Er habe einen seiner «liebsten Menschen auf dieser Welt» verloren, sagte der kanadische Premier Justin Trudeau (50) über Elizabeth II., die am Donnerstag nach 70 Jahren Regierungszeit verstorben ist. Auch Trudeaus australischer Amtskollege Anthony Albanese (59) bekundete Anteilnahme: Sein Land habe ein «weises und ermutigendes Staatsoberhaupt» verloren.
Die Queen war nicht nur Königin von England, sondern unter anderen auch von Kanada und Australien. Insgesamt 15 Nationen, die Commonwealth Realms (früher Dominions), erkennen noch heute die britische Königin oder den König als Staatsoberhaupt an. (Weitere 41 Länder, etwa Indien, Pakistan oder Nigeria, sind Teil eines losen Zusammenschlusses, der sich Commonwealth of Nations nennt.)
Nur noch symbolisch
Die Commonwealth Realms unterstehen nur noch symbolisch der britischen Krone. Doch die DNA ist klar: Es ist ein Überbleibsel des früheren britischen Empires – und genau deshalb umstritten. Kaum ist die Langzeitmonarchin tot, wird daher vehement über Sinn und Unsinn der Staatenfamilie gestritten.
«Ich kann nicht trauern über das Oberhaupt eines rassistischen Imperiums, aufgebaut auf gestohlenen Leben, auf gestohlenem Land und auf dem Wohlstand der kolonisierten Völker», twitterte etwa die australische Grünen-Politikerin Mehreen Faruqi (59) am Freitag. Für ihren Angriff auf die Krone wurde sie zwar kritisiert. Doch sie traf einen wunden Punkt. Seit Jahren wird in Down Under diskutiert, ob und wann man sich von der britischen Krone löst.
Seit 1952 hat sich viel verändert
Dass mit dem Tod der Queen diese Frage wieder aufkommt, war zu erwarten. Elizabeth II. bestieg den Thron im Jahr 1952, zu einer Zeit, als England noch über Reste eines Weltreichs herrschte. Seitdem hat sich die Lage radikal verändert: Die Kolonien wurden unabhängig, Grossbritannien verlor an Bedeutung. Doch die Queen blieb. Und mit ihr das Commonwealth. Elizabeth galt als Garantin einer Kontinuität, die eigentlich längst unterbrochen war. Das Commonwealth blieb ein letzter Anhaltspunkt, der manchen Inselbewohnern imperiale Nostalgie gestattete.
«Es wird schon lange diskutiert, wie es mit den Commonwealth Realms weitergehen soll», sagt Barbara Straumann (51), Professorin für Englische Literatur und Kultur an der Uni Zürich. «Viele kritisieren, sie seien aus der Zeit gefallen und gehörten abgeschafft.» Gerade in einigen Karibikstaaten, wo die britische Herrschaft noch heute mit Leid und Unterdrückung verbunden werde.
Mit dem kleinen Inselstaat Barbados hat sich im November 2021 erstmals seit Jahren ein Staat aus dem Kreis der Commonwealth Realms hinausbewegt und sich zur Republik erklärt. Zwar verbleibt Barbados im losen Bund des Commonwealth, ist aber kein Realm (Königreich) mehr.
PR-Desaster
Als Prinz William (40) und seine Frau Kate (40) im März 2022 zum Staatsbesuch in Jamaika, Belize und auf den Bahamas waren, um – so wurde vermutet – die Staaten für einen Verbleib in der Personalunion mit der Krone zu überzeugen, hagelte es Kritik. Die Reise war ein PR-Desaster, und die Befürchtung, die gastgebenden Staaten würden nun wie Barbados der Krone den Rücken kehren, wurde lauter.
«Dass die Commonwealth Realms unter Elizabeth nicht auseinanderbrachen, hatte auch mit ihrer spezifischen Darstellung von Macht zu tun», so Professorin Straumann. Als Mutterfigur, als bodenständige und langjährige Regentin habe sie Stabilität und Geborgenheit geschaffen – ob man die Krone unterstützte oder nicht. «King Charles wird diese Rolle kaum übernehmen können.»
Sieben Jahrzehnte sass Elizabeth II. auf dem Thron. Die Monarchie ist ohne sie für viele kaum noch vorstellbar. Und doch wird jetzt alles anders. Das weiss auch Australiens Premierminister Albanese. Am Freitag sagte er zwar: «Heute ist nicht der Tag der Politik. Heute zollen wir der Queen Respekt.»
Doch an allen anderen Tagen ist auch er ein überzeugter Republikaner. Einer, der Australien am liebsten von der Krone loslösen würde.