boomer-Generation, also der Nachkriegsgeneration, galt die Gleichung: Gute Ausbildung und viel Einsatz ist gleich Wohlstand. Diese Zeiten sind aber definitiv vorbei.
Wenn wir von Zukunft sprechen, dann darf natürlich auch der Begriff Digitalisierung …
... ich kann das Wort nicht mehr hören!
Weshalb?
Weil das Wort fast schon inflationär gebraucht wird und ich den Eindruck nicht loswerde, dass man sich sehr oft gar nicht richtig Gedanken macht, was man damit meint.
Sie schreiben, auch im Bereich der Digitalisierung brauche es jetzt eine Rebellion. Wir könnten uns nicht mehr länger alles gefallen lassen. Was denn genau?
Ich habe Mühe mit der Vision, alles zu digitalisieren, was man digitalisieren kann. Das ist für mich keine Zukunft, sondern vielmehr eine Apokalypse. Nicht zuletzt sollten wir beim Thema Big Data rebellieren. Die Frage lautet hier: Für was verwenden wir die Unmenge an Daten? Zurzeit vor allem um den Menschen Schrott zu verkaufen. Wenn schon Daten ansammeln, sollte das der Menschheit zugutekommen.
Was wäre denn Ihr Lösungsansatz?
Social Media ist Gemeindegut und muss dringend demokratisiert werden. Facebook zum Beispiel ist der grösste Publizist der Welt und hat null moralischen oder journalistischen Anspruch. Deshalb plädiere ich auch für eine Internet-Weltbehörde, die den grossen Internet-Giganten die Stirn bietet. Globale Phänomene oder Probleme müssen auch global gelöst werden.
Sie schreiben, auch der Beruf des Journalismus sei gerade jetzt in der Pandemie so wichtig wie noch nie.
Ich wäre wahrscheinlich selber gerne Journalist geworden und habe einen riesigen Respekt vor Journalisten. Aber als Mediennutzer beobachte ich mit Sorge, dass immer öfters Artikel veröffentlicht werden, um auf der Website Klicks zu generieren. Mehr Klicks bedeutet mehr Geld für Werbung. Gepaart mit dem Umstand, dass Medien schon immer eher zu Bad News neigten, entsteht eine unheimliche Spirale hin zur Skandalisierung ...
… weshalb Sie für einen hippokratischen Eid für Journalisten plädieren. Quasi ein Standard, an dem sich Journalisten orientieren könnten.
Genau. Im Informationszeitalter sind Journalisten als Kuratoren und Deuter die Könige. Damit einher geht eine grosse Verantwortung. Ich wünschte mir als Gegenstück zu den Klickzahlen-Zielen das Ausformulieren auch moralischer Ziele, die nicht verfehlt werden dürften. Natürlich muss Journalismus unternehmerisch funktionieren. Doch der Journalismus hat eben auch eine grosse gesellschaftliche Verantwortung.
Sie schreiben, das gesellschaftliche Versprechen, nachdem es die nächste Generation besser haben würde als die vorherige, ist schon für die jüngste Generation fast unmöglich. Für die Generation, die jetzt auf die Welt kommt – Sie nennen sie Corona-Generation –, sei das Versprechen komplett ausser Reichweite gerückt. Ziemlich düster!
Hier habe auch ich mich von meinen niederen journalistischen Motiven leiten lassen (lacht). Die Generation Corona wird in einer Welt aufwachsen, in der sie all die grossen Wendungen wie Nachhaltigkeit, Arbeitswelt, Digitalisierung oder Neuaushandeln der Gesellschaftsverträge am eigenen Leib erleben wird. Wenn diese Menschen junge Erwachsene sind, werden sie erfahren, was unsere Generation aus dem Ganzen gemacht hat.
Sprich, für diese Generation sind wir dann quasi die Boomer-Generation.
Richtig. Es wäre sehr bedauerlich, wenn diese Generation uns einst vorwerfen müsste: Ihr habt es verkackt.»
Was spricht für Sie persönlich dafür, Kinder auf diese Welt zu setzen?
Weil wir nach wie vor in der geilsten Version der Welt, die wir jemals hatten, leben – zumindest mal auf den Westen bezogen. Deshalb nochmals: Wir können uns eigentlich nur bei der Boomer-Generation bedanken. Wir müssen die Welt nicht neu erfinden, sondern nur anpassen.
Sie sind also optimistisch, obwohl wegen Corona gerade eine Ausnahmesituation herrscht – gerade auch in Österreich, wo es einen Lockdown für Ungeimpfte gibt. Was sagen Sie dazu?
Es scheint so, als würden uns deutschsprachige Länder die Schattenseiten des Föderalismus in Kombination mit Echokammern im Netz einholen. Schweiz, Deutschland, Österreich haben ja wahrlich erbärmliche Impfquoten, diese Faktoren sind vermutlich die Hauptgründe. Dass Österreich den gewagten Schritt geht, ein Lockdown für Ungeimpfte durchzusetzen, erhöht die Spaltung leider weiter, auch wenn es durchaus einige Menschen zur Impfung bewegt. Nach wie vor werden sich aber 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung nicht umstimmen lassen. Durch Verbote sehen sie sich zu einfach in der Opferrolle.
Was könnte man sonst tun?
Ich wäre dafür, den Spiess umzudrehen. 5000 Euro und zwei Wochen Ferien nach der Pandemie für all jene, die sich bis 2022 impfen lassen. Im Vergleich zu den wirtschaftlichen Konsequenzen und Verlusten eines mehrwöchigen Lockdowns sind das Peanuts. Mit positiven politischen Incentives führen wir die Gesellschaft eher wieder zusammen.